SELBER
KLARBLICK ÜBEN
Ein
Leitfaden für Achtsamkeit
von
PHRA
ACHARN THAWIE BALADHAMMO
(übersetzt von Christoph Bank)
Inhalt
VORWORT
EINFÜHRUNG
TEIL I
DIE
ÜBUNG
Die vier
Grundlagen der Achtsamkeit
Die fünf
Anhäufungen
Sitzmeditation
Gehen und Stehen
Die
weiteren Schritte
MEDITATIVE
PHÄNOMENE (SABHAVA)
HINDERNISSE
IN DER KLARBLICKÜBUNG
Hindernisse
der Ungeübten
Die fünf
geistigen Hindernisse
Hindernisse
der mittleren Stufe
Hindernisse
der entwickelten Stufe
AUSGLEICH
DER FÄHIGKEITEN
Die fünf
geistigen Fähigkeiten
JENSEITS
VON EINTRÜBUNG UND HANDELN
Eintrübung,
Handeln und Ergebnis
Der
Achtfache Pfad im Klarblick
Für das
Verlöschen des Verlangens üben
TEIL
II
DIE
ERGEBNISSE DER ÜBUNG
Die
Reinheitsstufen und Klarblickschritte
DER
VOBEREITENDE PFAD
Wissen von
Geist und Körper
Wissen der
Bedingtheit
Wissen des
Begreifens
Wissen vom
Entstehen und Vergehen
Verzerrungen
des Klarblicks
Vier Arten
der Selbstvergessenheit
DER
KLARBLICKPFAD
Wissen der
Auflösung
Wissen der
Furcht
Wissen des
Elends
Wissen des
Überdrusses
Wissen des
Verlangens nach Befreiung
Wissen der
Großen Bemühung
Wissen des
Gleichmuts vor Gebilden
Sechs
Eigenschaften des Gleichmuts
DER
ÜBERWELTLICHE PFAD
Klarblick,
der zum Entrinnen führt
Wissen der
Anpassung
Wechsel
der Zugehörigkeit
Pfad,
Frucht und Rückblick
Wiederkehr
des Fruchtbewußtseins
Die
Vorzüge des Klarblicks
Über den
Autor
Durchschaue
Dich Selbst
VORWORT
Die
Gesellschaft ist heute ganz materialistisch geworden. Das Bedürfnis nach materiellen Gütern wächst und wächst. Und nie hört man das Wort “Genug!” Mächtige Begierden
zwingen die Menschen, unablässig für die Befriedigung ihrer Wünsche zu
arbeiten. So steht es in der heutigen Zeit um die Gesellschaft und den
Einzelnen. Aufgrund dieser Entwicklung interessieren sich die Leute nicht mehr
für ihr eigenes geistiges Wohl. Sie halten sich fern von den Lehren, die sie
aus ihrer Hetze herausführen könnten.
Die
Menschen sind heutzutage wie Vögel. Morgens verlassen
sie ihr Nest, um Futter für den Tag zu suchen. Wenn der Abend
naht, kehren sie müde und erschöpft nach Hause zurück. Morgens raus, abends
zurück, so ist das Leben im Alltag – besonders für Leute, die in Hochhäusern
ihr Nest haben, da liegt der Vergleich auf der Hand.
Aus
solchen Gründen sind die Menschen geistig starr und
angespannt. Das macht sie egoistisch und ihre Handlungen
chaotisch. Sie geben jeder Laune nach, und es fehlt ihnen die
Achtsamkeit, die sie davor bewahren würde, sich in Situationen zu bringen, die
ansonsten unmöglich wären. Und es sieht nicht nach einer
Besserung der Lage aus.
Gegenwärtig
Wenn man
dann abends nach Hause kommt, und da erwarten einen nur Familienprobleme, dann ist die neurotische Spannung schon bedenklich. Wie soll man in diesem Zustand schlafen? Man liegt wach und
wälzt Probleme: Arbeit, Geld und all die tausend Dinge, die einem auf dem
Herzen liegen. Geist, Nerven und Gehirn wollen sich auf
natürliche Weise regenerieren, müssen aber weiter arbeiten. Genau das sind doch die Probleme, die uns tagaus, tagein nur
neurotischer machen.
Da dürfte
ein Handbuch für Vipassana von Nutzen sein für diejenigen, die keine
Gelegenheit haben, in ein Meditationszentrum zu gehen, wo
sie bei einem Lehrer üben könnten.
Sie können
dieses Buch als Handbuch für die Übung benutzen, indem
Sie mit zehn, zwanzig oder dreißig Minuten als Übungszeit beginnen. Üben Sie
abwechselnd im Sitzen und im Gehen, und setzen Sie die Übung fort, solange Sie
sich dafür aussehen.
Zwingen Sie sich nicht zu sehr. Tun Sie es vertrauensvoll, mit
freudigem Geist. Entspannen Sie sich, sodaß die
geistige Starre und Verkrampfung von Ihnen abfällt und der Geist friedlich und
ruhig wird.
Aus dieser Ruhe entsteht inneres Glück. Dann werden Sie
selber verstehen, wie man die vielfältigen Alltagsprobleme ablegen kann.
Sie werden gesund werden an Leib und Seele und die Kraft finden, die
Alltagsprobleme zu bewältigen, egal ob es sich um geschäftliche Dinge handelt,
oder um die chaotischen globalen Verhältnisse, die aus der Zerstörung der
Umwelt entstehen. Fortschritt im Leben des Einzelnen und
gesellschaftlicher Aufschwung wird das Ergebnis sein.
August
2527 / 1984
Acharn
Thawie Baladhammo
Bangkhla
/ Chachoengsao/THAILAND
EINFÜHRUNG
F: Meditation heißt in Pali kammatthana.
Was bedeutet dieses Wort kammatthana eigentlich?
A: Das Wort kamma bedeutet
Handeln oder Übung, und das Wort
F: Was bedeutet samatha kammathana?
A: Das Wort samatha bedeutet
Ruhe oder Frieden des Geistes. Samatha kammatthana bedeutet
daher Übung für Geistesruhe oder geistige Entwicklung,
die auf Beruhigung aufbaut.
F: Was bedeutet vipassana
kammatthana?
A: Die Silbe vi- bedeutet
überaus, klar-, oder vielfältig. Das Wort –passana
bedeutet sehen, direkte Wahrnehmung und rechte Ansicht der
Wirklichkeit.
Vipassana
kammatthana ist also die Übung der rechten Ansicht der Wirklichkeit,
oder geistige Entwicklung, um ein klares Wissen zu erreichen über die allen
Wirklichkeiten zugrundeliegende Wahrheit.
F: Warum gibt es in der Buddhalehre
nur zwei Aufgaben zu erfüllen, die Aufgabe, die Lehre
zu studieren (ganthadura) und die Aufgabe, Klarblick zu üben (vipassanadhura),
aber samatha wird nicht erwähnt?
A: Buddha hat mit äußerster Geduld,
Beharrlichkeit und Anstrengung nach der Befreiung von den Leiden der
Wiedergeburt im Samsara gesucht – dem Kreislauf von Geburt, Alter,
Krankheit und Tod. Er suchte das Mittel, das weltliche Voreingenommenheit (sava) und geistige Trübung (kilesa) auslöschen
kann, denn die sind dafür verantwortlich, daß wir weiter in diesem Kreislauf
verbleiben.
Zunächst
lernte er von zwei namhaften Lehrern, Alara Kalama und Uddaka
Ramaputta, bis er ihnen an Wissen ebenbürtig war
und die höchsten unkörperlichen Vertiefungen beherrschte. Aber dann wurde ihm
klar, daß diese Disziplinen nicht zur vollen Erleuchtung führen, und er suchte
weiter auf eigene Faust, bis er die Vier Edlen Wahrheiten entdeckte, die den
Geist völlig von allen Eintrübungen befreien. Und so wurde er Buddha, der Erwachte.
Dann
verkündete er, daß er die volle Erleuchtung aus eigener Kraft erlangt hatte. In
seiner ersten Lehrrede vor den fünf Asketen im Hirschpark von Isipatana, in der
Nähe von Benares – dem Ingangsetzen des Rads der Lehre (Dhammacakkappavattana-sutta)
– erklärte Buddha den Edlen Achfachen Pfad, den Mittleren Weg, dessen
wichtigster Bestandteil rechte Ansicht (sammaditthi) ist. Damit ist die Weisheit (panna) gemeint, welche die Vier
Edlen Wahrheiten erkennt. Die Übung des Achtfachen Pfades besteht in der Übung
der Klarblickmeditation. Das ist die Aufgabe der
praktischen Übung (vipassanadhura).
Was aber
nun ganthadhura betrifft, da geht es darum, die Grundlagen der
Klarblickmeditation zu studieren, um die Übungsmethode
zu verstehen. Den größten Teil seines Lebens verbrachte Buddha damit, den
Leuten zu erklären, daß Körper und Geist vergänglich, leidhaft und kein Selbst sind. Solche Lehren gab er denjenigen seiner Schüler, die
die Übungsmethode noch nicht verstanden, bis sie selber begriffen hatten. Dann
verneigten sich die Schüler vor dem Buddha, zogen sich in die Waldeinsamkeit
zurück und übten die Lehre mit voller Entschlossenheit, bis sie die höchsten
Stufen der Verwirklichung gewannen. Sie wurden Edle Menschen
(ariya puggala) zu Buddhas Lebzeiten.
Samatha
kamatthana gab es
allerdings schon lange bevor Buddha in der Welt
erschien. In jeder Religion gab und gibt es diese Art der Meditation, geübt von
den Weisen, Asketen, Einsiedlern und Mönchen dieser Religionen. Nachdem Buddha
diese Dinge gründlich studiert und geübt hatte, erkannte er, daß er den Weg zur
Überwindung weltlicher Voreingenommenheit noch nicht gefunden hatte.
Vipassana
kammatthana ist aber die Übung, die Buddha selbst entdeckt und
praktiziert hat. Sie ist nur in der Lehre des Buddha
zu finden. Deshalb gibt es in der Buddhalehre nur zwei Aufgaben:
Klarblickmeditation zu üben und die Theorie dieser Methode zu studieren.
F: Was ist
der Unterschied zwischen samatha kammatthana und vipassana
kammatthana?
A: Sie unterscheiden sich in den
Objekten der Betrachtung und haben verschiedene Methoden und Ziele. Samatha
kammatthana beruht auf vorgestellten Objekten, oder
Objekten, die hergestellt werden müssen, wie die zehn Scheiben (kasina)
– Objekte, die kreisförmig vorbereitet werden müssen und zum Beispiel die vier
Elemente darstellen. Die Übung von samatha kammatthana hat als Ziel die Geistesruhe. Die Methode hängt im Wesentlichen
von der Entwicklung der Konzentration auf das Objekt – hier ‘Bild’ genannt –
ab, vom ursprünglichen Objekt, dem Vorbereitenden Bild (parikamma nimitta),
über das Erworbene Bild (uggaha nimitta) bis zur Erlangung des
Abstrakten Bildes (patibhaga nimitta). Durch die Übung werden die fünf
Vertiefungsglieder entwickelt – anfängliche und fortgesetzte Auffassung,
Freude, Glücksgefühl und Objektausrichtung – und wenn sie die nötige Stärke
erreicht haben, tritt man in die erste Vertiefung (jhana) ein, die erste
der feinkörperlichen Bewußtseinsebenen.
Die
Objekte der Klarblickmeditation, andererseits, sind die fünf Anhäufungen (pancakkhandha ) von Körper (rupa) und Geist (nama).
Das Ziel der Klarblickübung ist die Verinnerlichung
der höchsten Qualitäten der Lehre und damit der Eintritt in die vier Ebenen der
Edlen: Stromeintritt, Einmalwiederkehr, Niewiederkehr und Heiligkeit. Auf
dieser höchsten Ebene ist die Notwendigkeit beseitigt,
immer wieder zurückzukommen, um Geburt und Tod zu durchlaufen. Die Einzelheiten
dieser Übung werden in den folgenden Kapiteln erklärt werden.
F: Müssen wir die Richtlinien der
Klarblickmeditation erst kennen, bevor wir mit der Übung beginnen können?
A: Wir sollten zumindest die
Grundbegriffe oder den Kern der Lehre kennen: Die Vier Edlen Wahrheiten, oder
die zwei Wege der Wahrheit – den Weg des Leidens und den Weg der Aufhebung des
Leidens.
Der Weg,
der zum Leiden führt, ist Begierde (tanha), das Verlangen nach
weltlichen Objekten – also Formen und Farben, Geräuschen, Düften, Geschmäcken,
und Berührungen, sowie feinkörperlichen Objekten und Geisteszuständen. Das
Verlangen führt zum Anhaften an weltlichen Objekten,
die Geburt, Alter, Krankheit und Tod mit sich bringen und uns hineinziehen in
den Strudel des unaufhörlichen Wechsels.
Der Weg
der Aufhebung des Leidens, das ist der Achtfache Pfad, der Mittlere Weg, der in
der Erkenntnis der Wirklichkeit besteht, zur Gewinnung des Edlen Pfades und
seiner Frucht führt, und in Nibbana mündet. Dies ist
der Weg, die Eintrübungen des Geistes (asava-kilesa) vollständig
aufzulösen. Es ist der Weg derer, die ein religiöses
Leben (brahmachariya) führen, der Weg der Geläuterten. Es ist der Weg
des Entkommens aus dem ständigen Geborenwerden und Sterben im Kreislauf des Samsara,
indem man die Wahrheit selbst erfährt, daß Leiden (dukkha) erkannt
werden muß, daß die Ursache (samudaya) beseitigt werden muß, daß das
Verlöschen (nirodha) verwirklicht und der Pfad (magga) entwickelt
werden muß.
F: Besteht für den Meditierenden, der
diese Methode übt, irgendeine Gefahr?
A: Die Übung kann gefährlich werden,
wenn der Übende die Richtlinien der Klarblickmeditation noch nicht richtig
versteht, oder wenn man anhand von Büchern meditiert
und sich ein eigenes Verständnis zurechtlegt. Wenn man ohne die Führung eines
qualifizierten Lehrers üben muß, der beständig auf den rechten Weg hinweist,
und im Laufe der Übung tauchen meditative Phänomene (sabhavadhamma) auf,
dann glauben manche, sie hätten einen Durchbruch erreicht und die Erleuchtung
erfahren. Einige Übende entwickeln eine Vorliebe für bestimmte geistige
Wahrnehmungen (nimitta), Lichterscheinungen, Bilder oder
plastische Vorstellungen. Das kann bis zur
Besessenheit gehen. So etwas ist allerdings eher in
der Sammlungsübung anzutreffen. Da arbeitet man ja mit
vorgestellten Objekten (kasina), man konzentriert sich auf geistige
Bilder mit Verblendung, d. h. man erkennt nicht die wahre Natur der Sinneserfahrung.
Wenn sich das Objekt, auf dem die Konzentration beruht, plötzlich verändert, oder ein erschreckendes Bild taucht plötzlich auf, kann es
passieren, daß man die Kontrolle verliert und durchdreht.
Aber die
Klarblickmeditation besteht darin, daß man in jedem Moment des Ausatmens und
Einatmens die Achtsamkeit anwendet. Durch die Übung werden Weisheit (panna)
und klare Auffassung (sampajanna), sowie Anstrengung (viriya)
entwickelt. Diese drei Geisteskräfte arbeiten zusammen in der
Bemühung, das gegenwärtige Objekt in jedem Moment zu noten. Wann immer
ein Objekt auftaucht, seien Sie sich nur dieses Objektes bewußt, wie es
wirklich ist. Dann lassen Sie dieses Objekt von Moment
zu Moment los, denn alles, was in unserer Erfahrung auftaucht, muß auch auf natürliche
Weise wieder vergehen. Egal, welche besonderen Eigenschaften oder
Merkmale das Objekt hat, es taucht auf und verschwindet dann wieder. Es ist die Edle Wahrheit des Leidens (dukkha ariyasacca),
die da entsteht und vergeht. Dieser Vorgang ist schwer
zu ertragen, er ist leidhaft. Wenn die Übenden dies nur verstehen können, dann
birgt die Übung der Klarblickmeditation keine Gefahr. Im Gegenteil, sie wird
uns zu Menschen mit höherer Bewußtheit und Erkenntniskraft machen.
F: Manche Leute sagen, wer meditiert,
verliert den Anschluß, macht keinen Fortschritt mehr in der Welt, wird stur und
altmodisch, ist jedenfalls nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Was sagen Sie
dazu?
A: Jeder, der in diese Welt geboren ist, muß ein Ziel im Leben haben. Er sollte wissen, worauf
es im Leben wirklich ankommt. Um sein Leben zu entwickeln und ein Mensch von
höchster Tugend zu werden, was muß man da tun?
Wir leben im Zeitalter der Naturwissenschaft. Wir benutzen
Technologie, Computer und Atomenergie zur Untersuchung, Erforschung und
Ausbeutung der materiellen Welt und wir verfolgen damit materielle Zwecke.
Wir setzen unseren Geist ein, um nach solchem Wissen zu suchen, und wir
konkurrieren in der Erzeugung materieller Dinge. Kurz gesagt: Wir sind Materialisten. Das nennen wir dann
Fortschritt. Es ist aber nur weltliches Wissen.
Wenn wir es richtig einsetzen, auf friedliche Weise verwenden,
dann wird es der ganzen Menschheit zugute kommen. Nutzen wir dieses
Wissen aber mit Gier, Haß und Verblendung (lobha, dosa, moha), dann wird
das Ergebnis unweigerlich die Vernichtung der Menschheit sein. Es wird alles in der Welt zerstören. Und dann wird keine
Entschuldigung und keine Ausrede mehr gelten für die,
die sagen: “Ich bin ein Pionier, ich bin Wissenschaftler,” oder: “Ich bin auf
der Höhe der Zeit.” Ist das nun Gewieftheit oder ist das nicht viel mehr
Dummheit in den Herzen derjenigen, die vom Materialismus in die Irre geleitet
werden, bis sie vergessen, daß das Wichtigste im Leben Dhamma ist. Dhamma,
das ist die Natur, die ist immer auf der Höhe der
Zeit!
Wer Dhamma
studiert und praktiziert, Dhamma selbst erforscht und sich von der
Wahrheit überzeugt, Dhamma analysiert und für das praktische Leben
nutzt, der benutzt Dhamma, um Verlangen und übersteigerte Begierden,
Ärger, Neid und Verblendung zu kontrollieren, die ihn dem Alkohol und dem
Rauschgift in die Arme treiben. Wenn unser Geist nicht mehr getrübt ist von den Eintrübungen des Herzens, dann ist dieser Geist
klar und ruhig, und er kennt die Wirklichkeit der Natur wie sie wirklich
ist.
Dann wird das Leben erfüllt sein von wahrem Glück. So jemand kennt die
Gesetzmäßigkeiten der weltlichen Prozesse wie auch die Prinzipien des Dhamma,
und er wird dieses Wissen beim Studium und bei der Führung seines Geschäfts
anwenden, um Fortschritt und Wohlstand in der Zukunft zu gewährleisten, und er
wird darin besser sein als jemand, der sich nicht für Dhamma und für das
Funktionieren seines eigenen Geistes interessiert, der nichts über den
Zusammenhang zwischen den geistigen Eintrübungen, den Taten und deren Wirkungen
(kilesa, kamma, vipaka) weiß und nicht versteht, daß die Vier Edlen
Wahrheiten, der Achtfache Pfad, die Vier Grundlagen der Achtsamkeit – daß dies
die Lehren sind, die unsere Probleme lösen können, die Lehren, die zum Aufhören
des geistigen Leidens im Leben führen, die Lehren, die wir benutzen können, um
den Geist von der niedrigen Stufe eines Weltlings (puthujjana) zu
der hohen Gesinnung eines Edlen (ariya puggala) zu entwickeln.
Auch in
unserer modernen Zeit gilt die Herausforderung für jeden von uns, selber
heranzukommen an die Wirklichkeit und sich zu
überzeugen, wie sie ist ohne die Begrenztheit der zeitlichen Endlosigkeit, und
jemand, der das in der Praxis nachprüft: Der weiß es aus eigener
Erfahrung! So jemand ist besser als die, die nichts
wissen wollen von der Lehre und sie nicht üben. Das sind
doch in Wahrheit die Zurückgebliebenen, die nicht mit der Zeit gehen, wie
vorgeschichtliche Fossilien.
F: Was sind die vier förderlichen Hilfsmittel (sappaya) für
Meditierende?
A: Zur
Zeit Buddhas sollten die Meditierenden folgende vier
günstige Bedingungen für die Übung aufsuchen:
1. Geeigneter Wohnplatz, der Ruhe förderlich, ungestört
durch Lärm, zum Beispiel im Wald, im Wurzelbereich eines Baumes, ein leeres
Haus oder Zimmer.
2. Gesundes Essen, das leicht zu bekommen ist. Für Mönche heißt das: Die Almosenrunde sollte zu
Dörfern nicht allzu weit weg führen, und man sollte dort
genug
3. Ein guter Mensch, ein spiritueller Freund, ein
Meditationslehrer, der den Übenden immer gemäß dem Mittleren Weg anleitet.
4. Angepaßte Methode, das heißt, eine
Meditationsübung (kammatthana), die der Veranlagung des Meditierenden
angepaßt ist, sodaß weder Anspannung noch Entspannung
sich zu stark entwickeln. Es ist die Methode, die dem
Übenden rasch Ergebnisse bringt, wie es sich gehört.
In der
heutigen Zeit sollten wir nach einem Meditationszentrum Ausschau halten, wo
Klarblickmeditation gelehrt wird und die vier förderlichen Bedingungen, wie
beschrieben, vorhanden sind, das heißt angenehme Unterbringung, Essen ist
leicht zu bekommen und angemessen, es gibt einen Vipassana Lehrer, der
auf dem Gebiet der Klarblickmeditation Erfahrung hat, und die Methode ist auf
den Meditierenden abgestimmt.
Gegenwärtig
ist das Allerwichtigste nur der Meditationslehrer. Er
sollte sorgfältig analysieren und unterweisen, denn es ist
für uns Heutige schwierig, so gute Lehren zu finden wie es sie in Buddhas Zeit
gab.
F: Wie
soll einer vorgehen, der noch nie meditiert hat?
A: Der
erste Schritt ist, daß man mehr über das Thema Klarblickmeditation lernt, damit
man rechtes Verständnis der Methode hat, bevor man mit der Übung beginnt. Aber
wenn man das aus irgendwelchen Gründen nicht kann, oder man hat das Thema
bereits studiert, versteht es aber doch noch nicht richtig, dann sollte man zu
einem Klarblicklehrer in ein Meditationszentrum gehen und dort um Aufnahme für
die Übung bitten. Selbst wenn jemand schon viele Bücher gründlich studiert hat,
ist es dennoch notwendig, die Anleitung eines Meditationslehrers zu haben, der
einem die korrekte Übung klarmacht, denn vom Schriftenstudium (pariyatti)
kennen wir ja nur die geschriebenen Worte, während man in der praktischen Übung
(patipatti) persönlich Bekanntschaft mit den natürlichen Phänomenen (sabhavadhamma)
macht, wie sie wirklich sind. Und da gibt es Unterschiede je nach der
individuellen Entwicklung der verschiedenen Menschen, ihre Fähigkeiten und Veranlagungen, ihre Stimmungen und Gefühle und die
Ansammlung des kamma sind nie gleich. Dann gibt es Phänomene,
die erst im Laufe der Klarblickübung entstehen, zum Beispiel Konzentration,
Begeisterung, Ruhe, Gleichmut (samadhi, piti, passaddhi, upekkha).
Manche dieser Phänomene sind in den Schriften nicht
erwähnt. Deshalb ist das Wichtigste, einen
Meditationslehrer zu haben, der theoretisches Wissen sowie praktische Erfahrung
hat.
TEIL 1
DIE
ÜBUNG
Die Übung
der Klarblickmeditation (vipassana kammatthana) besteht in der
Entwicklung der Vier Grundlagen der Achtsamkeit (satipatthana) –
1. Betrachtung des
Körpers (kayanupassana)
Achtsamkeit (sati) betrachtet
den Körper
(kaya) im Körper, wie er
wirklich ist.
1. Betrachtung der
Empfindungen
(vedana-
nupassana) – Achtsamkeit betrachtet die
Empfindungen
(vedana) in den Empfindungen,
wie
sie wirklich sind.
2. Betrachtung der
Geisteszustände
(cittanupassana) –
Achtsamkeit betrachtet die
Geisteszustände (citta) in den Geisteszuständen,
wie sie wirklich sind.
3. Betrachtung der
Geistesdinge
(dhammanupassana) –
Achtsamkeit betrachtet die
Geistesdinge (dhamma) in den Geistesdingen, wie
sie wirklich sind.
Die vier
Grundlagen der Achtsamkeit umfassen alle Objekte, die in unserer Erfahrung
auftauchen. Das bedeutet: der Körper, die Empfindungen, die Geisteszustände und
die Geistesdinge – also die vier Grundlagen der Achtsamkeit – sind unmittelbar
hier in unserer Erfahrung, und um ihre wahre Natur zu entdecken, müssen wir die
Achtsamkeit anwenden. Lassen Sie
Mit
anderen Worten: Wir bestehen aus fünf verschiedenen Arten natürlicher
Phänomene, die sich mischen und verbinden zu komplexen Formen und
Erscheinungen, für die wir Namen erfinden und sagen: “Dies ist ein menschliches
Wesen, eine Frau, ein Mann, dies ist ein Tier, ein Baum, usw.”
Die
fünf Anhäufungen (khandha)
sind im Einzelnen –
1. Die Anhäufung des
Körperlichen
(rupakkhandha).
Die
Anhäufung des Körperlichen umfaßt zunächst die vier
Grundelemente
der Materie (mahabhutarupa):
1. das Element der Raumverdrängung (pathavi
– Erde).
2. das Element des Zusammenhalts (apo – Wasser).
3. das Element der Temperatur (tejo
– Feuer).
4. das Element der Bewegung (vajo –
Wind).
Außerdem
gehören zur Anhäufung des Körperlichen feinstoffliche Elemente, oder sekundäre materielle Phänomene, wie Farbe, Geruch,
Geschmack, Nährfähigkeit, organisches Leben, die Sensitivität der Sinne für
ihre jeweiligen Objekte und andere materielle Phänomene, die auf den vier
Grundelementen aufbauen.
2. Die Anhäufung der Empfindungen (vedanakkhandha). Die
Sinnesempfindungen, oder Gefühle, haben die Aufgabe,
die Objekte als angenehm, unangenehm oder neutral zu erleben.
3. Die Anhäufung der Wahrnehmungen (sannakkhandha). Wahrnehmung
hat die Funktion, die Objekte der vier Grundlagen der Achtsamkeit – also Formen
und Farben, Klänge, Düfte, Geschmäcke, Berührungen und geistige Objekte – zu
erkennen und diese Informationen im Gedächtnis abzulegen. Erinnerung ist eine weitere Funktion der Wahrnehmung.
4. Die Anhäufung der Gebilde (sankharakkhandha). Hierbei
handelt es sich um die Geisteskräfte (cetasika), die das Bewußtsein
begleiten. Die heilsamen (kusala) Geisteskräfte machen den Geist
verdienstvoll, oder gut. Die unheilsamen (akusala)
Geisteskräfte machen den Geist verdienstlos, oder
schlecht. Die erhabenen Geisteskräfte (abhayakata), hingegen, machen den
Geist gefestigt und losgelöst. Diese drei Gruppen von Geisteskräften stehen
hinter den Geistestätigkeiten. Je nachdem, wie stark sie auftreten, können sie
Gedanken, Sprache oder körperliche Handlungen
verursachen.
5. Die Anhäufung des Bewußtseins (vinnanakkhandha). Die
Anhäufung des Bewußtseins hat die Funktion, die Objekte der sechs Sinnestore –
der Augen und Ohren, der Nase und Zunge, des Tastsinns und des Geistes –
aufzufassen und ihrer bewußt zu sein. Zu dieser Anhäufung gehören auch das
Wiedergeburtsbewußtsein (patisandhi) und die unbewußte Lebensgrundlage (bhavanga).
In der
Praktischen Übung werden die fünf Anhäufungen zusammengefaßt zu nur zwei
Kategorien: Körper (rupa) und Geist (nama).
Die Anhäufung des Körperlichen nennen wir Körper (rupa), die Anhäufungen
der Empfindungen, der Wahrnehmung, der Gebilde und des Bewußtseins werden
zusammengefaßt unter dem Begriff Geist (nama).
Zum
besseren Verständnis sei es noch einmal betont: Die Objekte der
Klarblickmeditation lassen sich am einfachsten in nur zwei Kategorien einteilen
– Körper und Geist.
Was die
Natur betrifft, die dieses Spektrum von Objekten bewußt erlebt, das ist der Geist, der begleitet wird von Anstrengung (viriya),
klarer Auffassung (sampajanna), Konzentration (samadhi) und
Achtsamkeit (sati).
Prägnant
formuliert könnte man sagen: Alle natürlichen Phänomene gipfeln in, und werden
zusammengefaßt von der Achtsamkeit. Deshalb soll man Achtsamkeit anwenden, um
den gegenwärtigen Moment zu betrachten, das gegenwärtige Objekt.
Achtsamkeit
ist vergleichbar mit dem Fußabdruck eine Elefanten:
Die Spuren kleinerer Tiere werden alle vom Fußabdruck eines Elefanten
überdeckt. Wenn Achtsamkeit in der Gegenwart nicht aktiv ist,
können andere heilsame Geisteskräfte auch nicht entstehen. Aber
wenn Achtsamkeit auftaucht, kommen nur die heilsamen Kräfte mit zur Entstehung.
Deswegen hat Buddha immer zur systematischen Übung der vier Grundlagen der
Achtsamkeit ermuntert.
Wenn man
versteht, was die Objekte der Klarblickmeditation sind, und wer das Subjekt
ist, das diese Objekte bewußt erlebt, dann kann man die Übung damit beginnen,
Achtsamkeit auf die vier primären Körperhaltungen zu richten: Gehen, Stehen,
Sitzen und Liegen.
Sitzmeditation
Während
der Sitzmeditation sitzt man mit gekreuzten Beinen und aufrechtem Körper, der
rechte Fuß liegt auf dem linken Bein und die rechte Hand über der linken,
Handflächen weisen nach oben. Augen und Lippen bleiben geschlossen, die Zähne
berühren sich aber nicht, während die Zunge hinter den oberen Zähnen gegen den
Gaumen gelegt wird. Rufen Sie nun die Achtsamkeit wach, um sich auf das zu
betrachtende Objekt zu richten. Dann betrachten Sie den Körper im Körper. Das
Hauptobjekt, das betrachtet werden soll, ist das Heben
und Senken der Bauchdecke. Wenn sich die Bauchdecke hebt, stellen Sie innerlich
fest: ‘heben.’ Wenn sich die Bauchdecke senkt, stellen sie innerlich
fest: ‘senken.’ Dann machen Sie einfach kontinuierlich weiter: ‘heben
– senken – heben – senken…’.
F: Wie soll man die
Achtsamkeit wachrufen?
A: Der Übende soll sich geistig
wohlfühlen und unbesorgt sein, nicht zu ernsthaft oder
erwartungsvoll, denn die Phänomene, die da auftauchen, müssen allesamt wieder
wegfallen. Es ist ein Merkmal der Natur, daß alles,
was natürlich entsteht, auch wieder vergeht. Man soll nur die Achtsamkeit fest
auf das Objekt gerade vor sich richten und es sehen, wie es wirklich ist: es entsteht und vergeht. Man sollte an
gar nichts anhaften, sondern den Geist neutral und ruhig halten. Das nennt man
die Übung des Mittleren Weges: nicht anzuhaften an
guten Objekten oder an schlechten Objekten, nicht anzuhaften an Objekten, die
ein angenehmes oder ein unangenehmes Gefühl hervorrufen. Wenn die Achtsamkeit
so wachgerufen wird, daß sie bewußt das gegenwärtige Objekt betrachtet, sieht,
wie es wirklich ist, und es dann losläßt, dann ist die
Achtsamkeit richtig wachgerufen.
F: Wieviel Zeit soll man einsetzen für
die Entwicklung der Achtsamkeit?
A: Das hängt von den Kräften des
Übenden ab. Ein Kind im Alter von 7 – 10 Jahen sollte nur 10 Minuten üben. Heranwachsende von 10 – 15 Jahren sollten 20 Minuten üben. Ab 15 Jahren Alter und bei guter Gesundheit sollte man mit 30
Minuten beginnen.
Wenn der
Übende Energie, Achtsamkeit und Konzentration (viriya, sati, samadhi)
entwickelt hat, sollte man langsam die Zeit erhöhen. Man soll sie nicht zu
schnell erhöhen: von 30 auf 40 Minuten, dann von 40 auf 50 Minuten, und dann
von 50 auf 60 Minuten. Wer neu in der Meditation ist,
sollte nicht länger als eine Stunde sitzen. Man muß zuerst lernen, die in der
Meditation zum Einsatz kommenden Geisteskräfte ins
Gleichgewicht zu bringen und dieses zu bewahren, bevor man länger als eine
Stunde sitzt.
F: Manchmal ist
der Geist nicht ruhig, man denkt oder hängt Überlegungen nach. Das ist frustrierend. Was soll man dann tun?
A: Wenn es nur Denken ist, stellen Sie einfach fest: ‘denken, denken.’
F: Manchmal ist
der Geist irritiert, besorgt, entmutigt, gelangweilt, lustlos, schläfrig oder
Ähnliches. Wie soll man damit umgehen, oder wie soll
man das betrachten?
A: Noten Sie ganz einfach das geistige
Objekt, das da im Geist aufgetaucht ist: ‘irritiert, irritiert,’ ‘ besorgt, besorgt,’ ‘entmutigt…’, ‘gelangweilt…’,
‘lustlos…’, ‘schläfrig…’, ‘träumen, träumen…’. Sie können natürlich auch
Substantive nehmen: ‘Sorge, Sorge’, ‘Zweifel, Zweifel,’ und so
weiter. Legen Sie sich auf ein Wort fest, das für Sie am
klarsten das Objekt repräsentiert und bleiben Sie dann dabei.
F: Wie soll man äußere Objekte noten,
die auftauchen?
A: Wenn Objekte durch das Auge
auftauchen, noten Sie: ‘sehen, sehen.’ Wenn ein Geräusch auftritt, noten Sie ‘hören, hören.’
Taucht ein Geruch auf, noten Sie: ‘ riechen, riechen.’ Wenn ein Geschmack auftaucht,
noten Sie: ‘schmecken, schmecken.’ Hören Sie zum Beispiel einen Hund
bellen, so noten Sie nicht ‘Hund, Hund,’ sondern: ‘hören, hören,’
während die Achtsamkeit auf das Ohr gerichtet ist und
dort beobachtet, wie der Kontakt des Sinnesorgans mit dem Objekt – dem Geräusch
– das Hörbewußtsein hervorruft.
Wenn Sie
einen körperlichen Eindruck von Kühle oder Wärme,
Weichheit oder Härte spüren, so benennen sie das Objekt nach seiner besonderen
Eigenschaft: ‘kühl, kühl,’ ‘warm, warm,’ ‘weich, weich,’ ‘hart, hart.’ Taucht ein Objekt im Geist auf, dann noten Sie je
nach der Wahrnehmung als ‘sehen, sehen,’ ‘erinnern,
erinnern,’ ‘denken, denken,’ ‘vorstellen,’ ‘planen,’ und dergleichen, was
gerade aufgetaucht ist.
F: Wenn man lange
sitzt, können Schmerzen in den Knien, in den Beinen, oder im Rücken auftauchen.
Wie soll man diese Empfindungen betrachten?
A: Gehen Sie mit der Achtsamkeit an die Stelle, wo Sie die Empfindung erleben, und seien Sie
sich dieses Objekts bewußt. Dann noten Sie es: ‘Schmerz, Schmerz.’
Empfinden Sie ein Stechen, dann benennen Sie es: ‘stechen, stechen.’ Ist die Empfindung taub, noten Sie: ‘taub, taub. ’ Wenn die Empfindung verschwindet, gehen Sie mit der Achtsamkeit
wieder zur Bauchdecke und noten weiter ‘Heben’ und ‘Senken.’
F: Wenn die Empfindung aber nicht
verschwindet, nachdem man sie genotet hat, was soll man dann tun?
A: Bei der Betrachtung von körperlich
unangenehmen Empfindungen (dukkhavedana) wie z. B. dumpfem oder
stechendem Schmerz, Taubheit, Ziehen, Ermüdung, werden Sie, solange die
Konzentration gut ist, ohne Schwierigkeiten noten können, daß da eine
Empfindung von dumpfen oder stechenden Schmerz, von Taubheit, Ziehen oder
Ermüdung ist, und Sie können das Entstehen und Vergehen der unangenehmen
Empfindung deutlich sehen. Oft verschwinden solche
Empfindungen von selbst, wenn man sie eine Weile beständig und ohne innere
Verkrampfung genotet hat. Wenn man die Empfindung aber schon eine Weile
genotet hat, und sie ist noch nicht verschwunden, dann
liegt das daran, daß sie besonders stark ist. Manchmal halten uns
Geist-und-Körper (nama-rupa) auch das Merkmal der Leidhaftigkeit (dukkha)
deutlich vor Augen, damit Weisheit (panna) die drei allgemeinen Merkmale
– Vergänglichkeit, Leidhaftigkeit, Selbstlosigkeit (anicca, dukkha, anatta)
– besser erkennen kann. In diesem Fall ist das
schmerzhafte Gefühl außergewöhnlich stark. Wenn man es nicht aushalten kann,
dann sollte man eine kleine Bewegung machen, oder die
Sitzhaltung verändern, damit der Schmerz aufhört. Aber vergessen Sie nicht,
achtsam den Wunsch, sich zu bewegen, zu noten: ‘Absicht, Absicht. ’ Und wenn Sie die Hände, die Arme, die Beine bewegen, tun Sie es langsam
und mit voller Aufmerksamkeit und noten Sie alle einzelnen Bewegungen
entsprechend: ‘lösen’, ‘bewegen…’, ‘berühren…’, ‘anheben…’, ‘ausstrecken…’,
‘ablegen…’, ‘zurückziehen.’ Läßt der Schmerz nach, dann
notet man wieder Heben und Senken der Bauchdecke.
F: Wenn man schmerzhafte Gefühle
notet, muß man damit weitermachen, bis dieses Objekt verschwindet, oder kann man statt dessen andere Objekte noten?
A: Es gibt zwei Arten körperlich
unangenehmer Gefühle (dukkha-vedana). Eine Art ist
starker nötigender Schmerz. Da muß man etwas unternehmen.
Dann gibt es körperliche Schmerzen, die nicht behoben werden müssen. Wir
sollten auf die nötigenden Schmerzen achtgeben, zum Beispiel den Drang, Urin oder Stuhl auszuscheiden. Das sind
Schmerzen die man nur begrenzt unterdrücken kann. Sie werden
nicht durch das Noten weggehen. Manchmal entsteht auch
ein heftiger Schmerz im Körper. Der Übende quittiert
ihn achtsam, aber der Schmerz wächst weiter und weiter an. Wenn der Übende
schon genug Erfahrung im Anschauen von schmerzhaften Gefühlen hat, dann wird er
es aushalten können. Anfänger in der Meditation halten
das aber nicht aus. Sie werden mürbe. Dann
sollten sie langsam die Sitzhaltung ändern, wobei jedes Detail des
Bewegungsablaufs sorgfältig beachtet werden muß.
Die
körperlich unangenehmen Empfindungen, die nicht behoben werden müssen, sind nur geringfügige Schmerzen, die auftauchen und
verschwinden. Wenn sie nicht gewaltig sind, ist es
nicht nötig, die Haltung zu ändern oder sich irgendwie zu bewegen. Richten Sie
nur die Achtsamkeit auf dieses Objekt und stellen Sie fest, was wirklich da ist: Schmerzhaftes Gefühl, das auf natürliche Weise entsteht
und vergeht. Sogar das Phänomen des Schmerzes ist
nicht kompakt, es dauert nicht. Es ist vergänglich,
bedrückend, und entbehrt einer eigenen Existenz, genauso wie die köperlichen (rupa)
Phänomene. Das Gleiche gilt auch für alle anderen geistigen (nama)
Phänomene.
F: Tauchen Schmerzen in der Meditation
auch noch auf, wenn man schon lange meditiert hat? Woher kommen diese Schmerzen?
A: Das hängt von der Praxis ab. Wenn
der Meditierende das Objekt eine lange Zeit
kontinuierlich betrachten kann – als vorübergehendes Hauptobjekt – dann
entwickelt sich Konzentration sehr stark. Zusammen mit
kräftiger Konzentration steigen dann Geisteskräfte (sankhara) wie
Begeisterung (piti) und (geistiges) Glücksgefühl (sukha) im
Bewußtsein auf. Man fühlt sich zufrieden und glücklich, und das wirkt
wieder auf den Körper zurück. Wenn man in einer solchen Situation Schmerzen
empfindet, erkennt man sie nicht als Schmerzen. Sie sind dann nur noch dieses Objekt da, und man fühlt
sich wohl dabei. Das liegt am Überwiegen des geistigen Wohlgefühls. Unter
solchen Umständen ist man in der Lage, die
vorgenommene Zeit für die Sitzung einzuhalten. Erst wenn man die Sitzung
beendet und sich bewegt, oder wenn man zwischendurch
aufhört zu noten, dann merkt man den Schmerz. Manche Meditierende erleben
eigenartige plötzliche Schmerzen im Rücken oder in
anderen Körperteilen. Das sind Schmerzen, die man als
karmische Schuld bezeichnen könnte. Vielleicht hat der Übende auch in diesem
Leben noch die Angewohnheit, zum Beispiel, Schlangen auf den Rücken zu
schlagen, oder Hunde, Katzen und andere Kleintiere zu
quälen. Dann sind die Schmerzen die Frucht (vipaka)
solcher Handlungsweise (kamma), und wir sollten die Reifung dieses kamma
geduldig ertragen.
Gehen
und Stehen
F: Wie soll man bei der Gehmeditation
gehen?
A: Die Mahasatipatthanasutta sagt
dazu, wenn man geht, soll man sich bewußt sein, daß man geht. Es wird nicht gesagt, wieviele Teile ein Schritt hat. Der Atthakatha
Kommentar teilt den einzelnen Schritt aber in bis zu
sechs Teile:
1. Rechter Schritt, linker Schritt.
2. Den Fuß aufheben,
den Fuß absetzen.
3. Den Fuß aufheben,
vorwärts bewegen, den Fuß absetzen.
4. Die Ferse (vom Boden) lösen,
den Fuß aufheben, vorwärts bewegen, den Fuß absetzen.
5. Die Ferse lösen,
den Fuß aufheben, vorwärts bewegen, den Fuß senken, den
Fuß absetzen.
6. Die Ferse lösen,
den Fuß aufheben, vorwärts bewegen, den Fuß senken, den
Boden (mit den Zehen) berühren, den Fuß absetzen.
Für die
Meditation im Stehen stellt man sich aufrecht hin. Halten Sie die linke Hand mit der rechten, entweder vor oder hinter dem
Körper, wie es Ihnen paßt. Dann stellen Sie innerlich das Erlebnis des
stehenden Körpers fest: ‘Stehen, stehen..’,
etwa dreimal. Beginnen Sie dann zu gehen und noten Sie gemäß dem ersten Gang: ‘Rechter
Schritt, linker Schritt, rechter Schritt, linker Schritt…’,
und so weiter. Richten Sie Ihre Augen geradeaus, in eine Entfernung von etwa
drei bis fünf Metern. Rufen Sie die Achtsamkeit wach
und achten Sie auf die Empfindung des Fußes, der sich bewegt. Das Wort ‘rechts’ bedeutet, daß der rechte Fuß sich vorwärts bewegt, also die Bewegung des
Fußes, während er sich bewegt, oder nach vorne gebracht wird. Stellen Sie den Fuß zuerst ab, bevor Sie das Gewicht verlagern.
Das begünstigt die Achtsamkeit, weil der
Bewegungsablauf bis zuende betrachtet wird, bevor das Objekt wechselt. Erst
wenn der Fuß am Boden ruht, höchstens eine Handbreit vor dem anderen, verlagern
Sie das Gewicht, und der andere Fuß kann sich bewegen.
Wird die
Gehmeditation langsam ausgeführt, sollte man die Schritte innerlich begleiten
mit drei Silben: ‘Rechts geht so, links geht so, rechts geht so…’. Das Wort ‘…so’
sollte zusammentreffen mit dem Moment, wo die Sohle
den Boden berührt. Geht man etwas schneller, notet man: ‘rechter Schritt,
linker Schritt….’. Normales Gehen begleitet man
innerlich nur als ‘rechts, links, rechts, links…’.
Der Weg,
auf dem wir die konzentrierte Gehmeditation machen, sollte etwa zwölf Schritte lang sein, oder drei bis vier Meter. Wenn Sie am Ende angekommen sind, müßen Sie sich umdrehen. Noten Sie
das als ‘drehen, drehen…’, während sich der
Körper nach rechts oder links herumdreht. Die rechte Ferse folgt Stück für
Stück einem Bogen; noten Sie das: ‘drehen, drehen,…’.
Wenn Sie in die Richtung sehen, aus der Sie gekommen sind, noten Sie zunächst
die stehende Haltung: ‘stehen, stehen…’. Wenn
Sie wieder losgehen, noten Sie innerlich die Schritte: ‘Rechts geht so,
links geht so, rechts geht so…’.
F: Wie lange
soll die Gehmeditation geübt werden; wieviele Minuten jedesmal?
A: Wer keine Meditationserfahrung hat,
sollte in jeder Übungseinheit die gleiche Zeit für das Sitzen wie für das Gehen
aufwenden. Wenn man also 30 Minuten sitzt, soll man auch 30
Minuten gehen. Wer nur 20 Minuten sitzt, soll auch 20 Minuten gehen, und
wer 10 Minuten sitzt, sollte auch nur 10 Minuten im Gehen üben. Wie lang die Übungseinheit sein soll, hängt von den Fähigkeiten
des Übenden ab, ob es ein Kind, ein Erwachsener, oder ein alter Mensch ist.
Im
allgemeinen gilt: Je länger Sie gehen können, desto besser. Dadurch
entwickelt sich geistige Energie (viriya), sodaß man anschließend im
Sitzen leichter achtsam noten kann. Manche Übende
haben einen besonders zerstreuten, diskursiven Geist. Sie sollten die
Übungszeiten im Sitzen und Gehen gleich halten; allenfalls etwas weniger gehen,
damit sich mehr Konzentration (samadhi) entwickelt und der Geist ruhig
wird.
F: Was sind
die methodischen Richtlinien für die aufbauenden Stufen der Meditation?
A: Für den Übungsfortschritt ist es nötig, einen Klarblicklehrer zu haben, der einen in
der korrekten Übungsweise berät. Er muß in täglichen Gesprächen prüfen, wie
sich die Geisteskräfte des Meditierenden entwickeln und welche spezifischen
Phänomene er erlebt. Wenn Probleme auftauchen, muß der Lehrer
dem Übenden helfen, sie zu lösen. Er soll den Schüler zu rechtem
Verständnis führen, sodaß die Übung in Fortschritt mündet und Hindernisse
überwunden werden. Der Klarblicklehrer sollte die Intensität der Übung
allmählich anheben, indem der die Schritteinteilung der Gehmeditation
entsprechend dem Übungsfortschritt differenziert.
Die
weiteren Schritte
Wenn beim
Sitzen die Atmung sich beruhigt hat und das ‘Heben ” und ‘Senken” langsam wird,
sollte man gegen Ende des Atemzugs die Sitzhaltung als drittes Objekt
regelmäßig noten: ‘Heben, senken, sitzen,’ – ‘heben, senken, sitzen…’,
und so weiter.
F: Wie soll man die
Sitzhaltung noten?
A: Wenn man sitzt, soll man sich
bewußt sein, daß man sitzt. Das heißt, im Moment des Sitzens ist
da die sitzende Form. Noten Sie diese Form: ‘Sitzen, sitzen’.
F: Und wie geht es in der
Gehmeditation weiter?
A: Bei der Übung im zweiten Gang wird
jeder Schritt in zwei Phasen unterteilt: ‘den Fuß aufheben’ und ‘den
Fuß absetzen,’ oder: ‘aufheben, absetzen, aufheben, absetzen…’. ‘Aufheben’ heißt hier, den Fuß etwa 10 – 15 cm vom
Boden zu heben, ‘absetzen ’
ist der Moment, wenn die Sohle den Boden berührt. Der bewegende Fuß soll den
ruhenden Fuß nur eben um seine eigene Länge überragen. Wenn Sie, zum Beispiel,
den rechten Fuß zuerst bewegen, dann soll die rechte Ferse etwa auf Höhe der
linken Zehen abgesetzt werden, während der linke Fuß unverändert am Boden
bleibt. Bewegt sich der linke Fuß, begleitet von der Bemerkung ‘aufheben,
absetzen,’ dann wird die linke Ferse kurz vor den Zehen des rechten Fußes
abgesetzt.
F: Wenn das Benennen gemäß dem zweiten
Schritt mit Leichtigkeit ausgeführt wird, was soll man dann noten?
A: Gehen Sie über zum dritten Schritt.
Als weiteres Hauptobjekt kommt im Sitzen die Berührung
des Körpers mit dem Boden dazu. Wenn Sie ‘berühren” noten, dann achten Sie auf die Druckempfindung, wo der rechte Sitzknochen auf den Boden drückt. Der Punkt,
der genotet werden soll, hat etwa die Größe einer Münze. Noten Sie bei jedem
Atemzug: ‘Heben, senken, sitzen, berühren…’.
Diese
Übung soll nur gemacht werden, wenn der Atem sich beruhigt hat und so langsam ist, daß genug Zeit bleibt, sich auf die Objekte Sitzen
und Berühren zu konzentrieren. Versuchen Sie also nicht, den Atem zu
kontrollieren oder künstlich zu verlängern. Das
Hauptobjekt der Betrachtung ist das Heben und Senken
der Bauchdecke. Wenn der Atem wieder schneller wird, sodaß
Sie keine vier Objekte hintereinander noten können, dann noten Sie nur ‘heben,
senken, sitzen’. Geht der Atem auch dafür zu schnell, lassen Sie
auch ‘sitzen’ weg und noten nur ‘heben’ und ‘senken’. Das Heben und Senken der
Bauchdecke ist das primäre Hauptobjekt, das immer
beachtet und genotet werden muß. Falls das Heben und Senken zu fein, zu
undeutlich oder zu schnell wird, dann noten Sie ‘wissen, wissen
,’ bis Heben und Senken
wieder klar sind. Dann noten Sie weiter ‘heben, senken’.
Für das
Gehen im dritten Gang wird jeder Schritt in drei Phasen unterteilt: ‘ den Fuß aufheben, vorwärtsbewegen, den
Fuß absetzen.’ Beim
Gehen heben Sie den Fuß 10 – 15 cm vom Boden. ‘Vorwärts
bewegen’ bedeutet, daß der Fuß sich etwa 30 cm nach vorn bewegt.
Wenn Sie ‘den Fuß absetzen,’ soll die ganze
Sohle den Boden berühren.
F: Erklären Sie bitte den vierten,
fünften und sechsten Gang, damit man weiß, wie sie geübt werden.
A: Die höheren Stufen der
Gehmeditation setzen voraus, daß der Übende in der Meditation ein
kontunierliches Energiepotential entwickelt hat. Bis hierher werden die unteren
Stufen gebraucht, um die Konzentration, die sich im Sitzen entwickelt, durch
neue Energie auszugleichen.
Der vierte
Gang teilt die Schritte in vier Phasen ein: ‘die Ferse lösen, den Fuß
aufheben, vorwärtsbewegen, den Fuß absetzen’. Das
Wort ‘lösen’ bedeutet, daß nur die Ferse sich
vom Boden abhebt. Der Fußballen bleibt weiter stehen.
Der fünfte
Gang teilt die Schritte in fünf Phasen ein: ‘die Ferse lösen, den Fuß aufheben, vorwärtsbewegen, den Fuß
senken, den Fuß absetzen.’ Die ersten drei Phasen sind die gleichen wie beim vierten Gang. ‘Senken’ wird genotet, während man den Fuß bis
auf 5 cm über dem Boden absenkt. Dann notet man die
Berührung mit dem Boden: ‘absetzen’.
Der
sechste Gang teilt die Schritte in sechs Phasen ein: ‘die Ferse lösen, den
Fuß aufheben, vorwärtsbewegen, den Fuß senken, den Boden berühren, den Fuß
absetzen.’ Wenn man diesen Schritt notet, sind die
Phasen ‘lösen, aufheben, bewegen, senken,’ dieselben wie beim fünften
Gang. Die Bemerkung ‘berühren’
heißt, daß Zehen und Ballen des Fußes den Boden berühren, aber die Ferse noch
oben ist. ‘Absetzen’ bedeutet, daß die Ferse auf den Boden gesetzt wird.
F: Wird die Betrachtung der stehenden,
der gehenden und der sitzenden Körperhaltung immer so geübt, wie Sie es erklärt
haben, oder gibt es noch andere Unterschiede?
A: Die Meditation im Stehen hat nur
eine Phase; man notet ‘stehen, stehen…’. Man
kann aber auch längere Zeit stehend meditieren und dabei das Gefühl von Wärme
und Härte, daß in den Fußsohlen entsteht oder/und die Bewegung der Bauchdecke als Hauptobjekt betrachten. Die Gehmeditation wird, wie
beschrieben, in sechs Stufen eingeteilt.
Für die
Sitzmeditation gibt es noch weitere Tastobjekte oder
Berührungspunkte, die man noten kann. Sie sollten eingesetzt werden, wenn der
Geist träge und schläfrig ist. Wenn Sie die Druckempfindung betrachten, dann noten sie beide
Sitzknochen, zuerst rechts, dann links: ‘Heben, senken, sitzen, berühren,
berühren’. Wenn Trägheit und Müdigkeit dadurch nicht aufgelöst werden,
sollten auch die Knöchel einbezogen werden. Nehmen Sie
zunächst den rechten dazu, und wenn das nicht ausreicht, auch noch den linken.
Die
Gelenkpunkte soll man nur noten, wenn zwischen dem Senken der Bauchdecke und
dem nächsten Heben eine Pause auftritt. Sobald der nächste
Atemzug beginnt, muß man wieder ‘heben, senken, sitzen,’ betrachten.
Sollte es aber unmöglich sein, die Bewegung zu noten, weil
sie unklar ist, kann man auch nur ‘sitzen, berühren, sitzen, berühren…’
noten, wobei die Achtsamkeit abwechselnd auf die verschiedenen Gelenkpunkte gerichtet
wird. Dabei sollen, außer den Sitzknochen, mindestens sechs Punkte einbezogen
werden: die Knöchel, die Knie, die Ellenbogen und
Handgelenke. Wenn die Bewußtheit auf diese Weise viele Wege machen muß, kann es
sein, daß dadurch Schläfrigkeit oder Benommenheit
aufgelöst werden und der Übende neue Energie verspürt.
F: Wenn es Zeit zum Schlafen ist, wie soll man dann den liegenden Körper betrachten?
A: Bevor man sich hinlegt, soll man
zunächst andere Haltungen achtsam noten, zum Beispiel ‘stehen, stehen.’
Wenn Sie den Körper herunterbeugen, noten Sie: ‘beugen, beugen,’ Wenn
die Sitzknochen das Bett oder den Boden berühren: ‘berühren, berühren .’ Wenn
Sie den Körper lehnen, um sich hinzulegen: ‘lehnen, lehnen.’ Wenn der
Rücken die Unterlage berührt: ‘berühren, berühren ,’ Wenn Sie die Beine ausstrecken:
‘ausstrecken, ausstrecken.’ Wenn Sie die Knie
anziehen: ‘beugen, beugen.’ Wenn Sie sich bewegen oder
herumdrehen: ‘bewegen, bewegen,’ ‘drehen, drehen.’ Wenn Sie sich in
einer Position einrichten: ‘einrichten, einrichten.’ Wenn Sie eine Hand
aufstützen: ‘aufstützen, aufstützen.’ Wenn Sie eine bequeme
Schlafhaltung erreicht haben, noten Sie ‘liegen, liegen ,’ bis Sie
einschlafen – oder falls die Bewegung der Bauchdecke deutlich ist, dann
betrachten Sie achtsam ‘heben, senken…’. In dieser
Haltung soll man ganz entspannt betrachten. Notet man
zu angestrengt, kann das verhindern, daß man einschläft.
In der
Anfangsphase der Achtsamkeitsübung muß man unausgesetzt die vier primären
Haltungen Gehen, Stehen, Sitzen und Liegen betrachten und jeden Moment achtsam
noten. Nur wer nicht geistesabwesend ist und
klarbewußt die gegenwärtig erlebte Geist-Körper-Verbindung von einem Moment zum
anderen betrachtet, wird schon bald die Entwicklung von Klarblickwissen in sich
feststellen.
Dies sind die Richtlinien für Klarblickmeditation in der
Anfangsphase, die hier beschrieben wurden, damit sie in der praktischen Übung
angewendet werden können.
MEDITATIVE
PHÄNOMENE
(SAVHAVA)
und wie man damit umgeht
F: Wenn man eine Weile meditiert hat,
entsteht bisweilen ein kribbelndes Gefühl im Körper, z. B. im Gesicht, am Rücken, oder in irgendeinem anderen Körperteil. Manchmal
fühlt es sich an, als würde man von Ameisen gebissen
oder von Mücken gestochen, als krabbelten Insekten über den Körper, oder als
würde man mit Nadeln gepiekst, was teilweise durchdringende Schmerzen
verursacht. Es kommt auch vor, daß sich die Körperhaare sträuben, man bekommt
Gänsehaut, oder ein prickelndes Schauern erfaßt für
einen Moment die Schultern oder den Rücken. Manchmal fließen Tränen ohne
erkennbaren Grund, oder man beginnt zu schwitzen;
Hitze wallt durch den Körper, oder Kühle überzieht die Haut. Was sind das für Phänomene? Wie entstehen sie?
Wie soll man sie betrachten? Können sie für die
Meditierenden gefährlich sein?
A: Alle diese Phänomene, die
auftauchen, wenn man in die Kontemplation vertieft ist,
werden sabhava genannt. Sie entstehen, wenn der Geist ruhig ist, ein Zeichen von Konzentration. Wenn
Achtsamkeit intensiv geübt wird, intensiviert sich das Erleben; es entsteht
Begeisterung (piti), die zur gleichen Gruppe von Geisteskräften gehört
wie Konzentration. Diese beiden werden gemeinsam
stärker und verursachen eine Vielzahl unterschiedlicher sabhava. Wenn solche Phänomene auftauchen, muß man sie mit Achtsamkeit
noten. Wenn Sie zum Beispiel einen Juckreiz empfinden, noten Sie ‘jucken,
jucken;’ wenn Sie glauben, von Ameisen gezwickt zu werden, noten Sie ‘zwicken,
zwicken;’ wenn Sie einen Stich spüren, noten Sie ‘stechen, stechen;’
fühlt es sich an, als krabbelten Insekten im Gesicht
oder auf dem Körper, noten Sie ‘krabbeln, krabblen.’ Wenn Sie spüren,
wie Tränen oder Schweiß über die Haut rinnen, noten Sie ‘rinnen…’ oder ‘fließen,
fließen;’ wenn sich die Körperhaare sträuben, noten Sie ‘sträuben,
sträuben;’ wenn Sie einen Schauer empfinden, noten Sie ‘schauern, schauern ;’
fühlen Sie sich heiß, noten Sie ‘heiß, heiß;’ fühlen sie sich kalt,
noten Sie ‘kalt, kalt.’ Wählen Sie passende Begriffe, um die Phänomene
zu benennen, die sie erleben. Wenn Sie nicht wissen, wie Sie
sie benennen sollen, noten Sie ‘wissen, wissen.’
Die
meisten dieser sabhava sind Anzeichen von
Intensität oder Begeisterung (piti). Wenn sie
auftauchen, müssen Sie sie jedesmal noten. Sollten Sie das Noten
vergessen, zeigt das die Verblendung (moha), die sozusagen im Objekt
liegt, die mit dem Objekt auftaucht und den Geist verwirrt. Wenn solche sabhava
häufig auftauchen, nennt man das “Hängen an sabhava.” Das muß unter Kontrolle gebracht werden, indem
Achtsamkeit (sati) und Energie (viriya) stärker entwickelt
werden. Noten
Sie die Phänomene mit der Absicht, sie loszulassen; haften Sie an nichts an.
F: Manchmal fühlt es sich im Sitzen so
an, als wären die Hände größer als gewöhnlich, oder
die Füße, der Bauch oder der ganze Körper kommen einem größer vor. Zeitweise
fühlt sich der Körper leichter an, als schwebte er
über dem Boden. Manchmal scheinen auch die Füße, der Kopf oder
der Körper gänzlich zu verschwinden. Wie soll man das
betrachten?
A: Seien sie nur achtsam und noten Sie
die Phänomene so wie Sie sie empfinden: fühlen sich Hände, Füsse oder Körper größer an, noten Sie ‘groß, groß;’ wenn
der Körper leicht wird, noten Sie ‘leicht, leicht;’ scheint er zu
schweben, noten Sie ‘schweben, schweben.’ Verschwinden Hände oder Füße, oder Sie können plötzlich den Körper nicht mehr
wahrnehmen, noten Sie ‘verschwunden, verschwunden’.
F: Manchmal taucht in einer Sitzung
die Wahrnehmung von Helligkeit oder Licht auf; man
sieht Bilder, Häuser, Menschen, religiöse Objekte oder Personen. Manchmal sind diese Objekte sehr klar und hell, manchmal trüb und
schwach; das hängt von der Konzentration ab. Wenn samadhi sehr stark
ist, sieht man die Objekte sehr deutlich. Taucht ein nimitta auf, dann
noten Sie ‘sehen, sehen,’ bis die Lichterscheinung,
die Farbe oder das Bild wieder verschwindet. Danach gehen Sie
wieder zurück zur Bauchdecke und noten weiter ‘heben, senken’.
Sollte die geistige Wahnehmung nicht verschwinden, wenn man sie ein paarmal
genotet hat, dann kommt das vom Anhaften (upadana ),
das eine Vorliebe für diese Dinge entwickelt. Die Farben, das Licht und
vielerlei nimitta tauchen dann immer wieder neu auf. Man muß dann
Achtsamkeit entwickeln, indem man die nimitta sofort erkennt und mit der
Absicht notet, sie loszulassen. Üben
Sie eine desinteressierte Haltung. Sollte das Noten aber gar keinen
Einfluß auf die Bilder haben, dann kümmern Sie sich nicht weiter darum. Gehen
Sie zur Bauchdecke zurück oder noten Sie andere
Objekte – Empfindungen, Gedanken und so weiter. Die Bilder werden dann nach und
nach von selbst weggehen.
F: Manchmal schwankt der Körper; es
kommt einem vor, als ob er sich dreht, der Körper
bebt, zittert, zuckt oder scheint zu rutschen. Manchmal spürt
man einen plötzlichen Stoß. Was ist das? Wie soll man damit umgehen?
A: Die Objekte, sabhava oder Erlebnisse können mitunter sehr heftig sein. Das liegt an der Persönlichkeit des Übenden – alle Menschen haben ihre
individuelle Geschichte. Manche haben nur wenig mit diesen
Phänomenen zu tun. Andere wieder werden von der Stärke der Erlebnisse
überwältigt; wenn piti und samadhi zusammenwirken, erleben sie
mächtige sabhava, die vom Bewußtsein nicht kontrolliert werden können.
Dann äußern sie sich über den Körper und veranlassen ihn zu schwanken, zu
wackeln, zu zittern. Wenn der Körper schwankt, noten Sie ‘schwanken,
schwanken;’ wenn er sich dreht, noten Sie ‘drehen, drehen;’ rutscht
er weg, noten Sie ‘rutschen, rutschen;’ zittert er, noten Sie ‘zittern,
zittern;’ zuckt er, noten Sie ‘zucken, zucken.’ Wenn Sie einen Stoß spüren, noten Sie ‘stoßen, stoßen.’
Manche Leute haben sehr intensive Erlebnisse dieser Art. Für sie scheint das ganze Haus sich
zu drehen, das Haus selber schwankt, wackelt oder
zittert. Das kann so weit gehen, daß man sich übergeben muß.
Wenn Ihnen so etwas passiert, machen Sie sich keine Sorgen
und haben Sie kein Angst. Seien sie nur achtsam und noten Sie die Objekte, die Sie erleben, immer wieder. Wenn
Achtsamkeit ein hohes Niveau erreicht, werden sie von selbst aufhören.
In
seltenen Fällen kann es vorkommen, daß die sabhava
trotz aller Bemühung um Achtsamkeit nicht weggehen und auch bei langem,
anhaltendem Noten nicht schwächer werden. Diese Leute müssen zu einem
Klarblicklehrer gehen, der viel Erfahrung im Umgang mit diesen starken sabhava
hat und ihnen hilft, sie in den Griff zu bekommen, indem er sorgfältig
Anweisungen gibt, wie man richtig notet. Die hinderlichen Phänomene werden dann
allmählich schwächer werden, und schließlich völlig verschwinden.
HINDERNISSE
IN DER
KLARBLICKÜBUNG
F: Was sind die hauptsächlichen Hindernisse in der Übung von
Klarblickmeditation?
A: Es gibt
drei Stufen von Hindernissen in der Klarblickmeditation –
1. Die Hindernisse der
Ungeübten
Normalerweise
ist unser Geist daran gewöhnt, ständig von weltlichen Objekten umgeben zu sein,
also optischen und akustischen Reizen, Geruchs- und Geschmacksempfindungen,
körperlichen Reizempfindungen und geistigen Objekten – Vorstellungen, Gedanken,
Emotionen. Wir sind mit diesen Objekten durch Augen,
Ohren, Nase, Zunge, Körper und Geist verbunden. Diese Sinne sind
die ganze Zeit in Betrieb und verursachen Wohlbefinden und Unwohlsein, Vorliebe
und Abneigung, Freude und Trauer, Glück und Kummer. Auf diese
Weise entstehen Gier, Haß und Verblendung. Das erleben
wir andauernd jeden Tag. Die Gewöhnung führt zu Anhaften (upadana)
an materiellen Dingen, die sich von Natur aus aber
immer verändern. Das nennt man maya, Illusion; sie lockt uns, täuscht
uns und hält uns trügerisch zum Narren, bis wir anhaften und die wahre Natur
unserer eigenen Geistesverfassung nicht mehr erkennen.
Wenn wir
mit der Übung des Dhamma beginnen und die vier Grundlagen der Achtsamkeit
entwickeln, dann lernen wir allmählich die fünf Gruppen des Anhaftens kennen,
die in Wirklichkeit unser eigener Körper und Geist sind.
Wenn wir
den Geist kontrollieren und ihn auf das gegenwärtige Objekt einstellen, das ja immer nur jeweils ein einzelnes Objekt ist, dann sträubt
sich der Geist dagegen und wehrt sich. Solange Achtsamkeit noch schwach ist, entstehen dauernd Gedanken und der Geist wandert
ziellos auf der Suche nach interessanten Objekten. Immer wieder bleibt er an Vergangenheit und Zukunft hängen. Wenn
der Geist viel wandert, fühlen wir uns irritiert, und das führt zu Entmutigung
und Dumpfheit und noch mehr Gedanken. Manche Leute
glauben sogar, sie hätten nicht genug gutes kamma angesammelt, um
meditieren zu können. Manche schieben es aufs kamma, andere
sagen, der Lehrer wäre nicht gut.
In
Wirklichkeit ist der Geist des Meditierenden arg
bedrängt von den Hindernissen oder Unreinheiten (nivarana, kilesa). Wenn
Achtsamkeit wenig entwickelt ist, wird der Geist noch
nicht wirklich ruhig, weil Konzentration (samadhi) fehlt. Man hat kein
Selbstvertrauen. Viele Zweifel kommen einem in den Sinn.
Das ist der Grund, warum die Übung keine rechten
Fortschritte macht. Manche Leute geben dann den Versuch, zu meditieren, auf und
kehren nach Hause zurück. Als Grund geben sie an, sie hätten zu Hause Arbeit zu
erledigen, oder sie müßten sich um ihre Kinder oder
Enkel kümmern.
Die
hauptsächlichen Hindernisse, die der Meditierende in der Anfangsphase der
Meditation überwinden muß, sind nichts weiter als die
fünf geistigen Hindernisse (nivarana) –
Die
fünf geistigen Hindernisse (nivarana) –
1. Sinnesbegierde (kamacchanda). Das Ergötzen,
die Freude, der Genuß von angenehmen Objekten, wie schöne Anblicke, harmonische
Klänge, wohlriechende Düfte, köstliche Geschmäcke, sanfte Berührungen und
gefällige, befriedigende Geistesobjekte.
2. Ärger (byapada). Mißgunst und
Böswilligkeit gegenüber anderen.
3. Trägheit und Starre (thina-middha). Dumpfheit
und Unbeweglichkeit des Geistes.
4. Unruhe und
Aufregung (uddhacca-kukkucca).
Rastloses Denken, begleitet von innerer Aufregung, Kummer oder
Sorge.
5. Zweifel (vicikiccha). Unsicherheit,
Skepsis, Entschlußunfähigkeit.
Der Anfänger wird feststellen, daß die fünf Hindernisse den Geist
ununterbrochen stören. Wer da kein Selbstvertrauen hat, dem fehlt das Vermögen, weiter zu
üben, und im allgemeinen werden diese dann die Übung aufgeben müssen.
Aber
diejenigen Übenden, die festentschlossen sind und an
die Weisheit Buddhas glauben, werden die Achtsamkeit einrichten, um das Objekt
zu noten, das gegenwärtig entsteht. Mit anderen Worten, sie werden weiterhin
unabläßig das Heben und Senken der Bauchdecke betrachten, und wenn die
Hindernisse im Geist auftauchen, werden sie dies achtsam bemerken: -
Wenn Verlangen entsteht, dann noten Sie ‘Verlangen, Verlangen;’
wenn Ärger entsteht, noten Sie ‘Ärger, Ärger;’ wenn Schläfrigkeit
entsteht, noten Sie ‘schläfrig, schläfrig;’ wenn ein wandernder
Geisteszustand entsteht, noten Sie ‘wandern, wandern.’ Denken entsteht: Noten Sie ‘denken,
denken;’ Sorge entsteht: Noten Sie ‘sorgen, sorgen;’ Zweifel
entsteht: Noten Sie ‘unsicher, unsicher.’
Wenn die
Übenden nur immer die geistigen Hemmnisse noten, wann immer sie entstehen, dann
werden sie gute Ergebnisse in der Praxis erzielen. Das
bedeutet, Achtsamkeit wird stärker und stärker werden. Man wird die
Gedanken, die entstehen, schneller erkennen. Dann kommen die Gedanken
allmählich zur Ruhe. Aber bevor es soweit ist, fühlen
sich die Übenden oft deprimiert und ärgern sich häufig. Dieser
Ärger wird sich von selbst erschöpfen, bis man ganz überrascht feststellt, wie
sehr man sich verändert hat. Zuvor gab es Gedanken und
Wünsche bezüglich vieler Dinge; aber dann läßt dieses Denken nach und nach
nach. Wenn man besser sehen kann, daß diese Objekte nicht stabil sind, nicht so bleiben, wie sie sind und sich pausenlos
verändern, dann wird das Noten mit Achtsamkeit eine kontinuierliche Haltung und
die Verblendung wird langsam gelüftet.
1. Die Hindernisse der
mittleren Stufe
Sie entstehen, wenn der Meditierende die Übung des
Klarblicks fleißig vorangetrieben hat. Gute Konzentration (samadhi)
hat sich nach und nach aufgebaut. Das führt zu
Manifestationen der Konzentration. Verschiedene
natürliche Phänomene (sabhava) von Begeisterung und Ruhe (piti,
passaddhi) tauchen ebenfalls häufiger auf. Einige Meditierende
haften an solchen Phänomenen aufgrund eines
Mißverständnisses an; manche glauben sogar, sie hätten schon eine hohe Stufe in
der Meditation erreicht. Einige gewinnen eine Vorliebe für Bilder, Farben oder Licht (nimitta), weil sie diese Erscheinungen
für ernstzunehmende Dinge halten. Das kann auf lange
Sicht in eine Sackgasse führen.
Ist der Meditierende froh und glücklich mit diesen Objekten,
wenn er in diesem Stadium der Entwicklung ist, so
entsteht daraus Anhaften (upadana), und er wird weiterhin Ausschau
halten, was sonst noch alles passiert. Das nennt man ‘an
sabhava hängenbleiben.’ Der klassische Kommentarausdruck ist
“Verderben des Klarblicks” (vipassanupakkilesa).
Das bedeutet, diese Erlebnisse werden dem Klarblick zum Verderben: Die Übung
macht keine weiteren Fortschritte mehr. Man sagt dazu auch “ den falschen
Weg gehen,” denn es ist nicht die Übung des Mittleren Weges, welcher der
einzige zur Überwindung des Leidens ist, der Weg des Nicht-Anhaftens an den
fünf Bündeln der Geist-Körperlichkeit (nama-rupa), der Weg geistiger
Reinheit, frei von den Eintrübungen weltlicher Voreingenommenheit (asavakilesa),
dieser Maschinerie des Kummers. Es ist der Weg zum
restlosen Verlöschen allen Leidens!
Jeder Übende wird den Hindernissen dieser zweiten Stufe mehr
oder weniger intensiv begegnen müssen. Man braucht
dann einen Klarblicklehrer, der bereit ist, einem zu
helfen, damit man einsieht, daß diese Phänomene, die da vor der Achtsamkeit
auftauchen, nichts weiter als Manifestationen des Geist-und-Körper-Komplexes (nama-rupa)
sind, sie sind nichts Besonderes. Das Ziel der Klarblickübung besteht darin,
den Geist auf ein Objekt zu richten, das höher steht als
Geist-und-Körper, nämlich das Verlöschen (nibbana) dieser beiden. Wenn
wir damit anfangen, uns an diese
Geist-und-Körper-Objekte zu hängen, dann werden wir Nibbana nie
erreichen. Also müssen wir die Objekte, die zu Geist-und-Körper gehören
allesamt aufgeben. Solange man froh und glücklich über diese
Geist-Körper-Objekte ist, wird man sich außerstande sehen,
die Hindernisse der zweiten Stufe zu überwinden. Der Meditierende mit rechtem
Verständis anerkennt die entstehenden Objekte, indem er sie notet, und dann
läßt er sie los und haftet an nichts.
Die überwiegende Mehrzahl der Übenden wird keine großen Probleme
darin finden, die Hindernisse der zweiten Stufe zu meistern. Mit einem
qualifizierten Lehrer und intensiver Übung lernen sie eine persönliche Auswahl
von sabhava kennen und entwickeln dann die empfohlene Haltung ruhiger,
desinteressierter Aufmerksamkeit. Dann werden die Phänomene in Häufigkeit und
Intensität stark reduziert.
2. Hindernisse der
entwickelten Stufe
Die dritte
Stufe von Hindernissen erreicht der Übende erst in der fortgeschrittenen
Entwicklung des Klarblicks. Da arbeitet man daran, unerschütterlichen Gleichmut
zu üben, um ein stabiles geistiges Gefüge für Vertiefungskonzentration zu
entwickeln. Das ist keine reine Willenssache, denn wir
sind organische Wesen, deren Lebenserfahrung natürlichen Schwankungen
unterworfen ist.
Das gilt
auch für die Klarblickübung. Selbst wenn ein Meditierender sich in
gleichförmiger Weise beständig bemüht, tauchen nach drei bis
vier Stunden intensiver Meditation wieder mehr Gedanken auf. Man erlebt
Vorfreude, wünscht sich, das Ziel zu erreichen, oder
man malt sich aus, welche Schwierigkeiten noch vor einem liegen und betrachtet
die eigene Entwicklung kritisch. Solche Objekte hängen eng mit unserem
Selbstverständnis als handelnde Personen zusammen, und
die Tendenz, sich zu identifizieren, ist so stark, daß man die Objekte nicht
gleichmütig notet. Das führt immer wieder zu einem Verlust an
Konzentration. Bemüht man sich daraufhin, wieder ruhiger zu werden, verursacht
man Geistesaktivitäten, die zu Sorgen, Anspannung, Aufregung, und
Sprunghaftigkeit führen.
In der
fortgeschrittenen Stufe der Meditation arbeitet man an
der Überwindung von diffusen Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen. Man
lernt da, die subjektivsten Gedanken und Erlebnisse nur als
geistige Objekte zu betrachten und gleichmütig zur Kenntnis zu nehmen. Dieser
Gleichmut ist hier kein Objekt für Identifikation, so
wie im Zusammenhang mit der zweiten Stufe von Hindernissen. Hier führt die
Besinnung auf Gleichmut zur direkten Wahrnehmung der drei Merkmale an diesen geistigen Objekten. Die Identifikation ist dadurch aufgehoben, und die Konzentration wird sofort
wieder aufbauend. Wenn die Identifikation wegfällt, erlebt man geistige Räume, die losgelöst sind von jeder Aneignung als
persönliches Erlebnis.
Manchmal werden Konzentration und innere Ruhe sehr rasch sehr tief. Keine Gedanken sind
in Sicht und man erlebt einen völlig veränderten Bewußtseinszustand. Die
Konzentration ist reduziert auf den nächsten Bereich,
der dafür umso intensiver wahrgenommen wird. Dann empfindet man den Körper nur als eine Sphäre von Achtsamkeit, die durchquert wird von
Gefühlen und Emotionen, als ob es Sternschnuppen wären.
Manchmal
gibt es Zeiten, wo das geistige Benennen ohne
Anstrengung sehr rasch wird, viel schneller, als man alles aussprechen könnte.
Dann sollte man die Achtsamkeit so einrichten, daß die Hauptobjekte eingereiht sind in die Vielzahl von Eindrücken, die die Sinne
produzieren. Tauchen in diesem Prozeß wieder mehr Gedanken auf und man wird
häufiger unsicher, ob und wie man bestimmte Objekte noten soll, dann wird es
Zeit, die Achtsamkeit bewußt für eine Weile auf die geläufigen vier
Hauptobjekte zu beschränken, um den Zuwachs an Achtsamkeit wieder in
Konzentration umzusetzen. So ergänzen sich Achtsamkeit und
Konzentration bei der Arbeit während der Vertiefungsphase der
Klarblickmeditation.
Die
Entwicklung von Konzentration kann man mit der Aufgabe vergleichen, einen
schwerbeladenen Lastwagen auf einen steilen Berg hinaufzufahren. Um den Gipfel
erreichen zu können, braucht der Lastwagen einen starken Motor.
Zu Beginn
der Übung ist die Konzentration noch ungeübte
momentane Konzentration (khanika samadhi); wenn man das Heben/Senken notet,
wird man schnell von diesem Objekt abgelenkt. Wird die Konzentration stärker,
dann wandelt sich ihre Funktion zu angrenzender Sammlung (upacara samadhi)
und sie kann länger bei dem Objekt bleiben. Aber man muß ja
noch die Stufe erreichen, wo die angrenzende Sammlung in Vertiefung (appana
samadhi) übergeht, die noch stärker und tiefer ist. Diese volle
Konzentration ist Voraussetzung für den ‘edlen
Pfad’. Wer dies verwirklichen möchte, darf sich nicht auf ein absehbares
Ende einstellen, sonst erreicht er nichts. Nur wer mit ganzer Kraft unablässig
weiterübt, ohne seinen Fortschritt zu berurteilen und abzuschätzen – nach dem
Motto: “Wer neunzig Prozent geschafft hat, vor dem liegt noch die Hälfte”
– der bringt die Konzentration auch zur Vollendung.
Buddha hat
die Menschen allgemein in vier Klassen von Individuen eingeteilt und verglichen
mit vier Entwicklungsstadien von Lotusblumen: solche, die sich in voller Blüte
über dem Wasser erheben; solche, deren Knospen über dem Wasserspiegel und kurz
vor dem Aufbrechen sind; solche, deren Knospen kurz davor sind, aus dem Wasser
zu kommen; und solche, die nicht aus dem Wasser kommen werden. Zu den vier
Arten von Indviduen erklärte Buddha:
AUSGLEICH
DER
FÄHIGKEITEN
Wenn der
Meditierende allmählich die Achtsamkeit im Bemerken von Geist und Körper
eingerichtet hat, dann gewinnen auch die fünf geistigen Fähigkeiten (indriya)
mehr und mehr an Einfluß.
Die
fünf geistigen Fähigkeiten:
1. Vertrauen (saddha) – und zwar in die
Weisheit Buddhas und in die eigene Kraft.
2. Energie (viriya) – Anstrengung, eifrige Bemühung:
1. Achtsamkeit (sati) – sich beständig und
dauerhaft in der Betrachtung des gegenwärtigen Augenblicks der Objekte bewußt
zu sein, die zu den vier Grundlagen der Achtsamkeit gehören, nämlich Körper,
Gefühl, Geisteszustände und Geistesdinge.
2. Konzentration (samadhi) – Den Geist auf das
Objekt zu richten, das gegenübersteht, sich entgegenstellt.
3. Weisheit (panna) – Gründliches Wissen;
Verständnis, was Gestaltungen oder Gebilde (sankhara)
betrifft.
Um herauszufinden,
ob diese fünf Geisteskräfte (cetasika) schon die Stärke von geistigen
Fähigkeiten (indriya) haben, muß man prüfen, ob die Hindernisse der
zweiten Stufe schon überwunden sind. Wenn sie immer
noch in der Meditation auftauchen, dann hat man noch nicht die Stufe der indriya
erreicht. Erst wenn die Hindernisse der zweiten Stufe völlig überwunden sind, kann man von diesen Geisteskräften in der Funktion von
indriya (kontrollierender Kraft) sprechen.
Zu Beginn
der Übung kann, zum Beispiel, die Achtsamkeit noch nicht die unmittelbare Gegenwart
noten. Aber im Laufe der Übung wird sie schneller, bis sie das Entstehen und
Vergehen von Geist und Körper (nama-rupa) anhand gegenwärtiger
Sinneserlebnisse beobachten kann, und gewinnt so den Anschluß an die
Wirklichkeit. Klarblick und Weisheit (nana, panna) steigen von da an von Stufe zu Stufe bis zum höchsten Gipfel des Klarblicks
hinauf.
Das
Erleuchtungserlebnis, also den überweltlichen edlen Pfad (lokuttara magga)
und seine Frucht (phala) wirklich zu durchlaufen, ist nicht so einfach,
wie manche Leute es gerne hinstellen möchten – diejenigen nämlich, die nur
glauben, sie hätten bereits transzendentes Wissen. In den allermeisten Fällen
handelt es sich da um falsches Wissen, und das führt nur zu Angeberei und
falschem Stolz und lockt andere auf die falsche Fährte.
F: Manche Leute sagen, wenn die fünf
geistigen Fähigkeiten (indriya) nicht im Gleichgewicht sind, macht man in der Übung keine rechten Fortschritte. Wie kommt das?
A: Wenn man die vier Grundlagen der
Achtsamkeit übt, werden die Geisteskräfte, die zu den Fähigkeiten zählen – Vertrauen, Energie, Achtsamkeit,
Konzentration und Weisheit – immer gemeinsam aktiv, weil sie Bestandteile des Achtfachen Pfades
sind. Sie sind aber nicht immer in einem
ausgeglichenen Verhältnis, wenn sie auftauchen. Diese fünf Fähigkeiten setzen
sich zusammen aus zwei Paaren miteinander kommunizierender Kräfte: Vertrauen
und Weisheit sind das eine Paar, Energie und
Konzentration das andere. Achtsamkeit, die verbleibende, fünfte Kraft, hat die Funktion, die Arbeit dieser beiden Paare zu
beaufsichtigen, zu regulieren und ihre Qualitäten zu harmonisieren.
Man kann
das mit einem Vierspänner vergleichen, wo der Kutscher
die Aufgabe hat, die Pferde zu dirigieren, sodaß sie alle gleichmäßig laufen.
Wenn eines zu schnell wird, muß er die Zügel benutzen, um dieses Pferd mit den
anderen zu koordinieren. Wenn eines an Tempo verliert,
werden die Zügel schlaffer. Dann nimmt der Kutscher die Peitsche, um dieses
Pferd auf die gleiche Leistung wie die anderen zu bringen. Der Kutscher muß die
Pferde unabläßig beobachten und dirigieren, damit sie in einem gleichmäßigen
Tempo gemeinsam den Wagen ziehen. Wenn seine Kontrolle nicht gut ist, behindern sich die Pferde gegenseitig und der Wagen
bleibt nicht in der Spur. Kommt er nicht ganz vom Weg ab, so wird der Wagen
doch langsam und ist schwer zu steuern.
Ähnlich
verhält es sich mit den fünf geistigen Fähigkeiten: Wenn sie nicht im
Gleichgewicht sind, muß Achtsamkeit hart arbeiten, um
sie durch Noten miteinander zu harmonisieren und auszugleichen –
Eine
Ungleichheit von Vertrauen (saddha) und Weisheit (panna) macht
sich auf folgende Weise bemerkbar: Wenn der Geist ruhig wird in der Übung,
können Manifestationen von Konzentration (samadhi) im Geist auftauchen.
Übende, die nicht mit Achtsamkeit noten, schauen mit Zufriedenheit auf diese
Objekte – oder sie noten zwar, aber nicht mit dem
Wunsch, sie vorübergehen zu lassen, nicht an den Objekten anzuhaften. Je mehr
man sie notet, desto klarer und deutlicher werden die Bilder; das Noten kann
sie dann nicht zum Verschwinden bringen. In einem solchen Fall ist Vertrauen stärker als Weisheit. An irgendwelchen
Objekten anzuhaften oder Dinge für real zu halten, die
wirklich irreal sind, dazu sagt man: Vertrauen überwiegt die Weisheit.
Wenn der
Übende von seinem Klarblicklehrer den Rat erhält, daß jedwedes Objekt, das im
Geist auftaucht, sofort genotet werden muß, daß er an diesen Objekten keinen
Gefallen finden soll, und der Übende versteht das, dann wird er einfach die
Achtsamkeit anwenden und diese nimitta – Licht, Farben, Bilder – als ‘sehen,
sehen’ noten, bis sie verschwunden sind. Und wenn sie erneut auftauchen,
kann man das Entstehen und Vergehen dieser Objekte
erkennen. So wird Weisheit ins Gleichgewicht mit
Vertrauen gebracht.
Bei
manchen Übenden liegt der Fall genau umgekehrt: Bei ihnen überwiegt Weisheit
das Vertrauen, weil sie viel studiert haben und
viel wissen. Sie haben Vorlesungen von Fachleuten gehört oder
auf eigene Faust studiert. Wenn sie anfangen zu meditieren, dann erleben sie
schon mal das eine oder andere Objekt oder sabhava.
Und dann müssen sie immer denken und überlegen: “Das ist
ein sabhava Phänomen und heißt so und so.”
Wenn sie immer denken und überlegen, wird ihr Geist noch unruhiger. Das geht bei
einigen soweit, daß sie nicht mehr schlafen können. Dadurch
wird man körperlich erschöpft und nervlich überbelastet. Dieses
intensive Nachdenken über die Wirklichkeit ist ja nur Verstandesweisheit (cintamayapanna)
– Weisheit, die durch Denken entsteht, wenn der Verstand versucht, eine
Vorstellung der Wirklichkeit auf dem Gebiet des Denkens zu bilden.
Bei
manchen Leuten wird dieses selbe Übergewicht der Weisheit über Vertrauen von
Selbstüberschätzung oder Einbildung (mana)
verursacht. Sie denken, sie wären was Besonderes; schließlich werden sie zu
Leuten, die niemandem mehr glauben, nicht einmal dem eigenen Klarblicklehrer,
und so kommt es, daß Weisheit das Vertrauen überwiegt.
Die
Methode für diese Meditierenden besteht darin, daß sie das Denken oft noten
müssen: ‘denken, denken ’. Wenn sie überzeugt sind, richtig zu denken, sollen sie ‘richtig denken,
richtig denken’ noten, bis das unruhige, aufgeregte Denken allmählich
verebbt. In dieser Phase muß der Klarblicklehrer den Übenden ermahnen und
trösten, und darauf hinweisen, daß diese sabhava, oder was immer, nur
Manifestationen von Geist-und-Körper sind, und daß sie bloß in der Anfangsphase
der Meditation auftauchen. Man soll sich gar nicht weiter damit befassen. Der
Lehrer sollte dazu Beispiele wie dieses geben: -
Ein Mann ist auf der Suche nach einem lupenreinen Diamanten. Er weiß,
daß der Diamant auf einem Berggipfel ist. Als er den Fuß des Berges erreicht, findet er da im Schatten
glitzernde Steine in allen Farben. Er hält sie für echte Diamanten, ist ganz gebannt und entzückt und beginnt, sie einzusammeln.
Der echte Diamant wird ihm entgehen, wenn er so weitermacht.
Schuld daran ist sein eigenes Mißverständnis.
So richtet auch der Meditierende seinen Geist auf ein hohes Ziel, Nibbana,
aber ihm begegnen nur Geist-und-Körper. Dazu kommt falsches Verständnis, und dann haftet er
am eigenen Denken an. Wenn der Lehrer ihm erklärt, daß dieser
Geist-Körper-Komplex vergänglich, bedrückend und kein Selbst ist, daß nicht
einmal die eigenen Gedanken dauerhaft sind, dann muß er die Achtsamkeit
anwenden und nur dieses gegenwärtige Objekt noten: ‘denken, denken’. Wer in der Meditation denkt,
meditiert nicht, sondern denkt. Wer aber mit
Achtsamkeit das gegenwärtige Objekt notet, der übt Klarblickmeditation.
Wenn der Übende die Achtsamkeit anwendet und das Denken aufhört, dann ist Weisheit im Gleichgewicht mit Vertrauen.
Das zweite
Paar von Fähigkeiten, besteht aus Energie (viriya) und Konzentration (samadhi),
ist während des gesamten Übungsverlaufs der Motor der
Entwicklung.
Die
Methode für den Ausgleich der Fähigkeiten besteht darin, die Konzentration zu
vermehren. Man muß die Methode zur Vertiefung der Konzentration gewissenhaft
anwenden. Konzentration wird intensiviert, indem man während
der Gehmeditation sehr langsam geht. Von den sechs Stufen der
Gehmeditation werden der vierte, fünfte und sechste Gang eingesetzt, um die
Konzentration zu vermehren. Dadurch wird der Geist beruhigt
und bleibt stärker mit dem Hauptobjekt verbunden. Man soll sehr langsam
gehen und die einzelnen Phasen der Schritte genau mit Achtsamkeit verfolgen,
vom ‘aufheben’ der Ferse bis
zum ‘absetzen’ des Fußes. Momentane Konzentration,
die von Moment zu Moment neu entsteht, wird dann kräftiger werden und länger
anhalten. Obwohl das Gehen normalerweise die Energie vermehrt, kann man doch so
gehen, daß die Konzentration ansteigt bis sie gleichauf mit der Energie ist.
Wenn es in
der Sitzübung an Konzentration mangelt, kann das
verschiedene Gründe haben. Nehmen wir den Fall an, daß der Übende rastlos denkt
und sinnt. Er kann das gegenwärtige Objekt nicht noten, weil
es zu unklar ist. Starke Schmerzen in Knien, Beinen, Hüfte, Schultern oder Rücken zermürben ihn. Er ist
verkrampft und der Geist fängt an zu irrlichtern. Die Eintrübungen (kilesa)
stören ihn häufig. Um nun die Konzentration zu verbessern, muß man zuerst mit
Nachdruck auf das Hauptobjekt achten – ‘heben/senken’
– und sicherstellen, daß es sorgfältig genotet wird. Dreißig Minuten lang soll man die Achtsamkeit an das Hauptobjekt binden und
beim Noten genau aufpassen. Man soll sich dabei entspannen, nicht durch Zwang
verkrampfen. Wenn ein Gedanke auftaucht, muß er sofort
genotet werden. Man muß den Gedanken als
Hinderniss erkennen, das den Geist nicht zur Ruhe kommen läßt. Wenn der Geist
ruhiger wird, werden die Objekte klarer und das Noten leichter. Dann ist die Betrachtung wieder in der Gegenwart. Wenn der Geist
in der Übung ruhiger wird, dann werden auch die
Schmerzen weniger. Gewinnt die Konzentration an Kraft,
wächst die innere Ruhe (passaddhi) und Konzentration (samadhi)
ist im Gleichgewicht mit Energie (viriya).
Wenn
Konzentration stärker ist als Energie, dann wird
dieser ruhige Geist an Intensität verlieren und allmählich träge zu schweben
beginnen. Achtsamkeit wird schwächer, man wird vergeßlich und
kann nicht mehr das gegenwärtige Objekt noten. Allmählich
verändert sich dann der Geist von bloßer Trägheit zu Benommenheit und geistiger
Starre. Da kann es bei der Gehübung sogar vorkommen,
daß man halb schläft. Dann beginnt man, während des Gehens zu torkeln,
zu stolpern, oder sogar hintüber zu kippen. Solche
Anzeichen treten auf, wenn Konzentration die Energie überwiegt.
Um die
Fähigkeiten auszugleichen muß man die Energie vermehren, indem man mehr geht als sitzt. Wenn man, zum Beispiel, für gewöhnlich dreißig
Minuten sitzt und dreißig Minuten geht, sollte man die Gehmeditation jetzt
ausdehnen auf vierzig oder fünfzig Minuten. Manche können ruhig eine Stunde gehen und dreißig Minuten sitzen.
Beim Gehen soll man die niederen Schritteinteilungen
nehmen, den ersten, zweiten und dritten Gang. Dazu sollte man etwas schneller
gehen als gewöhnlich. Um den Körper wieder zu
aktivieren, und so dem Geist Energie zuzuführen, sollten einige, die schon die
detailliertere Gehmeditation vom vierten Gang aufwärts übten, wieder zu den
früheren Schritten zurückgehen. Je mehr man im ersten Gang
gehen kann, desto besser.
Wenn in
der Sitzmeditation ein Übergewicht von Konzentration entsteht, muß man die
Methode genau auf die Situation abstimmen. Wird der Geist allmählich träge und
treibt selbstvergessen dahin, dann soll man auf jeden Fall
vier Hauptobjekte noten: ‘heben, senken, sitzen, berühren.’
Was nun
die Achtsamkeit als geistige Fähigkeit betrifft: je
mehr man davon hat, je besser. Denn Achtsamkeit (sati) ist die Fähigkeit (indriya), die die anderen im
Schlepptau hat. Achtsamkeit ist das Regulativ, das die
Fähigkeiten der beiden Paare miteinander ausgleicht, wenn man Geist-und-Körper
in der Gegenwart notet. Ist Achtsamkeit so stark entwickelt, daß sie jeden
Moment des Erlebens automatisch mit dem Bewußtsein auftaucht, dann erlebt der
Meditierende Achtsamkeit als vollentfaltete Fähigkeit, die das unmittelbare
Entstehen und Vergehen eines jeden Objekts mit eindringlicher Klarheit
realisiert.
Wenn Vertrauen
die Weisheit überwiegt und der Geist anfängt, nach verschiedenen nimitta
und Bildern zu greifen, die von Konzentration herrühren, dann notet Achtsamkeit
diese Objekte im ersten Moment, ohne abzuwarten: ‘sehen, sehen,’ und die
Objekte verlöschen sofort. Tauchen sie noch einmal auf,
werden sie wieder genotet und verlöschen wieder. So gleicht
Achtsamkeit Vertrauen mit Weisheit aus.
Wenn
umgekehrt die Weisheit das Vertrauen überwiegt, dann denkt man
über die Lehre nach, erwägt und beurteilt sabhava oder
sonderbare Phänomene. Danach verfängt man sich in den
Gedanken und haftet daran. Das führt wieder zu
Aufregung und man denkt noch mehr. In diesem Fall
muß die Achtsamkeit besonders rigoros das Denken noten, bis sie so schnell
wird wie das Denken. Dann wird das Denken aufhören.
Weisheit (panna) und Vertrauen (saddha) sind
wieder im Ausgleich und werden durch die Übersicht von Achtsamkeit im
Gleichgewicht gehalten.
Mit dem
Paar Energie (viriya) und Konzentration (samadhi) ist es genau dasselbe: Wenn Energie die Konzentration
übertrifft und der Geist wird von Gedanken und Reflektionen überschwemmt, dann
muß Achtsamkeit fleißig noten, bis das Denken aufhört. Das wird die Kraft der
Energie bändigen und an die Konzentration anpassen.
Wenn andererseits Konzentration übermäßig wird, gibt es Probleme
mit Schläfrigkeit und Niedergeschlagenheit. Dann muß Achtsamkeit beim Noten
hart am Ball bleiben, um die Entstehung der aufeinanderfolgenden
Schläfrigkeitsmomente genau zu erkennen, dann ist die
Schläfrigkeit plötzlich wie weggeblasen. Das zeigt den Ausgleichspunkt von Energie
und Konzentration an und ist sehr günstig für die
Übung.
Beim
Ausgleichen der fünf Fähigkeiten muß der Übende einfallsreich sein, was die
Auswahl der Methoden angeht, die man benutzt, um ein akutes Problem in der
Meditation zu lösen. Und dann muß man prüfen, ob die veränderte Übung zum
richtigen Ergebnis führt, und ob sie sich mit der
Persönlichkeit verträgt. Da nicht alle Leute denselben Geist
haben, unterscheiden sich auch ihre Veranlagungen und ihr Charakter.
Deshalb soll man immer nach dem Motto verfahren: Sich selber eine Zuflucht
sein! Es sollte jeder Experte für seine eigene Erfahrung werden.
Das bedeutet aber auch Verantwortung. Um die eigene Situation korrekt
einschätzen zu können, brauchen wir die Achtsamkeit. Deshalb
muß jeder Achtsamkeit entwickeln, damit sie allmählich kräftiger wird. Jeder
Zuwachs an Achtsamkeit wird ungeschmälert in Fortschritt verwandelt. Wenn
Vertrauen, Energie, Achtsamkeit, Konzentration und Weisheit nicht ausgeglichen
sind, wenn die eine Seite die andere überwiegt, wenn sie sich gegenseitig
behindern, dann ergibt sich ein geistiges Ungleichgewicht. Aber gut entwickelte
Achtsamkeit hat die Fähigkeit, die Kräfte in beiden
Paaren zu kontrollieren und wieder in ein ausgeglichenes Verhältnis zu bringen.
Die
widerstreitenden Fähigkeiten werden sich vereinen, die ungleich gewichteten
werden ausgeglichen, bis die fünf Fähigkeiten sich zu
einer Kraft bündeln. Dann wird man ein Experte in der
Betrachtung des gegenwärtigen Objekts.
Und
dadurch wird jene Weisheit geweckt, die die fünf Anhäufungen als
vergänglich, bedrückend und kein Selbst durchschaut.
Materielle und geistige Phänomene entstehen und vergehen auf natürliche
Weise. Die
Geist-und-Körper-Objekte schreien uns die Wahrheit ins
Gesicht. Es gibt wahrhaftig nichts, woran sich lohnte
anzuhaften. Man muß unbeirrt weiterüben, entschlossen, die Zuflucht zu
erreichen, wo alles Leid verlöscht, Nibbana.
JENSEITS
VON EINTRÜBUNG UND HANDELN
Eintrübung,
Handeln und Ergebnis
F: Wieviele Arten von Eintrübung (kilesa)
gibt es? Wie kommt es dazu, daß die Eintrübungen im Geist entstehen?
A: Eintrübungen (kilesa) fallen
in drei Kategorien-
1. Grobe Eintrübungen. Sie machen sich durch Körper und
Sprache bemerkbar. Die Lebensspanne eines Wesens vernichten; stehlen; sexuelles
Fehlverhalten; lügen, verleumden, beschimpfen und schwatzhaft sein; und
alkoholische Getränke, die unachtsam machen, zu sich nehmen: das sind Beispiele
für grobe Eintrübungen. Sich solcher Handlungen zu enthalten, ist Sittlichkeit (sila) und eine Voraussetzung für
die erfolgreiche Klarblickübung.
2. Mittlere
Eintrübungen.
Das sind die fünf geistigen Hindernisse, Eintrübungen,
die sich im Geist bemerkbar machen. Sie tyrannisieren den Geist, sodaß er
Verlangen produziert, Unzufriedenheit, Ärger, Verzagtheit, Schläfrigkeit,
Aufregung, Sorge, Gereiztheit, Unentschlossenheit, Skepsis und Verwirrung. Wenn
die mittleren Eintrübungen im Geist auftauchen, machen sie den Geist zunehmend
heißer, stickiger, ungeschickter, bedrängter, besorgter, gereizter,
ängstlicher, unsicherer und skeptischer. Achtsamkeit muß die mittleren
Eintrübungen sofort noten, wenn sie im Geist entstehen, denn wenn sie nicht
kontrolliert werden, dann können sie die groben
Eintrübungen auslösen.
3. Feine Eintrübungen. Man nennt sie auch latente
Eintrübungen (anusaya). Es ist die
ursprüngliche Natur der fünf Anhäufungen, die da im Geist schlummert.
Normalerweise verhalten diese Eintrübungen sich unauffällig, sie machen sich in
keiner Weise bemerkbar. Aber wenn ein hinreichender Grund vorliegt, dann
entstehen sie mit Notwendigkeit. Wenn Sinnesobjekte in Berührung mit den
Sinnesorganen und dem Geist kommen, dann treten die feinen Eintrübungen aus
ihrem latenten Zustand zunächst auf die Ebene, wo sie
sich in Rede und Tat Bahn brechen.
Den
Unterschied zwischen diesen drei Arten von Eintrübungen kann man verdeutlichen
mit einem Streichholz. Die mittleren Eintrübungen sind
wie das Feuer, das im Streichholzkopf schlummert. Die mittleren Eintrübungen sind schon aktiv, wie wenn man mit dem Streichholz über die
Streichfläche streicht; dann wird das Feuer sichtbar. Grobe Eintrübungen
handeln in die Umwelt hinein: Man nimmt das Streichholz und zündet damit
brennbares Material an. Das Objekt wird vom Feuer verzehrt und kann einen
großen Brand auslösen.
F: In welchem Zusammenhang stehen die Eintrübungen, die Handlungen und deren Ergebnisse
miteinander?
A: Die Menschen werden in die Welt
geboren mit unterschiedlichen Existenzen, sie sind gut
oder schlecht, dumm oder weise, glücklich, reich, schön, oder unglücklich, arm
und häßlich. Das sind Ergebnisse (vipaka)
früherer Taten (kamma). Im Kreislauf abhängiger Entstehung ist dies die Runde der Ergebnisse. Es sind
die Ergebnisse unserer eigenen Taten in früheren und in diesem Leben. Körperlich handeln heißt in Pali kayakamma, sprechen heißt vacikamma.
Diese beiden Arten von kamma sind die Aktivität
der groben Eintrübungen (vitikkama kilesa). Töten, stehlen, lügen,
sexuelles Fehlverhalten und Alkoholkonsum sind
Beispiele dafür. Die groben Eintrübungen werden verursacht von der dritten Art
des kamma: der Geistestätigkeit (manokamma). Dieses geistige kamma
ist die Aktivität der mittleren Eintrübungen (pariyutthana
kilesa). Wenn wir die Geistestätigkeiten, also die Eintrübungen, die im
Geist auftauchen, nicht kontrollieren können, finden sie körperlich und verbal
ihren Ausdruck, und das ist wieder körperliches und
verbales kamma. Die Geistestätigkeiten (manokamma), ihrerseits,
werden verursacht von den feinen Eintrübungen (anusaya kilesa), die im
Strom unseres unbewußten Lebenskontinuums schlummern.
Eintrübungen
(kilesa) sind Ursachen für das Entstehen von
Taten (kamma) auf drei Ebenen von Intensität: Gedanken, Worten und
Handlungen. Diese Taten werden selbst wieder zu Ursachen für die Entstehung von
Ergebnissen (vipaka). Das gemeinsame Wirken und die gegenseitige
Beeinflußung von Handeln (kamma) und seinem Ergebnis (vipaka) ist jedoch nichts anderes als die fünf Bündel von
Geist-und-Körper. Konventionell gesprochen: Dieses Ineinandergreifen von
Ursache und Wirkung sind wir, oder genauer gesagt, der
jeweilige Geist, der den Eintrübungen (kilesa) Unterschlupf bietet. Die
Eintrübungen (kilesa) verursachen Handlungen (kamma). Das Handeln
verursacht Ergebnisse (vipaka), und da sind
schon wieder wir, aufgebaut von der eigenen Geistestätigkeit und unserem
Handeln, und bieten erneut Eintrübungen (kilesa) Unterschlupf.
Eintrübungen
sind die Ursache für Geistestätigkeit und Handeln, und
dieses Tun hat die Macht, immer wieder neue Wesen aufzubauen. Diese drei wirbeln haltlos umeinander, ohne Ziel und Ende.
F: Wie muß man sich üben, wenn man die
drei Runden von Eintrübung, Handeln und Ergebnis überwinden will?
A: Buddha der Erleuchtete erkannte,
daß Geburt, Alter, Krankheit und Tod Leiden (dukkha) sind.
Er suchte nach der Ursache dieses Leidens und fand heraus, daß überall in der
Welt der Lebewesen Geburt, Alter, Krankheit und Tod durch (Willens-)Tätigkeit (kamma) verursacht werden. Als er die Ursache des Handelns erforschte, da stieß er auf
die Eintrübungen (kilesa) und vor allem das Verlangen (tanha) als
der Wurzel aller Trübungen. Demnach sind also alle
Arten von Leiden (dukkha) verursacht von Verlangen (tanha).
Mit den
vier edlen Wahrheiten hat Buddha aufgezeigt, daß Verlangen die Wurzel des
Leidens ist. Um das
Dazu sagte
Buddha: Um das Verlangen auszulöschen, muß man den Achtfachen Pfad entwickeln,
den mittleren Weg (majjhima patipada). Die Übung des Mittleren Weges
führt direkt zur völligen Auflösung des Verlangens. Wer sich über die drei
Runden erheben möchte, muß also den Achtfachen Pfad in sich entwickeln und
seine Bemühungen immer weiter verfeinern, bis nur die Übung der vier Grundlagen
der Achtsamkeit übrigbleibt.
F: Wie soll man seine Bemühungen
verfeinern, um den Achtfachen Pfad mit den vier Grundlagen der Achtsamkeit in
Übereinstimmung zu bringen?
A: Der Achtfache Pfad hat in der Übung
des Klarblicks folgende Merkmale:
1. Rechte Ansicht (samma-ditthi) – die
Wahrnehmung des Entstehens und Vergehens der fünf Anhäufungen (panca-kkhandha)
und Erkenntnis der vier Edlen Wahrheiten. Dies ist
eine Funktion der Weisheit (panna).
2. Rechtes Denken (samma-sankappa) –
Hinwendung und Erhebung des Geistes zum Erkennen des gegenwärtigen Objekts, oder der fünf Bündel. Dies ist
ebenfalls eine Funktion der Weisheit (panna).
3. Rechte Rede (samma-vaca) – Die
Bestimmung der korrekten Begriffe, die mit den gegenwärtig realen Phänomenen
verbunden sind. Dies ist ein
Bestandteil der Sittlichkeit (sila).
4. Rechtes Handeln (samma-kammanta) –
Geistestätigkeit, die in völliger Übereinstimmung mit der Wirklichkeit steht,
indem sie das Auftauchen bedingter Ereignisse (sankharadhamma) vor sich
in der Gegenwart beobachtet. Auch dies ist Bestandteil
der Sittlichkeit (sila).
5. Rechte
Lebensführung
(samma-ajiva) – Den Geist stark, gesund und losgelöst halten, indem man
in der Gegenwart achtsam ist. So wird der Geist
gefördert und ernährt durch heilsame Geisteskräfte, durch den Achtfachen Pfad,
den Besitz der Edlen. Auch dies ist Bestandteil der
Sittlichkeit (sila).
6. Rechte Anstrengung (samma-vayama) – Vierfältige
Anstrengung: Den Geist zu schützen vor noch nicht entstandenen Eintrübungen und
die bereits aufgestiegenen zu überwinden; heilsame Geisteskräfte zu entwickeln
und die entstandenen heilsamen Kräfte zu bewahren. Dies ist
ein Bestandteil der Konzentration (samadhi).
7. Rechte Achtsamkeit (samma-sati) – Die
Betrachtung der fünf Anhäufungen unmittelbar in der Gegenwart; völlig und
umfassend bewußt zu sein. Auch dies ist ein
Bestandteil der Konzentration (samadhi).
8. Rechte
Konzentration
(samma-samadhi) – Beruhigung und Stabilisierung des Geistes, indem man
ihn auf ein einzelnes Objekt fixiert: das gegenwärtige. Auch dies ist ein Bestandteil der Konzentration (samadhi).
Der
Achtfache Pfad im Klarblick
Um ein
Radiogerät, einen Fernseher oder Ähnliches zu bauen,
braucht man viele elektrische Schaltungen, die alle mit einem Punkt verbunden
sein müssen, einem Hauptschalter, einem Hebel oder Druckschalter. Wenn man das
Gerät einschalten möchte, drückt man einfach den Knopf, und alle Teilbereiche
nehmen sofort ihre Arbeit auf. In vergleichbarer Weise hat Buddha, der
Wissenschaftler des Geistes, das korrekte Verfahren gesucht, welches einfach
und effektiv zu benutzen sein sollte. In seinem Bemühen um Vereinfachung und
eine Reduktion auf das Wesentliche faßte der Buddha den Achtfachen Pfad zu dem
zusammen, was er den “einzigen Weg” (ekayanomaggo) nannte: die vier
Grundlagen der Achtsamkeit. Diese vier Grundlagen der
Achtsamkeit, die als siebter Bestandteil des Achtfachen Pfades Rechte
Achtsamkeit heißen, sind dieser einzige Weg.
F: Was zeichnet rechte Achtsamkeit
aus, so daß sie zum einzigen Weg wird?
A: Die Bedeutung rechter Achtsamkeit (samma-sati)
erweist sich in der Klarblickübung auf folgende Weise:
1. Rechte Achtsamkeit hat
als wichtigste Funktion, das gegenwärtige Objekt zu
wissen. Wenn sie mit dem Bewußtsein auftaucht, ist sie
verpflichtet, die gegenwärtig existierende Geist-Körper-Verbindung (nama-rupa)
zu betrachten.
2. Achtsamkeit ist die nächstliegende Ursache für die Entstehung von
Sittlichkeit, Konzentration und Weisheit (sila, samadhi, panna). Wenn
Achtsamkeit fehlt, können die korrekten Ausprägungen von Sittlichkeit,
Konzentration und Weisheit nicht entstehen.
3. Achtsamkeit arbeitet an der Überwindung der fünf geistigen Hindernisse (kilesa-nivarana),
der Gruppe der unheilsamen (akusala) Geisteskräfte, die in jedem Falle
daran hindern, das Gute zu erreichen.
4. Achtsamkeit entfaltet
eine vereinigende Kraft innerhalb des Achtfachen Pfades, sodaß die acht Glieder
zu einem einzigen verschmelzen, dem ‘einzigen Weg’.
5. Achtsamkeit ist auf Kontrolle und Harmonisierung der fünf geistigen
Fähigkeiten (indriya) gerichtet. Solange Achtsamkeit schwach ist, können Verzerrungen des Klarblicks (vipassa-nupakilesa)
leicht auftauchen.
6. Die vier Grundlagen
der Achtsamkeit zu entwickeln, ist der Weg zu völliger
Reinheit des Geistes, der Weg zum Aufblitzen überweltlicher Weisheit. Es ist der einzige Weg, Nibbana zu erreichen.
Für
das Verlöschen des Verlangens üben
F: Was soll man tun, um das Verlangen
auszulöschen, die Ursache des Leidens (dukkha)?
A: Verlangen läßt sich gut mit Feuer
vergleichen. Feuer flackert auf, wenn dafür ein Anlaß da ist,
zum Beispiel ein Streichholz, ein elektrischer Funke, oder ein glühender
Zigarettenstummel. Ganz am Anfang ist es nur ein Funke
oder Flämmchen und ist leicht auszulöschen. Man kann es auspusten oder mit dem Fuß austreten, dann verlöscht es. Wenn dieses
kleine Feuer aber genug Nahrung findet und weiterbrennt, dann breitet es sich
zu einem Flächenbrand aus, der äußerst schwierig zu löschen ist,
wenn überhaupt.
Das
Gleiche ist es mit dem Feuer des Verlangens, das in
unserem Geist entbrennt. Es meldet sich zuerst nur als
kleines Flämmchen. Wenn wir es rasch bemerken, können wir es
leicht auslöschen. Bemerken wir es aber erst später, dann kann es
schwierig zu löschen sein, weil das im Inneren
brennende Feuer sich schon in die Außenwelt ausgebreitet hat.
Um das
Feuer zu löschen, braucht man die richtige Ausrüstung, oder ein Verfahren, das
für das Löschen des Feuers richtig und geeignet ist. Wasser kann man benutzen,
um Feuer zu löschen. Der Edle Achtfache Pfad oder die
vier Grundlagen der Achtsamkeit sind die geeignete Ausrüstung, um das Feuer des
Verlangens auszulöschen.
Also
müssen wir uns selbst prüfen, ob wir Wasser zum Löschen haben, oder ob wir keines haben. Falls wir keines haben müssen wir
uns beeilen, welches zu holen, denn das Feuer des Verlangens verzehrt uns. Es
muß sofort gelöscht werden, heute noch! Wir können nicht bis
morgen warten. Entwickeln Sie Achtsamkeit, die noch nicht entstanden ist, sodaß sie entsteht! Machen Sie mehr aus der
Achtsamkeit, die schon entstanden ist!
Allgemein
gesprochen, behandelt der Geist das Verlangen wie einen guten, alten Freund,
denn Verlangen ist der Bestand, den wir unwissentlich angesammelt haben, unsere
alten Gewohnheiten, die sich ständig von selber bemerkbar machen als Begehren
danach, einen schönen Anblick, wohlklingende Geräusche, aromatische Düfte,
schmackhaftes Essen und sanfte Berührung zu geniessen. Dieses Feuer im ersten
Moment auszulöschen, ist schwierig, denn es gibt nur
wenig Wasser. Man muß mit Energie die Achtsamkeit entwickeln, viel davon und
schnell, denn Achtsamkeit ist das Wasser zum
Löschen des Verlangens.
Sobald
Achtsamkeit eingerichtet ist, beginnt sie, die
Sittlichkeit (sila) zu unterstützen durch die Kontrolle der
Sinnesfähigkeiten (indriya-samvara-sila), sodaß die Reinheit ungebrochen
und makellos bleibt. Kontrolle der Sinnesfähigkeiten bedeutet, sorgsam zu
wachen über die Augen, die Ohren, die Nase, die Zunge und den Geist, indem man
Achtsamkeit auf die vier Grundlagen der Achtsamkeit richtet, weder erfreut,
noch verärgert, wenn die Sinnesorgane mit erfreulichen oder unerfreulichen
Objekten in Kontakt kommen. Wenn die Entwicklung der Achtsamkeit deutlichere
Ergebnisse zeigt, erkennt man sofort, ob die Hindernisse da sind
oder nicht.
Wenn es im
Geist kein Verlangen gibt, weiß man, daß da kein Verlangen ist;
wenn aber Verlangen da ist, so weiß man, daß es da ist. Wenn
das Verlangen im Geist bleibt, dann weiß man, daß es bleibt, und wenn das
Verlangen verlöscht, dann weiß man, daß es verlöscht. Wenn Achtsamkeit
soviel Stärke gewinnt, daß sie den Geist betrachten kann und sieht, wie das
Verlangen im Geist entsteht, andauert und vergeht, dann werden die mittleren
Eintrübungen, die fünf Hindernisse (nivarana-kilesa), schwächer und
tauchen weniger häufig auf. Sie dominieren den Geist nicht mehr und entwickeln
sich nicht zu groben Eintrübungen.
Mit der
unerschütterlichen Überzeugung, daß er die Hindernisse, diese ‘Maschinerie
des Leidens,” endgültig aus dem Geist entfernen kann, muß der Übende die
Achtsamkeit weiter entwickeln, ohne aufzugeben. Wenn die Weisheit des Pfades
auftaucht, dann gelangt er zu der Wahrheit, daß alles, was von Natur aus
entsteht, auch von Natur aus vergeht. Diese Wahrheit der Natur – die fünf
Anhäufungen von Körper und Geist – zu durchdringen, bringt es mit sich, daß
man alle körperlichen und geistigen Phänomene entstehen sieht, einen Moment
dauern sieht, und dann vergehen sieht, ohne eine dauernde Substanz, die bleibt.
Auf der
manifesten Ebene wird das deutlich, wenn wir die Menschen betrachten. Alle
Menschen müssen sterben,ob reich oder arm, gut oder
schlecht, mächtig oder machtlos, schön oder häßlich. Menschliche
wie auch alle anderen Wesen entstehen, leben eine Zeitlang und sterben dann.
Auch alles andere, was entstanden ist, muß aufgrund
seiner Natur ohne Ausnahme vergehen.
Wenn diese
Wahrheit uns geläufig ist, werden wir die Geduld und
Beharrlichkeit besitzen, die Achtsamkeit noch weiter zu entwickeln und die
Eintrübungen zu überwinden. Gemeinsam mit Achtsamkeit werden
dann alle heilsamen (kusala) Geisteskräfte entstehen und allmählich
Kraft gewinnen. Wenn sie ausgereift sind, wird sich der Achtfache Pfad
vom weltlichen Pfad des Klarblicks (lokiya magga) zum überweltlichen
Edlen Pfad (lokuttara magga) wandeln, der Ursache und Wirkung in sich
vereint. Beim Erreichen des überweltlichen Pfades wandelt
sich der Meditierende vom Weltling (puthujjana) zum Edlen (ariya
puggala) auf einer der vier Stufen der Befreiung.
Für den
neuen Meditierenden bedeutet Entwicklung der Achtsamkeit deshalb, schrittweise
mit den vier Grundlagen der Achtsamkeit vertraut zu werden –
1. Achtsam den Körper
im Körper betrachten, zum Beispiel das Heben und Senken der Bauchdecke noten. Der Körper ist Materie und deshalb leicht zu erkennen, also ist auch
das Entstehen und Vergehen des Körpers leicht zu erkennen.
2. Achtsam die Gefühle
in den Gefühlen betrachten. Die körperlichen Gefühle wie Schmerzen und Unwohlsein werden
zuerst erkannt. Wenn der Übende die Gefühle mit Achtsamkeit begleitet, wird er
die Veränderung in den schmerzhaften Gefühlen sehen, wie sie entstehen und
vergehen. Wenn die Unterscheidungskraft des Meditierenden stärker wird, kann
auch geistiges Gefühl in dieser Weise betrachtet werden.
3. Achtsam die
Geisteszustände in den Geisteszuständen betrachten. Der Übende hält Wache an der
Geistpforte und beobachtet, daß dieser Geist nicht dauerhaft ist,
sondern sich dauernd ändert. In diesem Moment nimmt er ein materielles Objekt
vom Auge an, im nächsten vom Ohr, von der Nase, von der Zunge, vom Körper.
4. Achtsam die
Geistesdinge in den Geistesdingen betrachten, Phänomene direkt in den
Phänomenen. Da erkennt man dann das Entstehen und Vergehen der heilsamen und
der unheilsamen Geisteskräfte. Durch die heilsamen Kräfte entsteht
Befriedigung, Glück und Zufriedenheit. Die unheilsamen Kräfte trüben den Geist
und erzeugen Unruhe, Sorge, Verdruß, Irritation, Widerwillen, Unsicherheit,
Mutlosigkeit und Verwirrung: das Spektrum geistigen Leidens tut sich auf. Wenn
der Meditierende schrittweise Achtsamkeit in Bezug auf Körper, Gefühle und
Geistzustände entwickelt hat, dann wird die
Betrachtung der Geistesdinge leichter werden.
Zu Beginn
der Übung ist es noch nicht möglich, die Entstehung
des Denkens zu noten. Erst wenn die Anstrengung in der Übung kontinuierlich
wird, lernt man nach und nach, die Gedanken zu noten. Dennoch gelingt es nicht,
den unmittelbaren Anfang zu erkennen; man merkt oft erst nach einer Minute, daß
Gedanken im Geist sind. Aber mit weiterer Übung
verbessert sich die Achtsamkeit und man kann den Fortgang des Denkens mit
zunehmender Schnelligkeit noten, bis man schließlich
das Entstehen und Vergehen der Gedanken unmittelbar beobachten kann.
Manchmal bemerkt man, daß der Geist gerade anfangen will, zu denken. Manchmal beobachtet man, wie ein
Bild auftaucht, das aus der Erinnerung entstanden ist,
und dann folgen Gedanken nach. Kann man das gegenwärtige Objekt auf diese Weise
betrachten, dann wird die Wahrheit offensichtlich, daß alle Eintrübungen
zusammen mit dem Bewußtsein auftauchen und zusammen mit dem Bewußtsein auch
verlöschen. Wie es in der Lehre über die Grundlagen der Achtsamkeit (satipatthana-sutta)
heißt: Wenn kein Verlangen im Geist ist, weiß man, daß da keines ist; wenn das
Verlangen entsteht, weiß man daß es entsteht; wenn es andauert, weiß man, daß
es andauert; wenn das Verlangen im Geist verlöscht, dann weiß man, daß es
verlöscht; und wenn es aufgrund einer bestimmten Ursache verlöscht, dann kennt
man diese Ursache.
Haben
Achtsamkeit und Weisheit (sati-panna) dieses Niveau erreicht, dann wird
einem klar, wie mächtig Achtsamkeit ist, denn sie kann
das Entstehen und Vergehen der fünf Hindernisse im gegenwärtigen Geist wirklich
beobachten. Von einem bestimmten Punkt der Entwicklung an
braucht der Meditierende nichts Besonderes mehr zu tun. Die Achtsamkeit muß nur
fest auf den gegenwärtigen Moment eingestellt sein, und alle Eintrübungen, die
auftauchen, werden von selbst verlöschen, als sähe man
Feuer aufflackern, das im selben Moment mangels Brennstoff verlöscht. Diese Art
der Bewußtheit, die man Klarblick nennt, führt zur Aufzehrung der
Eintrübungen, bis der Geist völlig davon befreit ist.
Zusammenfassung
Um dies
alles zusammenzufassen; Klarblickmeditation soll man üben, um das Verlangen
(tanha), die Ursache des Leidens, auszulöschen. Das Ziel der Übung ist die völlige und endgültige Überwindung der Eintrübungen.
Dazu braucht man keine besondere Vorgehensweise und keine
speziellen Kenntnisse. Wer das behauptet, erzeugt nur
zusätzliche Verwirrung und unnötiges Zögern und Zweifeln.
Zur Zeit Buddhas wurde sechzehn jungen Männern, alle Schüler des
Brahmanen Bavari, von ihrem Lehrer aufgetragen, dem Buddha einige Fragen
zu stellen. Einer von ihnen, namens Nanda, stellte folgende Frage: “Man sagt,
es gäbe keine Weisen mehr in der Welt. Wie verhält es sich
damit? Zeichnet sich ein Wissender durch seine Kenntnisse oder durch
seine Lebensführung aus?”
Buddhas
Antwort lautete: “Die Weisen in dieser Welt sagen nicht, daß man ein Wissender
durch Sehen, Hören oder besondere Kenntnisse wird. Ich
behaupte: Wer sich selbst aus dem Sumpf der Eintrübungen (kilesa)
befreit und keine neuen Eintrübungen mehr entstehen läßt, wer keine Sorgen und
keine Begierden mehr hat, der ist ein Wissender, der ist ein Weiser.”
Nanda
fragte weiter: “Es gibt Asketen und Priester, die sprechen von Reinheit durch
Sehen, durch Hören, durch eine strenge Lebensführung, durch Rituale und eine
Vielzahl anderer Methoden. Hat irgendeiner der Asketen und
Priester, die solche Reinheitspraktiken pflegen, jemals Geburt und Alter
überwunden?”
Buddha
erklärte: “Diese Asketen und Priester, auch wenn sie ihre Reinigungspraktiken
strikt befolgen, sage ich, können Geburt und Alter nicht überwinden.”
Nanda
fragte erneut: “Wenn diese Priester und Asketen nicht frei sind von Geburt und
Alter, wer in der Welt der Götter und Menschen ist denn frei von Geburt und
Alter?”
Buddha
sagte: “Ich behaupte nicht, daß alle diese Priester und Asketen Geburt und
Alter unterliegen. Aber ich sage, daß ein jeder Asket oder Priester, der in
dieser Welt die Objekte des Sehens, Hörens und Wissens zurückweist; der alle
vorgeschriebene Lebensführung, alle Rituale und die vielerlei Methoden
verwirft; der das Verlangen (tanha) als ein Ärgernis betrachtet und sich
völlig frei davon macht, der wird ein Mensch, dem die weltlichen Neigungen des
Geistes nicht mehr begegnen. Ein solcher Asket oder Priester,
sage ich, ist jenseits von Geburt und Alter.”
Daran
sehen wir, daß Buddha, der höchste Lehrer, die Überwindung von Eintrübung und
Verlangen als unsere dringlichste Aufgabe betonte, die
keinen Aufschub duldet und als erste unsere Aufmerksamkeit verlangt. Daher
müssen wir weiter üben, bis wir das Ziel erreichen.
TEIL
II
DIE
ERGEBNISSE DER ÜBUNG
Die
Sieben Reinheitsstufen und
Sechzehn
Klarblickschritte
Dieses Handbuch wurde unter besonderer Berücksichtigung der
Schwierigkeiten von Anfängern in der Meditation geschrieben. Es mag aber sein, daß einige bei
gewissenhafter Übung im Laufe der Zeit gute Fortschritte machen und dann Nutzen
daraus ziehen können, wenn sie eine Richtschnur haben, um ihre Entwicklung
gemäß der Lehre einzuschätzen. Daher sollen im folgenden die einzelnen Schritte
dargestellt und erklärt werden, aus denen der Stufenweg des Fortschritts in der
Klarblickmeditation besteht: Die sieben Reinheitsstufen und die sechzehn
Schritte des Klarblickwissens.
I.
Reinheit des Betragens (sila-visuddhi). Vom Beginn
der Übung an muß der Meditierende seine Sittlichkeit
rein erhalten, indem er den Ausdruck in Rede und Tat an den fünf
Sittlichkeitsregeln orientiert. Reinheit des Betragens verringert die Kraft der
fünf geistigen Hindernisse, die der Entwicklung von
Konzentration entgegenstehen.
II.
Reinheit des Geistes (citta-visuddhi). Der Übende kann die momentane
Konzentration mit zunehmender Kontinuität bewahren. Die Hindernisse werden
abgelegt und der Geist wird ruhig und gefestigt. Dies ist
Voraussetzung für die nachfolgende Entwicklung von Weisheit.
III.
Reinheit der Ansicht (ditthi-visuddhi)
I.
Analytisches Wissen von Geist und Körper
(nama-rupa-pariccheda-nana)
Die
Erkenntnis wird rein, und der Übende kann in der meditativen Betrachtung mit
Leichtigkeit die geistigen (nama) und die
körperlich-materiellen (rupa) Aspekte der gegenwärtigen Erlebnisse
unterscheiden.
IV. Reinheit der Überwindung von Zweifel
(kankha-vitarana-visuddhi)
2. Wissen,
das die Bedingtheit durchdringt
(paccaya-pariggaha-nana)
V. Reinheit der Klaren Schau, was
Pfad und was nicht Pfad ist
(maggamagga-nana-dassana-visuddhi)
3. Wissen
des Begreifens (sammasana-nana)
VI.
Reinheit der Klaren Schau des Übungsverlaufs
4. Wissen
vom Entstehen und Vergehen
(uddayabbaya-nana)
5. Wissen
der Auflösung (bhanga-nana)
6. Wissen
der Furcht (bhaya-nana)
7. Wissen
des Elends (adinava-nana)
8. Wissen
des Überdrußes (nibbida-nana)
9. Wissen
des Verlangens nach Befreiung
(muncitu-kamyata-nana)
10. Wissen
der Großen Bemühung (patisankha-nana)
11. Wissen
des Gleichmuts vor Gebilden (geistigen und körperlich-materiellen Ereignissen)
(sankharupekkha-nana)
"Klarblick,
der zum Entrinnen führt"
(vutthan-gamini-vipassana)
· VII. Reinheit der Klaren Schau (nana-dassana-visuddhi)
12. Wissen
der Anpassung (anuloma-nana)
(Übereinstimmung mit den vier edlen Wahrheiten)
13. Wissen
der Reife (gotrabhu-nana)
(Wechsel
der Zugehörigkeit)
14. Pfadwissen (magga-nana)
(Der
einzelne Bewußtseinsmoment des ‘Edlen Pfades’)
15. Fruchtwissen (phala-nana)
16. Wissen des Rückblicks (paccavekkhana-nana)
F: Die sieben Reinheitsstufen und die
sechzehn Schritte des Klarblicks unterscheiden sich in mancher Hinsicht, zum
Beispiel findet man bei den Klarblickswissen keinen Hinweis auf Sittlichkeit,
wohl aber bei den Reinheitsstufen. Was bedeutet das?
A: Die Reinheitsstufen – wie auch der
achtfache Pfad – stellen ein umfassendes Schema dar, in dem alle drei Bereiche
der geistigen Schulung inbegriffen sind: Sittlichkeit,
Konzentration und Weisheit (sila, samadhi, panna). Besonders die sieben
Reinheitsstufen beschreiben den Ablauf der geistigen Entwicklung in aufeinander
aufbauenden Stufen. Zunächst muß ‘Reinheit des Betragens’
erfüllt sein. Das ist die Schulung in
Sittlichkeit. Mit dieser Voraussetzung kann man ‘Reinheit des Geistes’
durch Meditation anstreben. Das ist die Schulung in
Konzentration.
Wenn ‘Reinheit
des Geistes’ erreicht ist, taucht bei fortgesetzter Übung schrittweise die
für Klarblickmeditation charakterische Erkenntnis der Wirklichkleit auf, die
mit der Entwicklung von Weisheit zusammenhängt, angefangen von ‘Reinheit der
Ansicht’ bis hin zur ‘Reinheit der Klaren Schau.’ Das sind insgesamt fünf Reinheitsstufen, die beschreiben, wie
sich wirklichkeitsgemäße Erkenntnis, genannt: ‘Weisheit’, entwickelt. Diese fünf Reinheitsstufen können nur
durch die Übung des Klarblicks erreicht werden.
Was die
sechzehn Klarblickwissen betrifft: Da geht es um die Ausarbeitung von rechter
Ansicht (samma-ditthi), von korrekter Wahrnehmung in Einklang mit der 'Soheit'
der Dinge (tathata). Diese Wissensschritte tauchen in der Entwicklung
der fünf Reinheitsstufen auf, die mit Weisheit zu tun haben. Unabhängig,
jedoch, von diesen Klassifizierungen und Zuordnungen, werden bei der
vollentwickelten Übung des ‘Mittleren Weges’ die drei Bereiche der
Schulung – Sittlichkeit, Konzentration und Weisheit – immer gemeinsam
eingesetzt und geübt.
DER
VORBEREITENDE PFAD
Die
schwachen Klarblickschritte
F: Wenn man dieses Buch als Leitfaden für die Praxis benutzt, wie soll man dann
erkennen, ob das erste Klarblickwissen schon aufgetaucht ist oder noch nicht?
A: Es ist
nicht leicht, über das Thema Klarblick etwas zu sagen, da man es selbst
erleben muß, um darüber etwas zu wissen. Das ist das
Merkmal ‘paccatam’ – individuell – das Buddha mit Bezug auf seine Lehre immer hervorhob: Die
Meditierenden sehen die Wirklichkeit jeder für sich selbst. Denn das ist der Ort, wo wir in Wirklichkeit ja sind, nicht
außerhalb unserer selbst.
Wer schon
buddhistische Schriften eingehend studiert hat, die sich mit
wirklichkeitsgemäßer Erkenntnis der fünf Bündel des Anhaftens oder Theorie und
Praxis der Klarblickmeditation befassen, mag vielleicht in der Lage sein,
anhand der eigenen Meditationserfahrung das Einsetzen von Klarblickerlebnissen
festzustellen, die mit den Schritten des Klarblickwissens zusammenhängen.
Wer das
aber nicht mit Zuverläßigkeit kann, muß sich auf einen spirituellen Freund (kalyanamitta)
oder Klarblicklehrer verlassen, der prüfen kann, ob
der Übende das erste Wissen erreicht hat. Die folgenden Ausführungen sollen die
Klarblickerlebnisse der einzelnen Wissensschritte für den persönlichen
Vergleich ausreichend skizzieren.
I.)
Analytisches Wissen von Körper und Geist
Am Anfang
der Übung ist der Geist noch nicht ruhig, weil man
gestört wird durch Reflektionen und Aufregung, durch den inneren Monolog. Aber
wenn das Noten des ‘Heben/Senken’ der Bauchdecke mehr Kontinuität
gewinnt, dann werden die hebende Körperlichkeit und die senkende
Körperlichkeit allmählich klar unterscheidbar. Der Geist, der die hebende und
senkende Körperlichkeit benennt, wird erkennen, daß er die Funktion hat, das
Heben und Senken zu wissen. Manchmal sieht man auch, daß die hebende und
senkende Materie zwei verschiedene materielle Dinge sind, mit ihren eigenen
Merkmalen, an denen man sie erkennen kann: das Heben hat ein Merkmal, das
Senken ein anderes.
Später, wenn der Übende stärkere Konzentration entwickelt und sein Geist
ruhig wird, dann notet er das Heben/Senken ununterbrochen. Dann wird er verstehen, daß die
hebende Körperlichkeit und das, was sie notet, zwei verschieden Dinge sind, und
die senkende Körperlichkeit und das was sie notet, sind auch zwei verschiedenen
Dinge. Die hebende und die senkende Körperlichkeit sind
Materie (rupa) und das, was sie jeweils notet, ist Geist (nama).
Wenn der
Meditierende, während er die Bewegung der Bauchdecke in der unmittelbaren
Gegenwart notet, dies versteht und sieht, wie es wirklich ist, dann hat er den
ersten Schritt des Klarblicks erreicht, das ‘Analytische Wissen von Geist
und Körper’ (namarupa-pariccheda-nana).
Im
täglichen Meditationsbericht wird der Klarblicklehrer fragen, ob das Heben und
Senken der Bauchdecke dasselbe sind oder ob es zwei
verschiedene Dinge sind. Wenn der Übende sagt, daß sie dasselbe sind, hat er das erste Wissen noch nicht erreicht.
Vielleicht
redet der Übende aber auch von sich aus über seine Erfahrung, oder wenn der
Lehrer ihn danach fragt, stellt er aufgrund eigener Beobachtung fest: Das Heben
ist Materie und ‘Was das Heben notet’ ist Geist, und die beiden sind
verschieden.
Dieses
Wissen erlebt die gegenwärtige Geist-Körper-Verbindung (nama-rupa)
klarbewußt, und es hilft bei der Überwindung der ‘falschen Ansicht, die die
fünf Bündel des Anhaftens als Selbst wahrnimmt’
(sakkaya-ditthi), dem Glauben an ein Selbst, an dauerhafte Wesen.
2.)
Wissen, das die Bedingtheit durchdringt
Dieses
Wissen ist klarbewußt über die Ursachen der
gegenwärtig erlebten Geist-Körperlichkeit. Wenn etwas entsteht, durch welche
Ursache entsteht es? Der Meditierende, der schon das erste Klarblickwissen
entwickelt hat, wird erkennen, daß in dem Moment, wo
er das gegenwärtige Objekt notet, nur Geist und Körper da sind.
Außerdem ist da nichts. Manchmal entsteht das Heben
– welches Materie ist – zuerst, und der Geist (citta)
folgt hinterher und notet.
Manchmal ist die kausale Bedingtheit aber umgekehrt: Der Meditierende
möchte aufstehen, und nachdem der diese Absicht genotet hat, erscheint die
stehende Körperlichkeit. Wenn der Geist gehen möchte, taucht
danach die gehende Körperlichkeit auf. Wenn der Geist sich setzen
möchte, taucht nachher die Sitzhaltung auf. Wenn der Geist sich setzen möchte,
taucht nachher die Sitzhaltung auf. Wenn der Geist sich
hinlegen möchte, erscheint anschließend der liegende Körper. Der Geist
möchte beugen, ausstrecken, ergreifen, aufheben, festhalten, loslassen, drehen,
wenden oder berühren, und danach erscheint die Körperlichkeit, die beugt,
ausstreckt, ergreift, aufhebt, festhält, losläßt, dreht, wendet oder berührt.
In diesen Fällen wird es erkennbar, daß Geist zuerst erscheint und die Ursache ist, während die nachfolgenden materiellen Erscheinungen
Wirkungen sind.
Wenn der
Meditierende auf diese Weise rechte Ansicht erwirbt durch die Betrachtung der
Bedingungen für die gegenwärtige Geist-Körperlichkeit (nama-rupa), dann
hat er das zweite Klarblickwissen erreicht: ‘Wissen, das die Bedingtheit
durchdringt’ (paccaya-pariggaha-nana). Dieses Wissen versteht, daß es
keinen Schöpfer gibt, der die Dinge so gemacht hat, wie sie sind.
Man versteht, daß das bewußte Erleben auftaucht durch Geist als
Ursache und Materie als Ergebnis, oder Materie als Ursache und Geist als
Ergebnis. Es gibt kein Wesen, keine Person, kein Selbst, kein ‘ich’ oder ‘du’, kein ‘wir’ oder ‘sie’. Alles, was es in
Wirklichkeit gibt, sind geistige und körperliche Ereignisse, die sich
wechselseitig bedingen und gemeinsam entstehen und vergehen. Dieses Wissen legt
die ewigen Menschheitsfragen ab, die der unwissende Geist dem Glauben und dem
spekulativen Denken überläßt: “Was ist das Leben? Wo
kommt es her? Wo geht es hin? Wer sind
wir? Und wozu sind wir hier?”
Wenn man
die Gegenwart versteht, weil man Geist und Körper unmittelbar beobachtet
und deutlich sieht, wie sie sich gegenseitig bedingen, dann ist man auch in der
Lage, zu prüfen und zu verstehen, daß die eigene Erfahrung auch in der
Vergangenheit nur durch Bedingungen entstanden ist, und daß auch in Zukunft
geistige und körperliche Phänomene entstehen werden, wenn die Bedingungen dafür
da sind. Dieses Wissen ist die vollständige
Überwindung von skeptischen, grüblerischen Zweifeln (vicikiccha).
3.)
Wissen des Begreifens
Wenn in
der Meditation Achtsamkeit und Konzentration stark werden, wird die Bewegung
der Bauchdecke deutlicher wahrgenommen. Die Richtlinien zur Prüfung des
Fortschritts in der Betrachtung sind folgende:
1. Wissen: Wenn der Übende die
hebende Materie notet, wird die mittlere Phase des Hebens
bemerkt, weil sie deutlicher erscheint.
2. Wissen: Wenn der Übende die hebende Materie
notet, wird er den Anfang und die mittlere Phase des Hebens bemerken, weil Achtsamkeit angewachsen ist.
3. Wissen: Wenn der Übende die hebende
Materie notet, werden ihm alle drei Phasen klar, der Anfang, die Mitte und das
Ende des Hebens. Das liegt an der stärkeren
Kontinuität von Achtsamkeit und Konzentration.
Mit diesem
Klarblickwissen tauchen ungewöhnliche Erlebnisse durch die Intensität des
Interesses am Objekt (piti) auf. Zum Beispiel können sich während der
Betrachtung die Haare an den Armen oder auf dem Körper
aufrichten, begleitet von einem Prickeln. Geistige Bilder und
visuelle Vorstellungen tauchen auf. Der Körper zuckt plötzlich oder er lehnt sich allmählich nach hinten. Es juckt hier und
da, fühlt sich an, als ob Ameisen oder andere
Kleintiere über die Haut krabbeln und sie zwicken, oder Moskitos sich darauf
niederlassen und stechen.
Man muß
diese Phänomene immer noten, jedesmal, wenn man sie erlebt. Geistige Bilder und
Visualisationen verschwinden entweder sofort wenn sie genotet werden, oder allmählich, nach und nach.
Manchmal,
wenn man im Sitzen notet, hat man starke Schmerzen in den Knien, den Beinen,
dem Rücken, der Leiste, der Hüfte, oder in anderen
Körperteilen. Diese quälenden, schmerzhaften Empfindungen offenbaren die drei
allgemeinen Merkmale aller Elemente des Erlebens (sankhara), damit die
Weisheit darauf aufmerksam werden kann. Sie verdeutlichen für uns die Wahrheit,
daß dieser Geist und dieser Körper vergänglich, leidhaft und kein Selbst sind (anicca, dukkha, anatta). Niemand kann bestimmen
oder beinflussen, wie sie sind.
Aufgrund
der Vergänglichkeit (aniccata), die man in der
Meditation zu spüren bekommt, entsteht schmerzhaftes Körpergefühl. Wenn es
aufgetaucht ist empfindet man es als
Manchmal
wenn der Meditierende starke Konzentration (samadhi) und Begeisterung (piti)
entwickelt, dann entstehen viele ungewöhnliche Objekte und Phänomene, oder der Geist wird durch die Erlebnisse angeregt, über die
Wirklichkeit, über buddhistische Erkenntnis, kurz: über Dhamma,
nachzudenken. Vielleicht sieht man ein Licht oder
Helligkeit, einen diffusen Schimmer, und empfindet ungewöhnliches Wohlgefühl.
Solche Erlebnisse können zu dem Mißverständnis verleiten, man habe schon den ‘edlen
Pfad’ oder Nibbana erreicht.
Wenn man an diesen Phänomenen anhaftet und sie genießt, das nennt man
"Verderben des Klarblicks" (vipassanupakkilesa), oder "den
falschen Weg gehen," weil man weiterhin an den Objekten von Geist und
Körper anhaftet. Der richtige Weg ist der ‘Mittlere
Weg’, also die Grundlagen der Achtsamkeit, die der einzige Weg zur
Erkenntnis von Nibbana sind. Wenn man von diesen Phänomenen, die durch
Konzentration und Begeisterung entstehen, in die Irre geführt wird, verliert
man den Weg durch Anhaften an geistigen und
körperlichen Objekten.
Von den
sieben Reinheitsstufen ist die fünfte die Reinheit der
Erkenntnis, was der rechte Weg geistiger Entwicklung ist, und was nicht der
rechte Weg ist (maggamagganana-dassana-visuddhi). Der Lehrer wird dem
Schüler raten, sofort alles zu noten, was er erlebt, ohne an irgendetwas
anzuhaften. Wenn der Meditierende verblendet ist und
diesen Rat in den Wind schlägt, wird er sich verirren und unter Umständen seine
geistige Gesundheit aufs Spiel setzen. Aber wenn er rechtes Verständnis hat,
wird die Übung weitere Fortschritte machen. Wenn der Übende Energie entwickelt
im Noten dieser geistigen Objekte, dann werden die verschiedenen Bilder und
visuellen Eindrücke allmählich verschwinden. Dann hat der Meditierende den
dritten Schritt des Klarblicks erreicht, das ‘Wissen des Begreifens’
(sammasana-nana) – Wissen, das die drei Merkmale klarbewußt erlebt.
F: Ist die
Übung bis hierhin fortgeschritten, welche zusätzlichen Hauptobjekte muß man
dann beachten?
A: Nach der Richtlinie für die
allgemeine Übung sollen die Objekte wie folgt beachtet werden:
1. Wissen: Im Sitzen note ‘heben/senken,’
während des Gehens note ‘rechter Schritt, linker Schritt’ oder ‘rechts geht so, links geht so.’ Die Übung jeweils dreißig Minuten lang
fortsetzen.
2. Wissen: Im Sitzen note ‘heben/senken/sitzen,’
beim Gehen note ‘aufheben, absetzen’ (2. Gang).
3. Wissen: Im Sitzen note ‘heben/senken/sitzen/berühren,’
beim Gehen note ‘aufheben, vorwärts bewegen, absetzen’ (3. Gang)
4. Wissen: Im Sitzen wird wie beim 3. Wissen
genotet, nur manchmal notet man beide Sitzknochen, rechts und links abwechselnd
bis das nächste ‘heben’ anfängt. Beim
Gehen note man vier Teile: ‘Ferse anheben, Fuß hochheben, vorwärts bewegen,
absetzen’ (4. Gang).
F: Welchen Sinn hat es, Absichten zu
noten? Wann soll man darauf achten?
A: ‘Absicht’ zu noten ist eine Übung für
Wachsamkeit. Es bedeutet, daß man beim Denken, Reden und Handeln unablässig
achtsam sein muß, um die Bewegungen des Geistes und des Körpers zu
beaufsichtigen: “ Was tust du in diesem
Moment gerade?” Diese Übung sollte begonnen werden, wenn
der Meditierende etwa sieben Tage geübt hat.
4.)
Wissen vom Entstehen und Vergehen
Dieses ‘Wissen
vom Entstehen und Vergehen’ (udayabbayanana) teilt sich auf in zwei Phasen,
eine schwache, das ‘schwache (taruna) Wissen vom Entstehen und Vergehen,’
und eine starke, das ‘starke (balava) Wissen vom Entstehen und Vergehen.’
Wenn der Übende das schwache Klarblickwissen erreicht hat,
treten die ‘zehn Verzerrungen des Klarblicks’ deutlich in Erscheinung
und können sehr stark werden.
Die
Verzerrungen des Klarblicks
1. Licht oder Glanz (obhasa) – Es
kann ein blaßes, weißes Licht sein, oder ein Lichtstrahl, ein strömendes Licht
oder Licht, das den ganzen Raum erhellt, sodaß man ihn bei geschlossenen Lidern
sehen kann.
2. Begeisterung (piti) – Reges Interesse,
intensive Anteilnahme, Verzückung. Davon gibt es fünf Grade:
1. Innere Ruhe (passaddhi) – Ein Gefühl
angenehmer Kühle macht sich im Körper breit. Man fühlt sich erfrischt, leicht
und geschmeidig, geistig und körperlich belastbar. Das Noten fällt leicht und
man ist zufrieden mit der Meditation. Aggressionen
werden besänftigt und man fühlt sich sediert wie vor dem Einschlafen. Das
Körpergefühl bietet keine Extreme. Wer zu Ärger neigt, wird durch diese
Geisteskraft friedlich und freundlich.
2. Glücksgefühl (sukha) – Man fühlt sich
entspannt, behaglich, und genießt die Meditation. Manche sagen, sie seien in ihrem
ganzen Leben noch nie so glücklich gewesen, sie möchten ihren Freunden und
Verwandten erzählen, wie gut es ihnen geht, oder sie sind dem Lehrer dankbar,
der ihnen geholfen hat, dies zu erreichen. Manchmal bleibt nur reiner, klarer Geist. Dann soll man noten: ‘klar, klar.’
3. Vertrauen (adhimokkha) – Der Übende hat
starke Zuversicht, bewundert den Lehrer und möchte ihn oft sehen. Man muß
noten: ‘vertrauen…,’ ‘hoch achten..’. Manche stellen sich vor, ihre
Eltern und Freunde zur Meditation zu überreden. Sie müssen noten: ‘denken…,
reden…’. Man ist
entschlossen, umfassend weiter zu üben.
4. Anstrengung (paggaha) – Selbst wenn es
dem Übenden, trotz aller Ermutigung durch den Lehrer, anfangs schwerfiel, die
Energie für die Praxis aufzubringen, ist er jetzt
voller Tatendrang und meditiert gewissenhaft und fleißig. Man hat
unerschöpfliche innerliche Kraft, sodaß die Übung nicht mehr ermüdet. Man ist entschlossen, bis zum Tode zu üben und steckt zuviel
Energie in die Übung, ist aber nicht immer klarbewußt und verliert daher oft
die Konzentration.
5. Achtsamkeit (upatthana) – Man hat das
Gefühl, alles noten zu können, die kleinsten Bewegungen werden beobachtet.
Manche machen sich einen Sport daraus, die Objekte zu jagen, oder abzuschießen, sie möchten noch mehr erleben, um
ihre Achtsamkeit schärfen zu können. Man genießt die Klarheit der Wahrnehmung
und das deutliche Erkennen der drei Merkmale. Das Exzessive an
dieser Achtsamkeit verführt dazu, daß man die Gegenwart nicht mehr notet und beginnt
über die Vergangenheit nachzudenken.
6. Wissen (nana) – Der Meditierende ist sich bewußt, daß er durch die Meditation ganz spezielles
Wissen erworben hat. Vor allem die fünf Bündel des Anhaftens kennt er gründlich
durch und durch. Vorher kamen ihm die drei Merkmale abstrakt und schwer faßbar
vor, aber jetzt erkennt er ganz klar, daß die Anfangs-, die mittlere und die
End-Phase aller Phänomene, die er notet, die drei
Merkmale besitzen. Dieses Wissen führt oft zu Gedanken, sodaß man das
gegenwärtige Objekt verliert, oder man beginnt, die
Beobachtungen zu kommentieren statt sie zu noten.
7. Gleichmut (upekkha) – Der Übende fühlt
sich völlig losgelöst und unbeeinflußt, ohne die geringsten Sorgen und andere
Belange. Man ist weder froh noch enttäuscht über die Erlebnisse;
dieser Gleichmut führt aber zu allgemeinen Desinteresse, man notet nicht mehr,
und der Geist fängt an, äußeren Objekten zu folgen. Oder der Geist wird
gleichgültig und unachtsam, ohne an etwas zu denken. Dann wird das Heben/Senken
unklar.
8. Anhaften (nikkanti) – Die neun bisher
beschriebenen Phänomene – Licht,
Begeisterung, Ruhe, Glück, Vertrauen, Energie, Achtsamkeit, Wissen, Gleichmut – werden zu Verzerrungen des
Klarblicks wegen dieses zehnten: dem Anhaften, der Befriedigung, dem Genuß
dieser Nebenerscheinungen der Entwicklung des Geistes. In sich selbst sind diese Geisteskräfte natürliche Merkmale des gesammelten
Geistes und als solche förderlich für die weitere Entwicklung, aber aufgrund
des Anhaftens mißversteht man die Erlebnisse und vergißt sie zu noten. Man
glaubt, dies seien zuverlässige, dauerhafte Zustände und hält sie für den
Gipfel der Entwicklung. Das Anhaften verdirbt ihre Art aber und macht sie zu
Hindernissen.
Vier
Arten der Selbstvergessenheit
Einige der
Verzerrungen des Klarblicks können so stark werden, daß sie die Achtsamkeit
überwältigen, sodaß man sich verliert. Es gibt vier Ursachen, wenn man in der
Meditation die klare Bewußtheit verliert und sich selbst vergißt, drei davon sind Verzerrungen des Klarblicks.
Wenn man
die Erfahrung gemacht hat, sich in der Meditation zu verlieren, sodaß man nicht
mehr weiß, wo man war oder was man erlebt hat, dann
sollte man versuchen herauszufinden, woran das gelegen hat. Es kann zum
Beispiel so vor sich gehen, daß man ‘heben/ senken’ eine lange Zeit notet, aber dann den Faden verliert und
schlaftrunken da sitzt, weil Energie und Konzentration nicht ausgeglichen sind.
Energie ist schwach, und Konzentration ist zu stark,
bis man schließlich alles vergißt. Das zeigt, wie das Hindernis Trägheit (tinha-middha)
die Achtsamkeit verdrängt.
Was fast
alle Meditierenden kennenlernen, ist Selbstvergessen
durch Begeisterung (piti). Man notet ‘heben ’ und ‘
senken’ eine
zeitlang kontinuierlich, und dann hat man einen plötzlichen Aussetzer, verliert
sich momentan und zuckt zusammen. Diese Unterbrechung der
Bewußtseinskontinuität (santati) wird verursacht von Begeisterung.
Es kann
auch sein, daß man sich sehr ruhig fühlt, kühle und reine Empfindungen den
Körper durchziehen, als säße man auf einem Eisblock.
Diese angenehme Kühle macht unaufmerksam, bis man sich
selbst vergißt. Dann kommt man wieder zurück, notet weiter,
aber verliert sich wieder. Das zeigt Vergessenheit aufgrund
von Ruhe.
Die letzte
Art der Selbstvergessenheit geht auch von einem Gefühl der Gleichgültigkeit
aus: Man ist nicht wirklich aufmerksam und ruhig,
sondern läßt sich in das Gefühl sinken und wird geistig immer stumpfer, bis man
fast ohnmächtig ist. Dann verliert man sich. Diese
Art, die Bewußtheit zu verlieren, ist von Gleichmut
(upekkha) verursacht.
Diese vier
Arten der Selbstvergessenheit sind gar nicht gut. Sie sind ein falscher, ein künstlicher Weg. Wenn der
Meditierende solche Erlebnisse hat und stolz darauf ist,
oder sie mit Befriedigung annimmt, wird er sich daran gewöhnen, solche Zustände
immer wieder zu erleben. Er kann dann keine weiteren Fortschritte machen, und
die wirkliche Überwindung des illusorischen Ego durch den edlen Pfad bleibt ihm
versperrt. Zumindest ist dies die Schuld des Lehrers.
Der Lehrer ist nämlich verpflichtet, den Meditierenden
genau aufzuklären, was er da erlebt, und was er tun muß, um das geistige
Gleichgewicht herbeizuführen.
Wenn der
Lehrer ihm die Anweisung gibt, nicht an diesen
Objekten anzuhaften, sie nicht festzuhalten, dann muß der Übende die
Achtsamkeit auf die Gegenwart richten, sodaß er das Entstehen und Vergehen
dieser Phänomene wahrnimmt. Solange man sich in der schwachen Phase des ‘Wissens
vom Entstehen und Vergehen’ befindet, werden die Bilder, Körperempfindungen
und Geisteszustände, die aus der Entfaltung meditativer Geisteskräfte
resultieren, nur langsam verschwinden, wenn man sie notet; sie verblassen
allmählich oder werden nach und nach weniger. Aber wenn der Klarblick das ‘starke
Wissen vom Entstehen und Vergehen’ erreicht hat, und notet irgendein
Phänomen, dann verschwindet es sofort, manchmal zerfallen die Erlebnisse
förmlich aufgrund der Anwendung von Achtsamkeit, oder sie lösen sich in nichts
auf. Dann wird das Entstehen und Vergehen sehr deutlich und
umfassend erkannt. Es ist echter, reiner
Klarblick, der in den folgenden Schritten des Klarblickwissens weiter vertieft
und verfeinert wird.
DER
KLARBLICK-PFAD
Die
starken Klarblickschritte
Die
Entwicklung in den ersten drei Klarblickwissen und dem schwachen ‘Wissen vom
Entstehen und Vergehen’ wird der ‘vorbereitende Pfad’ genannt, weil
die Objekte der Meditation noch nicht gründlich erforscht und verstanden worden
sind. Wenn man anfängt, Achtsamkeit zu üben, erkennt man nur, daß der Geist undiszipliniert,
chaotisch und auf die Wirklichkeit nicht vorbereitet ist.
Es gibt viele Unterbrechungen der Achtsamkeit, man träumt oft
und merkt es erst später. Die Objekte, die man betrachten soll,
erscheinen zumeist unklar, formlos, ungreifbar. Deshalb beginnt der Geist,
gewohnte Vorstellungen auf die Objekte zu projizieren
und konzentriert sich mehr darauf als auf die eigentlichen Empfindungen.
Wenn die
Konzentration besser wird, kann man das gegenwärtige Objekt manchmal unbefangen
so sehen wie es ist; man beachtet nur die erlebten Merkmale des Hebens
und Senkens der Bauchdecke, oder der Bewegung der Füße, ohne eine
Vorstellung der anatomischen Form dieser Objekte zu visualisieren. Dann taucht das erste Klarblickwissen auf. Es kann die
realen materiellen Phänomene, die man erlebt, anhand ihrer spezifischen
Merkmale unterscheiden und stellt auch fest, daß Geisteszustände mit eigenen
Merkmalen die Abfolge der körperlichen Objekte begleiten. Der Meditierende kann
in der Betrachtung aber noch nicht erkennen, wie die Erlebnisse zustandekommen.
Das zweite Wissen eröffnet dem Übenden den Einblick in die bedingte
Entstehung von Geist und Körper. Die Achtsamkeit kann jetzt länger die wechselnden Objekte
anhand ihrer besonderen Merkmale erkennen. Die drei allgemeinen Merkmale aller
bedingten Phänomene werden jedoch noch nicht sehr klar erfaßt, weil man vorwiegend damit beschäftigt ist, die
unterschiedlichen Elemente des Erlebens in der Gegenwart korrekt zu
identifizieren.
Erst wenn das dritte Wissen sich bemerkbar macht, gewinnt man ein
Verständnis für die allgemeinen Merkmale von Geist und Körper. Jedesmal, wenn die Achtsamkeit das
gegenwärtige Objekt an seiner Eigenart erkennt, stellt
man fest, daß es vergänglich ist, daß es auftaucht, eine Reaktion im Geist
auslöst und dann sogleich verschwindet, bevor irgendetwas daraus werden kann.
Das ist nichts, was man sich wünschen würde, es ist
unbefriedigend. Aber die Elemente von Geist und Körper folgen ihrer Natur und
entstehen in Abhängigkeit von Bedingungen, die nicht zu kontrollieren sind. Sie haben keine echte Substanz, sind
flüchtige Erscheinungen, die dem Übenden die Vorstellung von Leere nahebringen.
Das ist das Merkmal ‘kein Selbst.’
Die drei
Merkmale werden also erst im Laufe der Übung als reale
Aspekte des Erlebens entdeckt, wenn man das gegenwärtige Objekt mit mehr
Kontinuität noten kann. Das Verständnis bleibt aber zunächst auf die
materiellen Objekte beschränkt. Geisteszustände, Emotionen und besonders die
meditativen Geisteskräfte, die in der Übung entstehen, werden noch nicht so
distanziert betrachtet, daß man sie als unpersönliche
Erzeugnisse der Natur sehen kann. Man identifiziert sich mit ihnen, haftet an
ihnen in dem Glauben, sie seien die eigene Persönlichkeit und man brauche sie
deshalb nicht zu noten.
Erst wenn
in der Übung die Verzerrungen des Klarblicks durch achtsames Noten abgelegt
werden, können auch diese subtilen Geisteszustände ganz unpersönlich betrachtet
werden wie alles andere: als bedingte Phänomene, die
nur die allgemeinen Merkmale erkennen lassen.
Beginnend
mit dem starken ‘Wissen vom Entstehen und Vergehen,’ werden die
allgemeinen Merkmale der bedingten Phänomene kontinuierlich zum Objekt der
Konzentration. Jedesmal, wenn man etwas notet, macht der Geist den Versuch,
dieses Phänomen vollständig zu verstehen, und die Konzentration entwickelt sich
durch vier Stufen:
Vorbereitung (parikamma). Achtsamkeit identifiziert die spezifischen Merkmale (sabhava
lakkhana) des Objekts und benennt es.
Zugang (upacara). Anhand der spezifischen Merkmale beobachtet
Achtsamkeit die absolute Wirklichkeit des gegenwärtigen Objekts und wird
dadurch der drei allgemeinen Merkmale (samanna lakkhana) gewahr;
Vergänglichkeit, Leidhaftigkeit und Substanzlosigkeit.
Aufstieg (anuloma). Die Wahrnehmung der drei Merkmale wird zum Sprungbrett, um eine
lebhafte Intuition der vier edlen Wahrheiten zu erreichen. Um
diese Funktion zu erfüllen, wird aber volle Konzentration gebraucht.
Abstieg (patiloma). Solange die Konzentration des Meditierenden noch keine
Vertiefungsstärke erreicht hat, bleibt es bei dem Versuch der Durchdringung der
Wahrheiten, und der Geist fällt zurück auf das unbewußte Kontinuum.
Nachdem
die Verzerrungen des Klarblicks überwunden sind,
kommen die geistigen Kräfte (indriya) ins Gleichgewicht. Der weitere
Fortschritt durch die starken Klarblickwissen beruht ausschließlich auf der
kontinuierlichen Arbeit an der Vervollkommnung der
Erkenntnis, die mit dem vierten Wissen einsetzt. Während der ‘vorbereitende
Pfad’ noch Schwankungen im Verständnis der Objekte zeigt, und der
Meditierende manchmal unsicher wird, was das Ziel der Meditation betrifft, so
geht es auf dem ‘Pfad des Klarblicks’ darum, durch die unabläßige
Bewahrung des gegenwärtigen Objekts die latenten Neigungen des Geistes und die
damit verbundenen konditionierten Verhaltensmuster zu schwächen, bis sie
endgültig ihre Macht verlieren und den Weg freigeben für die Verwirklichung von
Nibbana. Wenn die Konzentration volle Stärke erreicht, entwickelt sie
sich im Moment des Notens nach Vorbereitung, Zugang und Aufstieg
weiter zur Vertiefung mit den Phasen Reifung, Pfad und Frucht (gotrabhu,
magga, phala).
5.)
Wissen der Auflösung
Wenn der
Meditierende das Gleichgewicht der Geisteskräfte gefunden hat, kann Achtsamkeit
das gegenwärtige Objekt mit größerer Genauigkeit erfassen und nimmt das ‘Entstehen
und Vergehen’ von Geist und Körper wahr, wie es
wirklich ist. Die drei Merkmale zeigen sich in allen
Phänomenen. Die Meditation schreitet ungehindert fort, ohne daß der Übende
irgendeiner Schwierigkeit begegnet.
Danach beschleunigt sich das noten auf einmal. Sogar das Heben und Senken der
Bauchdecke entsteht und vergeht schneller als zuvor.
Später realisiert man nur noch das Verschwinden aller Objekte, und die
Geschwindigkeit mit der die einzelnen Eindrücke sich auflösen. Manchmal muß man ‘wissen, wissen’ noten, um sich nicht zu
verheddern. Manche Leute finden, daß die Objekte nicht mehr klar sind, oder daß sie in dem Moment verschwinden, wo sie erlebt
werden: die Objekte verschwinden zusammen mit dem notenden Geist. Während der
Gehmeditation nimmt diese Erfahrung die Form jäher, ruckartiger Erkenntnis an:
Kaum hat man genotet, da verschwinden Geist und Körper, als
wären sie von jemandem weggenommen worden. Im Sitzen fühlt man sich bisweilen leer;
man weiß nicht recht, was man überhaupt noten soll. Man fühlt sich entmutigt, weil die Objekte nicht mehr so klar sind wie früher. Kaum
hat man etwas genotet, da löst es sich in nichts auf. Es kommt einem schwierig
vor, diese undeutlichen Eindrücke zu noten, die mit halsbrecherischem Tempo im
Nichts verschwinden, oder man kann sie nicht mit der
gewohnten Sicherheit noten, weil das, was man notet, nur noch anhand des
Verschwindens bemerkt wird. Dann hat der Übende das
‘Wissen der
Auflösung’ (bhanga-nana) erreicht.
6.)
Wissen der Furcht
Wenn man
den sechsten Klarblickschritt, ‘Wissen der Furcht’ (bhaya-nana) erreicht
hat, hängen die Objekte und die notenden Geisteszustände noch enger zusammen
und verlöschen immer gemeinsam. Weil die Objekte und auch der Geist immer
wieder verschwinden, bekommt man Angst. Diese Furcht ist
anders als die Furcht vor gewalttätigen Menschen, wilden Tieren oder
schrecklichen Waffen. Man fürchtet sich und kann nicht sagen, wovor man
sich eigentlich fürchtet. Manche Leute noten die Geist-Körper-Verbindung und
sehen sie jedesmal verschwinden, und die Angst wird von Mal zu Mal stärker. Bei
anderen wird die Konzentration sehr stark; plötzlich ist
der Körper weg und sie haben Angst. Die Eigenart dieses Klarblickwissens
entsteht aus der Wahrnehmung der Auflösung, die mit dem fünften Wissen
einsetzt.
7.)
Wissen des Elends
Wenn
dieses Wissen auftaucht, hat der Übende den Eindruck, daß alles, was er notet,
elend, erbärmlich und ungenügend ist. Auch das Heben
und Senken der Bauchdecke werden als völlig
unzureichend und elend gesehen, als eine bedrückende Last, als krank oder
zwanghaft. Man hat das Gefühl, es wäre besser, es gäbe nichts mehr zu noten.
Die Objekte der sechs Sinne und alles Gestaltete kommen einem miserabel und
wertlos vor. Dies ist das ‘Wissen des Elends’
(adinava-nana).
8.)
Wissen des Überdrußes
Manche
Übende sagen, sie könnten gut noten, aber sie fühlen sich verzweifelt,
erschöpft, als wären sie lustlos bei der Sache. Obwohl sie weiter meditieren, fühlen sie sich gar nicht wohl.
Manche betrachten alles, was sie sehen, als abstoßend,
bei anderen entsteht beim Meditieren ein Gefühl von Trostlosigkeit. Aber sie
haben nicht einmal den Wunsch, mit jemanden zu sprechen. Sie
bleiben nur in ihrem Zimmer. Einige reflektieren über die verschiedenen
Ebenen der Wiedergeburt und finden nirgendwo eine Zuflucht. Selbst eine
Existenz als Deva oder als Brahma finden sie
schrecklich langweilig und unattraktiv. Der Überdruß in der Betrachtung von
Geist-und-Körper entwickelt sich ganz allmählich beginnend mit dem vierten
Wissen, bis man dieses achte Wissen erreicht: ‘Wissen, das Geist und Körper
mit Überdruß betrachtet’ (nibbida-nana).
9.)
Wissen des Verlangens nach Befreiung
Wenn der
Meditierende die Übung fortsetzt, wird er Moskitostiche und Ameisenbisse
spüren, oder kleine Insekten scheinen auf dem Körper
zu krabbeln. Man empfindet wieder häufiger Juckreiz an
vielen Stellen. Manche können nicht mehr ruhig sitzen.
Sie werden ganz unruhig. Zuerst wollen sie sitzen,
aber dann finden sie das Sitzen unerträglich und stehen wieder auf, als wollten sie weggehen. Sie finden keine
Ruhe. Einige denken, daß es in der ganzen Welt keinen
guten Ort gibt und nirgends etwas Gutes zu finden sei. Der Geist hat nur
einen Wunsch: Still werden, zur Ruhe kommen, um das Verlöschen (nibbana)
zu erreichen.
Manche Leute haben genug von allem und möchten nicht mehr noten. Sie packen ihre
Sachen zusammen und wollen aufhören. Die bedingten Phänomene zerfallen
andauernd zu nichts, jedesmal, wenn man die Achtsamkeit auf sie richtet. Also
findet man nichts Erfreuliches mehr, nichts, was man genießen oder was einen zufrieden stellen könnte, und nichts, was
sich lohnen würde, daran zu haften. Der Meditierende möchte sich befreien von
den Gestaltungen von Körper und Geist, er möchte ihnen entkommen. Wissen mit diesen Anzeichen heißt ‘Wissen
des Verlangens nach Befreiung’ (muncitu-kamyata-nana).
10.)
Wissen der großen Bemühung
Der
Meditierende stellt fest, daß die Objekte, die er notet, immer verschwinden.
Sie lösen sich so rasch auf, daß er nichts Dauerndes, Zuverläßiges oder Haltbares finden kann. Er findet nur Phänomene, die mit
den drei Merkmalen ausgestattet sind: vergänglich,
bedrückend und wesenlos. Diese drei Merkmale treten immer deutlicher zutage und
beeindrucken die Achtsamkeit viel mehr als alle
spezifischen Merkmale der individuellen Erlebnisse. In der Sitzmeditation
fühlen manche, daß die Hände oder Füße ungewöhnlich
schwer sind und gleichzeitig vibrieren, als wären sie elektrisch geladen.
Manche Leute haben juckende Empfindungen. Später dann sind
die Hände, die Füße oder der Körper verspannt und schwer. Einige hören klagende
Geräusche im Ohr, als würde der Wind durch eine
Öffnung heulen. Das Geräusch stört sie; es ist sehr
unangenehm und sie wünschen, ihm zu entgehen. Heben und Senken sind gut zu noten, und man sieht sie Moment für Moment
auftauchen und verschwinden. Manchmal hat man ein Gefühl der
Brustkorbenge. Das kann soweit gehen, daß der Atem
behindert wird. Dieses Wissen bildet den Ausgangspunkt für die höheren
Wissensstufen, die mit dem überweltlichen Pfad verbunden sind.
Es ist das ‘Wissen der Großen Bemühung’
(patisankha-nana), oder der wiederholten Betrachtung, um das Ziel des
geistigen Weges zu erreichen, Nibbana, das Element der Wirklichkeit, das
die Flammen des Leidens löschen kann.
11.)
Wissen des Gleichmuts vor Gebilden
Der Übende
wird sagen, daß er nicht weiß, ob seine Meditation gut läuft oder
nicht. Dabei macht er in Wahrheit täglich Fortschritte.
Das ist aber kein Wiederspruch, denn auf der Basis eines starken neutralen
Gefühls (adukkham-asukha-vedana), wie es sich im elften Wissen
entwickelt, trifft der Meditierende keine Werturteile mehr. Obwohl er nicht
sagen würde, daß es schlecht läuft, heißt das nicht, daß er die Meditation gut
findet. Früher hatte er die Meditation immer als gut
oder schlecht bezeichnet – und auch empfunden – aber jetzt weiß er selbst nicht
mehr, ob sie gut oder schlecht ist. Und das ist ein
sicheres Anzeichen, daß er wirklich das elfte Wissen erreicht hat.
In der
Meditation fühlt man sich leichter und wendiger, man notet zügiger und
direkter, intelligenter als vorher. Im Sitzen und im
Liegen kann man die Betrachtung in entspannter Verfassung ausführen, ohne sich
anzustrengen; wie ein guter Fahrer in einem guten Wagen auf guter Straße.
Manche
sagen, sie können erstaunlich lange sitzen, ohne die
geringsten Schmerzgefühle oder andere Belastungen. Egal,
welche Sitzhaltung sie auch einnehmen, sie fühlen sich darin wohl. Das
Noten geht auch problemlos – synchron mit den aufsteigenden Erlebnissen. Sie brauchen den Geist nicht mühsam zu dirigieren, sondern richten
einfach die Achtsamkeit auf das gegenwärtige Objekt, und alles Weitere kann für
sich selbst sorgen.
In dieser Phase der Entwicklung denkt der Geist nicht mehr. Vielleicht möchte der Meditierende
über etwas nachdenken, aber der Geist fängt nicht damit an, sondern bleibt
weiter beim Heben und Senken der Bauchdecke, und geht nicht mehr
von dort weg. Die auftauchenden Absichten werden mit
Gleichmut zur Kenntnis genommen und verlöschen wie alles andere ohne Wellen zu
schlagen, ohne Wirkung zu zeigen. Dann muß der Übende manches Mal mit Weisheit
entscheiden, was er zu tun hat, und muß die Absicht durch bewußten Willensentschluß
gültig machen, dann wird er alles Nötige zur richtigen Zeit auch tun.
In
früheren Wissensschritten bewegte sich der Geist oft im Körper umher und notete
Berührungsobjekte, die er dort fand; das ist jetzt
vorbei. Der Geist bleibt beim Heben/Senken, er vermißt die Vielfalt
nicht und ist nicht neugierig auf das gegenwärtige
Objekt. ‘Heben’ und ‘senken ’ werden unterdessen allmählich immer
feiner, gleichmäßiger, wie gut gekneteter Teig. Aber egal, wie fein die
Bewegung auch wird, man kann sie immer gut wahrnehmen und noten. Das ist die Praxis des echten ‘Mittleren Weges.’ Man
nennt sie ‘ Wissen des Gleichmuts vor Gebilden’
(sankharupekkha-nana).
Sechs
Eigenschaften des Gleichmuts vor Gebilden (sankharupekkha)
1. Abwesenheit von
Furcht, Erwartung, Überschwang - in Bezug auf alle Objekte von Geist und
Körper.
2. Abwesenheit von
Übereifer und Anstrengung.
3. Abwesenheit von
Schwierigkeiten wie Schmerz.
4. Abwesenheit von
Haltungswechseln.
5. Abwesenheit von
spontanen Objektwechseln.
6. Zunehmende Feinheit -
von Objekt und notendem Geist.
Tauchen
diese Eigenschaften auf, wenn der Übende in gerader Folge durch die
aufsteigenden Schritte des Klarblicks geübt hat – angefangen vom ‘Analytischen
Wissen von Geist und Körper’ über das starke ‘Wissen vom Enstehen und
Vergehen’ – dann ist es sicher, daß er jetzt das ‘Wissen des Gleichmuts
vor Gebilden’ (sankharupekkha-nana) erreicht hat.
Wenn das ‘Wissen des Gleichmuts vor Gebilden’ zum ersten Mal auftaucht, sind diese Eigenschaften aber noch nicht hervorstechend. Man
muß es pflegen und entwickeln, bis der Gleichmut (upekkha) stark, fest
und unerschütterlich wird. Da die Stärke der
individuellen meditativen Entwicklung hier maßgeblich wird, kann das für manche
Leute viel Zeit beanspruchen und beharrliche Bemühung bedeuten. Wenn das ‘Wissen
des Gleichmuts’ schnell stark wird, dann hat es diese Stärke vom starken
vierten Wissen. Da werden die drei allgemeinen Merkmale – vergänglich,
leidhaft, kein Selbst – zum führenden Objekt der Konzentration. Wurden sie
klar und stark aufgefaßt, dann geht auch der Aufstieg durch die starken
Klarblickwissen rasch und deutlich, und der Gleichmut festigt sich bald,
nachdem er aufgetaucht ist.
Wenn der
Meditierende das vierte Wissen mit weniger Schub – also mit weniger
ausgeprägter Auffassung der drei Merkmale – erreicht hat, treten auch die
starken Klarblickwissen weniger deutlicher auf. Einzelne sind
für den Meditierenden nicht klar auf die Wahrnehmung der drei Merkmale
zurückzuführen. Wenn man dann den ‘Gleichmut vor Gebilden’ erreicht,
wird die Konzentration nur wenige Stunden stark bleiben. Man verliert sie immer
wieder und hat Erlebnisse des neunten und zehnten Wissens. Dann muß man mit
Beharrlichkeit die Konzentration aufbauen, indem man diese Erlebnisse richtig
notet. Dadurch wird man Experte in den höheren Stufen des
Klarblickpfades und im Eintreten in den Gleichmut und entwickelt so die
Stärke der Konzentration, bis man den Gleichmut nicht mehr verliert. Dies kann
man verdeutlichen durch den Vergleich mit der Krähe im Ausguck –
In früherer Zeit nahm der Kapitän eines Schiffs immer eine Krähe im
Käfig mit, wenn er auf See ging. Damals war der Kompaß nämlich noch nicht erfunden. Auf
hoher See, außer Sicht des Landes, mußte man sich nach Sonne, Mond und Sternen
richten.
Wenn dann
ein Sturm aufkam, und der Himmel hing bedeckt mit dräuenden Wolken und
regenverhangen über dem Schiff, das in der windgepeitschten See rollte, dann
gab es keine Navigationshilfen mehr. Das Schiff lief Gefahr, den Kurs zu
verlieren, und die Mannschaft wußte nicht, wie sie den Kurs halten sollte.
Unter solchen Witterungsbedingungen nahm der Kapitän – wollte er herausfinden,
in welcher
Wenn die
Krähe frei war, flog sie zuerst auf den Mast und hockte sich auf den Mastkorb,
um von da Ausschau nach Land zu halten. Wenn sie kein Land sehen konnte, flog
sie vom Ausguck hoch in die Luft, um weiter sehen zu
können. Wenn sie immer noch kein Land sah, ließ sie sich wieder auf dem
Mastkorb nieder, um zu rasten. Später nahm sie ihre ganze Kraft zusammen, stieg
noch höher auf und prüfte die Richtungen erneut. Konnte sie
auch jetzt noch
Das
schwache ‘Wissen des Gleichmuts’ ist wie die Krähe im Ausguck. Wenn man
sich in der Übung angestrengt hat, bis das ‘Wissen des Gleichmuts’
auftaucht, aber es ist nicht stark genug, um sich in wenigen Stunden bis zur
Vertiefungskonzentration zu festigen, dann geht das Wissen immer hin und her,
vom ‘Wissen des Verlangens nach Befreiung’ zum ‘Wissen der großen
Bemühung’ und dem schwachen ‘Wissen des Gleichmuts.’ Der Grund liegt
in der schwächeren Kraft der Intuition, mit der die drei Merkmale beim
Noten jedesmal von den spezifischen Merkmalen abgeleitet werden. Diese
Schwäche besteht seit dem vierten Wissen und bildet jetzt die letzte Stufe der
Hindernisse, weil die Konzentration nicht lange genug
anhält, um die nötige Stärke zu bekommen für den edlen Pfad.
Möglicherweise fehlt dem Übenden auch die Fähigkeit zu weiterem Fortschritt, oder er mag gehindert sein durch ein besonderes kamma,
das erst geklärt werden muß.
Im
allgemeinen entstehen die Hindernisse dieser Stufe durch Gedanken und
Stimmungen, Objekte also, die auf dem Gebiet der ‘Betrachtung des Geistes’
(cittanupassana)
liegen: unvernünftige Sorgen, Aufregung und Vorahnungen können den Verlust des
Gleichmuts bedeuten. Daher muß der Meditierende den folgenden Objekten
besondere Aufmerksamkeit zuwenden –
1. Körperliche
Schmerzen –
Man wird feststellen, daß auch stechende, scherende Schmerzen, die bisweilen
auftreten, verschwinden, wenn sie entschieden genotet werden.
2. Geistiges Gefühl – Glück, Wonne, Erwartung,
Enttäuschung, und Ähnliches. Da diese Gefühle Aufregung erzeugen, wenn sie
nicht genotet werden, muß man sie kräftig noten, wenn man sie erlebt, um die
wahre Natur des geistigen Gefühls zu erkennen.
Manchmal fühlt man sich sehr
losgelöst und beginnt dann, sich Sorgen zu machen. Das kommt, weil
man nicht daran gewöhnt ist, neutrales Gefühl so klar und deutlich zu erleben. Jeder Wechsel der Gefühle muß sofort anerkannt und genotet werden.
3. Gedanken – Urteile und Schlußfolgerungen,
die in der Betrachtung auftreten können. Diese sind
nur geistige Objekte, die entstehen und vergehen, sie haben keine Substanz und
helfen nicht, die Wirklichkeit zu sehen. Wenn man sie nicht notet, denkt man: “Das
bin ich, der denkt.” Dann verfängt man sich in den nachfolgenden
Stimmungen.
Wenn der
Übende die Achtsamkeit gewissenhaft auf alle geistigen Objekte anwendet, dann
schafft er dadurch eine breite Basis für Gleichmut, und er wird dann verstehen,
daß alle Gedanken durch Bedingungen hervorgerufen werden, sie sind nicht wichtig und haben nichts mit ihm zu tun. Dann
wird der Geist aufhören, auf die verschiedenen Gedanken einzugehen, er bleibt
von ihnen unberührt und zieht sich darauf zurück, Aufstieg und Zerfall aller
Objekte in der Gegenwart zu bezeugen, ohne Unterscheidungen zu treffen. In
dieser Weise werden die sechs Eigenschaften des ‘Gleichmuts vor Gebilden’ offenbar.
DER
ÜBERWELTLICHE PFAD
Klarblick
der zum Entrinnen führt
Wenn das ‘Wissen
des Gleichmuts vor Gebilden’ stark und anhaltend wird, erreicht der
Meditierende den Höhepunkt des Klarblickpfades, den ‘Klarblick, der zum
Entrinnen führt’ (vutthana-gamini-vipassana). An
diesem Punkt der Entwicklung wird eines der drei allgemeinen Merkmale – Vergänglichkeit,
Erst jetzt sieht man wirklich, wie man den bedingten Phänomenen entgehen
kann. Man
versteht der Wahrheit entsprechend den Weg, den Buddha gelehrt hat, und nachdem
die Unklarheit sich aufgelöst hat, wird der Geist den als richtig erkannten Weg
auch unverzüglich gehen. Dies ist der notwendige
Auslöser für den unmittelbar folgenden Bewußtseinsprozeß des edlen Pfades, der
die fünf restlichen Wissensschritte in sich vereinigt. Der Pfadprozeß wird
bezeichnet nach demjenigen der drei Merkmale, das zu seinem Auftauchen geführt
hat –
1. Wenn der Geist ‘Vergänglichkeit’ betrachtet, entwickelt er die
Vorstellung ‘kein Bild’ und erreicht die ‘Bildlose Befreiung.’
2. Wenn der Geist ‘Leidhaftigkeit’
betrachtet, entwickelt er die Vorstellung ‘kein Verlangen’ und erreicht
die ‘Wunschlose Befreiung.’
3. Wenn der Geist ‘Substanzlosigkeit’ betrachtet, entwickelt er die Vorstellung ‘kein
Selbst’ und erreicht die ‘Leere Befreiung.’
12.)
Wissen der Anpassung
Das ‘Wissen
der Anpassung’ (anuloma-nana) ist der zwölfte
Schritt des Klarblickwissens. Es ist der letzte Akt
des Bemerkens im ‘Klarblick, der zum Entrinnen führt’ und zugleich der
erste Wissensschritt im Bewußtseinsprozeß des edlen überweltlichen Pfades.
Dieses Wissen entwickelt die an überweltliche Vertiefung angrenzende Sammlung (lokuttara
upacara-samadhi) der momentanen Konzentration und hat als
Objekt das Entstehen und Vergehen der fünf Bündel des Anhaftens.
Das
‘Wissen der Anpassung’ betrachtet die Wirklichkeit in Übereinstimmung mit den
vier edlen Wahrheiten. Die fünf Bündel des Anhaftens sind
die beiden ersten Wahrheiten: Das Leiden und das Verlangen danach, welches den
Geist darin gefangen hält. Die Wahrheit des Verlöschens steht diesem Wissen
durch die momentane Auflösung von Körper und Geist deutlich vor Augen, ohne
aber als Objekt erfasst zu werden. Der Weg zu dieser
Erfassung des Verlöschens in Abwesenheit der fünf Bündel ist
der Weg der Entwicklung des Klarblickwissens, der hier kulminiert.
Das
Bewußtsein, das von den sechs Sinnen herrührt, wird durch Kontakt zwischen
Sinnesorganen und ihren Objekten provoziert, aber unsere Bewußtheit entwickelt
sich vom Punkt des Kontaktes an in mehreren Schritten, bevor der Akt des
Wissens vollständig abgeschlossen ist. Dann sinkt der Geist
auf das unbewußte Lebenskontinuum zurück. Kann dieser
Prozeß aus irgendwelchen Gründen nicht vollständig ablaufen, dann haben wir
kein klares Bewußtsein eines Objekts und wissen deshalb gar nichts von diesem
Kontakt.
Auch in
jedem Bewußtseinsprozeß, der von Achtsamkeit begleitet wird, also jedesmal,
wenn man das gegenwärtige Objekt notet, entwickelt sich die Bewußtheit in
mehreren Schritten, bevor der Akt des Wissens abgeschlossen ist. Wie man das
gegenwärtige Objekt mit Achtsamkeit wahrnimmt, ist
davon abhängig, wie stark seine charakteristischen Merkmale erfasst werden. Die
befinden sich auf der Ebene absoluter Realität. Sie wahrzunehmen bedeutet, die
gewohnten Vorstellungen von ‘Dingen’ und
‘Wesen’ als
Objekte der Achtsamkeit zu verlieren und sie einzutauschen gegen die formlosen,
ständig in Veränderung befindlichen Elemente der bloßen Sinneserlebnisse. Die
unmittelbaren Erlebnisse sind aber das ‘vorbereitende
Objekt’ (parikamma nimitta) für momentane Konzentration.
Wenn nach
dem Beginn der Meditation die ‘Reinheit des
Geistes’ eintritt, kann man die beiden Phasen der Bewegung des Hauptobjekts
deutlich anhand der Körperempfindung unterscheiden. Die festumrissene
Begrenzung der Objekte fordert die Achtsamkeit heraus, zu erforschen, was an den Grenzen geschieht und was zwischen den Grenzen liegt.
An diesem Punkt der Entwicklung beginnt der ‘vorbereitende Pfad’ mit den
ersten drei Klarblickwissen, die das jeweils anwesende Objekt in seinen
Aspekten ‘Entstehen,’ ‘Dauer,’ und ‘Auflösung’ untersuchen.
Der vierte
Schritt des Klarblicks bringt eine Veränderung des Klarblickobjekts mit sich,
indem man die sich ständig ablösenden Sinneseindrücke nicht mehr nur anhand
ihrer eigenen Merkmale betrachtet, sondern sie jetzt als Repräsentanten der drei
allgemeinen Merkmale auffasst. Diese sind das ‘aufgefasste
Bild’ (uggaha nimitta), das momentane Konzentration sich aneignet, wenn sie
die Stärke der weltlichen angrenzenden Sammlung (upacara samadhi) aus
der Konzentrationsübung erreicht hat. Es beginnt hier die Reihe der starken
Klarblickwissen, die alle anhand der gegenwärtig anwesenden
Geist-Körper-Verbindung von Moment zu Moment immer nur die drei Merkmale als
Objekte des Wissens haben. Von diesem Punkt der Entwicklung an treten in jedem
meditativ geprägten Bewußtseinsprozeß – jedesmal, wenn man notet – die vier
Funktionen der Konzentration auf: ‘Vorbereitung, Zugang, Aufstieg, Abstieg’
(parikamma, upacara, anuloma, patiloma). Der anuloma-Moment (Aufstieg,
Anpassung) hat die Funktion, die drei Merkmale zu erfassen. ‘Abstieg’ findet statt, weil die
Anpassung des Wissens an die vier edlen Wahrheiten nicht stark genug ist,
Vertiefungskonzentration (appana samadhi) zu erzeugen.
Im Verlauf
des Fortschritts durch die starken Klarblickwissen wird das Verständnis und die
Wahrnehmung der drei Merkmale geschärft, und der ‘Aufstieg’-Moment wird
immer stärker. Wenn der Meditierende das ‘Wissen des Gleichmuts’
erreicht hat und sich beständig bemüht, den Gleichmut zu vervollkommnen, dann,
so heißt es, wird sein Vertrauen furchtlos, seine Energie unerschöpflich, seine
Achtsamkeit fest eingerichtet, seine Konzentration geradlinig und sein
Gleichmut unerschütterlich. Dann wird ihm bewußt werden, daß das Pfadwissen
sich anbahnt, und sein ‘Wissen des Gleichmuts’ betrachtet alle Gebilde
als vergänglich, leidhaft und nicht Selbst. Jetzt geht der Bewußtseinsprozeß
weiter bis zur Vertiefung: Nach ‘Vorbereitung’
und ‘Zugang’ folgen ‘Anpassung’ und ‘Reife’ (parikamma, upacara,
anuloma, gotrabhu). Die ersten drei Bewußtseinsmomente heißen
zusammengenommen ‘Wissen der Anpassung.’
Der
Vorgang, der hier beschrieben wurde, ist die
Entwicklung des ‘Aufstieg’ -Moments
in der Übung des reinen Klarblicks (suddha-vipassana-yana). Es ist eine andere Geschichte, wenn der Meditierende zuvor
schon weltliche Konzentrationsübungen (samatha) betrieben und
Versenkungsstufen (lokiya-jhana) erreicht hat. Dann ist
die Funktion ‘Anpassung’ –
die fortlaufend geübte Konzentration zu sammeln und umzuformen, bis sie stark
genug ist, Vertiefung zu erzeugen – schon gut entwickelt und kraftvoll. Die
Konzentrationsübungen passen die Konzentration an die feinstofflichen und
unkörperlichen Objekte der weltlichen Versenkungsstufen an. Wenn so jemand
seine geistige Kraft in der Klarblickübung einsetzt, ist seine Entwicklung viel
rascher, besonders wenn er die vierte feinkörperliche Vertiefung beherrscht. Er
übt auf der Basis von Versenkung, die er kurzfristig betritt, und wenn er sie
wieder verläßt, betrachtet er die Grundlagen der Achtsamkeit, um momentane
Konzentration auszubilden, denn die Aufgabe in der Klarblickübung besteht
darin, von Moment zu Moment die wahre Natur von Körper und Geist zu betrachten.
Der
Versenkungserfahrene besitzt Reinheit des Geistes vom Beginn der Übung an,
seine Hindernisse sind völlig unter Kontrolle, und er hat keine Schwierigkeiten,
das ‘vorbereitende Bild’ und das ‘erworbene Bild’ der
Klarblickmeditation zu erfassen und das starke ‘Wissen vom Entstehen und Vergehen’ zu erreichen. Er wird nicht von den
Verzerrungen behindert, denn er kennt sich aus mit verschiedenen geistigen
Objekten (nimitta) und weiß zu verhindern, daß er sich an die falschen hängt. Er hat Kontrolle über seine
Konzentration und kann sie auf das korrekte ‘Bild’ einstellen – die drei Merkmale. So geht er
rasch durch die Klarblickwissen, und der ‘Aufstieg’ -Moment sammelt schnell die für überweltliche
Vertiefungskonzentration nötige Stärke an.
Wie dem
auch sei: Unabhängig davon, ob man nun dem Pfad reinen Klarblicks folgt, oder
Klarblick auf der Basis von Versenkungszuständen übt (samatha-vipassana),
wird der Pfadprozeß eingeleitet, sobald der ‘Aufstieg’-Moment der Konzentration die minimal notwendige
Stärke hat, um den Wechsel des Objekts zu bewirken, der die Erleuchtung
bedeutet: von der Betrachtung der drei Merkmale, dem ‘erworbenen Bild,’
zum Erfassen des ‘Gegenbildes ’
für Vertiefungskonzentration in der Klarblickübung: Nibbana, das Element
der Wirklichkeit, das den Phänomenen von Körper und Geist keine Grundlage und
keinen Halt bietet.
Die
unterschiedlichen Betrachtungsweisen der einzelnen Klarblickwissen, die der
Übende vom starken ‘Wissen vom Entstehen und Vergehen’ bis zum ‘Wissen des Gleichmuts’ auf ganz
persönliche Weise erfahren hat, werden vom ‘Wissen der Anpassung’ zu
einer abschließenden, ganzheitlichen Betrachtung der fünf Bündel des Anhaftens
zusammengefaßt und integriert. Im einzelnen betrachtet dieses Wissen so:
1. Es sieht das Entstehen
und Vergehen aller Phänomene und erkennt, daß dies ihre eigene Natur ist.
2. Es erkennt, daß die
Auflösung von Geist und Körper ein natürliches Ereignis ist.
3. Es erkennt, daß die in
Erscheinung tretenden Gebilde furchteinflößend sind.
4. Es erkennt, daß die
fünf Bündel Leiden bedeuten.
5. Es ist
überdrüßig hinsichtlich der Gebilde.
6. Es wünscht, den
Gebilden zu entkommen.
7. Es überprüft den Weg
der Entwicklung noch einmal, um den Weg des Entkommens zu erkennen.
8. Wenn es die Gebilde
klarbewußt erfaßt hat wie sie wirklich sind,
dann läßt es sie los und haftet an nichts mehr.
Das ‘Wissen
der Anpassung’ ist der Höhepunkt der Klarblickentwicklung und bedeutet
einen psychologisch bis in die Tiefen des Unbewußten reichenden
Willensentschluß zum endgültigen und unwiderruflichen Verzicht auf alle
Gebilde. Es ruft alle die Geisteskräfte wach, die
Bestandteile des Erleuchtungsbewußtseins sind und in der Meditation entwickelt
wurden, und bringt sie zum Einsatz. Der Geist ist nun
befähigt und bereit für überweltliche Vertiefung.
13.)
Wissen und Reife
Das
dreizehnte Wissen, ‘Reifewissen’ (gotrabhu-nana), verändert die
Zugehörigkeit des individuellen Geistes mit Blick auf die weitere samsarische
Laufbahn. Es folgt im Bewußtseinsprozeß des edlen Pfades
unmittelbar auf das ‘Wissen der Anpassung.’ Dieses
Wissen bildet den Übergang vom weltlichen (lokiya) zum überweltlichen (lokuttara)
Geist. Für das Individuum bedeutet es den Wechsel vom spirituell
unerfahrenen ‘Weltling’ zum wissenden ‘Edlen
.’ Das ‘Reifewissen’
verstärkt die vom ‘Wissen der Anpassung’ übernommene angrenzende
Konzentration bis zur Vertiefung.
Das ‘Wissen
der Anpassung’ weiß, daß die fünf Bündel des Anhaftens ein Ende finden
müssen, aber es weiß nicht, was nach dem Ende kommt, denn als
Objekt betrachtet es die Gebilde. Das ‘Reifewissen’ hingegen hat Nibbana
als Objekt und erkennt, daß das Verlöschen der
fünf Bündel keine Vernichtung von etwas Existierendem und auch kein
unerkennbares Nichts ist. Es erkennt die überweltliche Realität von Nibbana
am Merkmal des Friedens (santilakkhana).
Das ‘Reifewissen’ ist vergleichbar mit dem
Überschreiten einer Türschwelle: Ein Fuß ist schon darüber hinweg, aber der
andere steht noch davor. Mit der Tür zu Nibbana ist
es ähnlich: Davor sind die Bündel von Geist und Körper noch das Objekt, aber in
Nibbana sind keine fünf Bündel, Nibbana selbst ist das Objekt. Wenn das Wissen der Reife auftaucht, steht der Erleuchtung nichts
mehr im Weg.
14.)
Pfadwissen
Nach dem ‘Reifewissen’ ist der unmittelbar
folgende Bewußtseinsmoment das ‘Pfadwissen.’ Die Konzentration hat
Vertiefungsstärke und Nibbana ist das Objekt
des Geistes. Der Geist, der den Pfad erlebt, hat direkte Berührung mit der
unwandelbaren, ungeschaffenen Realität, die jenseits von Geburt und Tod ist,
die nicht entsteht und vergeht, das ‘unzerstörbare Element’ (amata-dhatu).
Das ‘Pfadwissen ’
vernichtet die Eintrübungen, die Maschinerie des Leidens, die als die zehn
Fesseln (samyojana) aufgelistet werden.
Wie kommt es zu dieser restlosen Vernichtung? Wenn Achtsamkeit
in der richtigen Weise entwickelt wurde, entsteht Weisheit. Dann wird man verstehen, daß alle Arten von Eintrübung und
Verlangen nur in den fünf Bündeln des Anhaftens liegen. Außerhalb davon kann es sie nicht geben. Aufgrund der mit
Klarblick beobachteten Vergänglichkeit sind alle
Phänomene als
Die vier
überweltlichen Pfade werden unterschieden nach ihrer Kapazität zur Vernichtung
von Eintrübungen:
1. Der Pfad des
Stromeintritts
(sotapatti-magga) durchtrennt die Fesseln der falschen Ansicht des
Selbst, des Zweifels über die Natur der Wirklichkeit, und des Glaubens an die
Wirksamkeit von Ritualen als Mittel zum Erreichen von Reinheit, Weisheit und
Befreiung. Begierde und Aversion, die zu schlechten Wiedergeburten führen
können, werden von diesem Pfad auch vernichtet.
2. Der Pfad der
Einmalwiederkehr (sakadagamimagga) schwächt die beiden Fesseln der Sinnesbegierde und der
Aversion weiter ab.
3. Der Pfad der
Niewiederkehr (anagami-magga) vernichtet
die Fesseln der Sinnesbegierde und der Aversion vollständig. Danach ist Wiedergeburt im sinnlichen Universum (kamaloka)
ausgeschlossen.
4. Der Pfad der
Heiligkeit (arahatta-magga) vernichtet die fünf übrigen, ‘höheren,’
oder subtilen Fesseln: das Verlangen nach
feinkörperlicher Existenz, das Verlangen nach unkörperlicher Existenz, Dünkel,
Unruhe und Unwissenheit.
Der einzelne
Bewußtseinsmoment des Pfades im überweltlichen Bewußtseinsprozeß der siebten
Reinheitsstufe ist der Moment der Befreiung. Jeder
einzelne der vier Pfade ist unwiederholbar. Sie werden
nur einmal erlebt; die vernichteten Fesseln können nie mehr neu entstehen und
den Geist binden.
15.)
Fruchtwissen
Das ‘Fruchtwissen’
(phala-nana) folgt unmittelbar auf das Pfadbewußtsein und dauert zwei oder drei Bewußtseinsmomente, je nach der Kraft der
Meditation. Das Fruchtbewußtsein (phala-citta) hat Nibbana als Objekt und wird von Vertiefungskonzentration getragen.
Während das Pfadbewußtsein die höchste Willenshandlung (kamma) des
Geistes ist, entsteht das ‘Fruchtwissen’ als Ergebnis (vipaka) dieser Tat: Es erlebt das Verlöschen nach
der Zerstörung der Fesseln. Obwohl die vier Pfade nicht wiederholbar sind, können die dazugehörigen Zustände des
Fruchtbewußtseins erneut auftreten, wenn die Klarblickübung fortgesetzt wird.
Die vier Pfade und vier ‘Fruchtwissen ’ sind alle überweltliche Geisteszustände (lokuttara-citta).
16.)
Wissen des Rückblicks
Das ‘Wissen
des Rückblicks’ (paccavekkhana-nana) blickt zurück auf den Pfad und die
Frucht, die gerade erlebt wurden. Es betrachtet auch die Eintrübungen, die
vernichtet wurden und diejenigen, die noch im Geist geblieben sind. Als letzte Funktion betrachtet das ‘Wissen des
Rückblicks’ die überweltliche Realität, Nibbana, und stellt für den
Übenden die Erinnerung an das Erleuchtungserlebnis sicher.
Da dieses
Wissen wieder Geist und Körper als Objekt hat, wird es
als weltlicher Geisteszustand klassifiziert. Der Meditierende beschließt, die
Übung weiter fortzusetzen, um die höheren Pfade zu verwirklichen, und kehrt
dann zu dem ursprünglichen Objekt zurück: dem Entstehen und Vergehen von Geist
und Körper.
In der
Praxis dauert der gesamte Bewußtseinsprozeß des Pfades, vom ‘ Wissen der Anpassung’ bis zum ‘Wissen des Rückblicks,’
nicht einmal so lang wie ein Fingerschnipsen, ein Augenzwinkern oder ein
Blitzlicht. Für den Übenden ist es nur ein einziger
Akt bewußten Bemerkens. Er wird sich an den ‘Klarblick,
der zum Entrinnen führt’ erinnern, und daran, daß danach für einen Moment
alle Gefühle unterbochen waren. Die Vernichtung der Eintrübungen ist jedoch bleibend und legt die weitere Entwicklung durch
die höheren Pfade bis zur vollständigen Überwindung des Leidens neuer
Wiedergeburt mit absoluter Gewißheit fest.
Die
Wiederkehr des Fruchtbewußtseins
(phala-samapatti)
Zum
Abschluß dieses Handbuchs sei der Übende noch einmal daran erinnert, die Übung
immer mit der richtigen geistigen Einstellung zu unternehmen. Als Voraussetzung
für die korrekte Entwicklung von Klarblick, darf man sich keinen
Wunschvorstellungen hingeben oder Erwartungen
bezüglich des edlen Pfades hegen. Erwartung entspringt
aus Begierde. Wenn man mit Begierde oder dem
Verlangen, Nibbana rasch zu erleben, meditiert, vereitelt man die eigene
Bemühung. Selbst wenn man ein Verlöschen erlebt, wird es mit
großer Sicherheit eine der vier falschen Arten von Selbstvergessenheit sein.
Manche entwickeln in der Übung starke Konzentration und haben
eigenartige Erlebnisse. Sie dürfen dann nicht darüber spekulieren, was
das wohl war, sondern müssen sich weiter bemühen, die Achtsamkeit in der
Gegenwart zu halten und an nichts anzuhaften. Wer den edlen Pfad in Wahrheit durchlaufen hat, wird sich
dieser Tatsache im Lauf der Zeit bewußt werden.
Ob das
echte Verlöschen durch den edlen Pfad eingetreten ist, kann der Übende anhand
folgender Anweisungen für die Übung selber prüfen: Wenn man mit großer Sorgfalt
und gewissenhafter Anwendung der in diesem Handbuch beschriebenen Methode die
Abfolge der Klarblickschritte vom dritten bis zum elften Wissen durchläuft,
werden die fünf geistigen Fähigkeiten (Vertrauen, Energie, Achtsamkeit,
Konzentration, Weisheit) ausgeglichen und nehmen dann an Kraft zu, bis mit
deutlicher Beschleunigung der ‘Klarblick, der zum Entrinnen führt’
auftaucht – Wissen, welches nur eines der drei Merkmale als Objekt betrachtet. Dann folgt momentanes Verlöschen und das ‘Wissen des Rückblicks.’
Danach sind die Erlebnisse in der Meditation wieder von gröberer
Art. Der Meditierende ist plötzlich vom ‘Wissen des Gleichmuts,’ das
hochkonzentriert ist und weder Gedanken noch Abschweifungen der Konzentration
zu äußeren Objekten kennt, zurückgefallen auf das vierte Wissen. Mit dem
starken ‘ Wissen vom Entstehen und Vergehen’ beginnt dann erneut die Entwicklung
durch die Schritte des Klarblickpfades, die aber jetzt schneller durchlaufen
werden als beim ersten Mal, und erreicht bald wieder den ‘Klarblick, der zum
Entrinnen führt, ’ gefolgt von erneutem Verlöschen.
Dieser
Fortschritt durch die Abfolge der starken Klarblickwissen muß oft geübt werden,
bis der Meditierende die typischen Erlebnisse der verschiedenen Schritte gut
kennt und wie Meilensteine am Wegesrand nur registriert, ohne daran anzuhaften
und sie als persönliche Erlebnisse zu begreifen. Sollten
einzelne der Wissensschritte undeutlich sein, so möge man in der Meditation den
Entschluß fassen, daß dieses Wissen für zwanzig Minuten andauern soll.
Der Klarblick wird dann bei diesem Wissen bleiben, bis die bestimmte Zeit um ist, dann taucht das nächste Wissen von alleine auf. In
dieser Weise wird der Meditierende völlige Klarheit über den Inhalt der
einzelnen Wissensschritte bekommen, und seine Konzentration wird zunehmen, bis
er in einer Sitzung vom vierten Wissen bis zum
Eintritt des Verlöschens gehen kann. Danach kann man zu Beginn der Sitzung den
Entschluß fassen, daß das Verlöschen innerhalb von zwanzig Minuten eintreten
soll, und wenn es geschieht, wiederholt man den Entschluß und verkürzt
allmählich die Zeit, bis man schließlich in einer Sitzung immer wieder den
Aufstieg durch die Klarblickschritte bis zum Verlöschen beherrscht. Später kann
man die Dauer des Verlöschens verlängern, von fünf
Minuten auf zehn, bis zu einer Stunde und länger. Wenn der
Übende das Verlöschen auf diese Weise kennt, wird er absolute Gewißheit haben –
aber er darf nicht anhaften, das gefährdet das Verlöschen.
Die
Vorzüge des Klarblicks
Die Übung
von Klarblickmeditation hat so viele Vorzüge, daß man sie nicht alle aufzählen
kann. Es seien hier nur die wertvollsten erwähnt-
1. Die Übung löst Zweifel
auf und gibt rechtes Verständnis der wahren Natur des Lebens. Die Methode hilft
uns, die höchste Stufe menschlicher Entwicklung zu verwirklichen und im ‘Hier
und Jetzt’ glücklich zu leben.
2. Sie hilft uns, den
Geist zu kontrollieren, wenn er den falschen Weg geht. Sie gibt uns das Wissen
des rechten Wegs und der Methode, den inneren Frieden zu finden. Wahres Glück
stellt sich ein. Dann brauchen wir das Glück nicht mehr durch Geldausgaben zu suchen, was nur Vergnügen gemischt mit Frustration bringt.
3. Sie macht uns
uneigennützig, sodaß wir das Glück auch anderen Menschen nahebringen können.
Freundlichkeit, Mitgefühl, und die Betrachtung aller Wesen als
Leidensgefährten, die wie wir Geburt, Alter, Krankheit und Tod erleiden, wird
für uns selbstverständlich sein.
4. Im nächsten Leben
werden wir die menschliche Geburt nicht verlieren, denn Achtsamkeit und klare
Bewußtheit (sati, Sampajanna) sind unser Schutzschild.
Wenn wir sterben, werden wir achtsam sein und ein heilsames Bewußtsein haben,
das zu guter Wiedergeburt führt. Wir werden vor dem Tode nicht verwirrt sein,
denn für unsere Zukunft ist schon gesorgt.
5. Wer studiert, wird
Weisheit und ein gutes Gedächtnis haben und kann sich leicht konzentrieren.
Achtsamkeit wird ihn auch in Prüfungssituationen begleiten, sodaß sein
Gedächtnis nicht versagt, wie es bei Streß sonst leicht vorkommen kann. Wenn er
eine Prüfung ablegt, wird er alles wissen und gut abschneiden.
6. Klarblickmeditation
beeinflußt die geistige und körperliche Gesundheit günstig, Krankheiten und
chronische Beschwerden bessern sich, und solche, deren Ursache kamma
ist, können spontan heilen, weil der Übende seinen Geist stark und frei von
Hindernissen und unproduktiver Sorge hält, und seine Zuversicht auf
gegenwärtigem gutem kamma beruht, wenn er neutrale Achtsamkeit übt, die
nicht anhaftet an den Erlebnissen. Dies ist die
Bedingung, daß der Körper sich ändern kann und den Einfluß des kamma
überwindet.
7. Wenn die geistigen
Voraussetzungen des Übenden für die Verwirklichung der siebten Reinheitsstufe
in diesem Leben noch nicht ausgereift sind, wird er
durch die Übung die Voraussetzung schaffen für das Erreichen von Pfad, Frucht
und Nibbana in der nächsten Existenz.
8. Wer die Lehre Buddhas
in der Meditationspraxis zur Richtlinie macht, von dem kann man zurecht sagen,
daß er Vertrauen in den Buddha hat, und es ist Ausdruck für die Art von
Verehrung, die dem Status Buddhas als höchstem Lehrer gebührt. Es gibt in
dieser Welt nichts und niemanden, der unseren Respekt und unsere Verehrung mehr
verdient als Buddha. Buddha selber lobte die Verehrung
durch praktische Nachfolge. Er sagte: “Wer die Lehre übt, der verehrt
9. Der Meditierende wird
mit Sicherheit den Vorzug der Klarblickübung erleben können, den Buddha in der
Lehrrede über die Grundlagen der Achtsamkeit in Aussicht gestellt hat: “Hört
mich an, Bhikkhus! Wer die vier Grundlagen der Achtsamkeit sieben Jahre lang entwickelt, der kann eine dieser beiden Früchte erwarten: Die
Frucht der Arahatschaft in diesem Leben, oder er wird, wenn noch Fesseln
bleiben, Niewiederkehrer sein."
“Hört
“Hört
Über den Autor
Geboren 1914 in Samut Prakaan, in eine kinderreiche Familie,
die von Hochseefischerei lebte, entwickelte Acharn Thawie schon in seiner
Jugend Interesse an Meditation. Er fühlte sich zwar
nicht zum Tempel und zu den Mönchen hingezogen, zog sich aber schon in der
Schulzeit oft in die Natur zurück, um die Natur des Lebens zu betrachten. Auf
einer dieser Exkursionen erlebte er im Alter von achtzehn Jahren in meditativer
Versenkung spontan die Wahrheit des Buddha, wurde aber auch dadurch nicht
religiös im Sinne eines eifrigen Tempelbesuchers.
Nachdem er im zweiten Weltkrieg in der Marine gedient hatte,
übernahm er den väterlichen Fischereibetrieb, da seine Geschwister, die im
Ausland studiert hatten, schon in anderen Berufen gebunden waren. Bis zum Alter
von fünfundvierzig Jahren kümmerte er sich um die Führung des Geschäfts und
ermöglichte seinen Neffen und Nichten Studien im Ausland. Er selbst hatte nie
den Wunsch, eine Familie zu gründen. Stattdessen nutzte er
jede Gelegenheit, tagelang im Wald zu verschwinden, um zu meditieren.
Schließlich wurde ihm die Führung des Geschäfts eine zu
große Belastung. Er übergab den Betrieb an Verwandte
und lebte von da an nur im Wald. Wie es in Thailand üblich ist, werden auch
Laien, die sich dem asketischen Ideal widmen, von der ländlichen Bevölkerung
gern unterstützt und mit Essen versorgt. Aber Acharn Thawie suchte die Natur
und so blieb er oft wochenlang im Wald, übte Versenkung und ernährte sich von
Früchten, Blättern und Wurzeln. Als er dann einmal
krank wurde und hohes Fieber hatte, konnte er zwar den Schmerz und das Fieber
durch Eintritt in Versenkungsstufen unterdrücken, wurde aber körperlich
allmählich schwächer. Leute, die ihn manchmal aufsuchten, brachten ihn zum
Arzt, der ihm nahelegte, er solle doch Mönch werden, damit für die materiellen
Bedürfnisse des Körpers besser gesorgt wäre, um sein spirituelles Leben zu
unterstützen.
So wurde Acharn Thawie im Alter von
neunundvierzig Jahren Bhikkhu im Dhammayut Sangha. Da er keinen
Lehrer hatte und bisher keine Verbindung mit Mönchen, lebte er nach seiner
Ordination weiterhin unabhängig, besuchte aber einige in
Die Methode überzeugte Acharn Thawie, und er nahm die
Aufforderung gern an. Später sagte er, die Methode, das gegenwärtige Objekt zu
benennen, sei ein äußerst wirksames Mittel, um Achtsamkeit auf die Wirklichkeit
aufmerksam zu machen und rasch Klarblick zu entwickeln. Die Nutzung der
Bewegung der Bauchdecke als Hauptobjekt für momentane Konzentration – damals
eine neue Methode – schien ihm ebenfalls für die Entwicklung von Klarblick
besser geeignet als anapana-sati, Achtsamkeit auf den Atem an der
Nasenspitze. Seine Schüler lehrte er nur die vier Grundlagen der Achtsamkeit
mithilfe der Mahasi Methode. Anapana-sati und Versenkung, die er selbst
beherrschte, seien in der heutigen Zeit schwer zu entwickeln. Das moderne Leben sei so unruhig geworden, daß man kaum noch die
äußeren Bedingungen für diese Meditation finde. Und dann müsse man ja von da aus noch Klarblick entwickeln, um die vier edlen
Wahrheiten zu durchdringen. Da sei es erfolgversprechender,
direkt Klarblick zu üben.
Bis 1981 lebte Acharn Thawie im Wat
Vivekasom, Chonburi, und erwarb sich in dieser Zeit den Ruf eines milden,
verständnisvollen und zuverlässigen Klarblicklehrers. Da er gut Englisch
sprach, kümmerte er sich vorwiegend um westliche Schüler, wurde aber auch von
Thais, Mönchen wie Laien, hochgeschätzt und hatte zahlreiche Unterstützer. Einer davon Nai Sorn, bot ihm ein Stück Land in der Nähe von
Bangkhla, in der Nachbarprovinz Chachengsao, an, und so wurde im August 1982
das Sorn-Thawie Meditationszentrum gegründet.
Die folgenden Jahre sahen das rapide Heranwachsen eines der
modernsten Zentren Thailands. Die Gemeinschaft, die sich um Acharn Thawie
sammelte, wuchs im Laufe der Jahre auf neunzig bis hundert Personen an,
gemischt aus Ordensmitgliedern und Laien beiderlei Geschlechts. Es kamen mehr und mehr westliche Suchende, und einige davon wurden
Mönche und Nonnen und blieben jahrelang im Sorn-Thawie Zentrum.
1994 wurde bei Acharn Thawie eine
Krebsgeschwulst diagnostiziert, und er mußte im Laufe eines Jahres dreimal
operiert werden.
Danach konnte er die Gemeinschaft noch zwei Jahre lang
leiten, bevor er an den Folgen der Erkrankung am 5. Juni 1996
starb.
Wer stirbt? Niemand stirbt.
Andere Leute sagen: Oh, das ist
Acharn Thawie. Ein guter Mann! Aber ich weiß, daß es keinen
Acharn Thawie gibt. …
Durchschaue Dich Selbst
Wer Klarblick übt, macht sein Bewußtsein hell und klar,
Und kennt des Lebens höchsten Schatz, den Reinen Geist.
Er folgt dem Pfad, erkennt das Leid und läßt die Gier:
So wird die Glut des Leidens grenzenlos
gelöscht.
Betrachte achtsam die fünf Bündel in Aktion und sei
Bewußt so gut Du kannst, was Geist
und Körper tun.
Pein und Schmerz, Empfindungen, machen unglücklich –
Schau dem Auf und Ab nur zu: plötzlich siehst Du klar.
Erlebe hier im Körper viele Phänomene:
Nichts davon ist wirklich –
überzeuge Dich!
Glück und Unglück streift Dich wie Hauch,
Geist und Körper sind spontan wie
die Natur.
Note mit Entschlossenheit, laß nicht davon ab!
Lösche das Verlangen, veredle Deinen
Geist.
Gehe nur den Mittelweg, verwirkliche den Dhamma,
Gewinne so das höchste Glück, Amata, Nibbana.
Baladhammo
Bhikkhu
(Acharn Thawie Baladhammo, März 1984)