SELBER KLARBLICK ÜBEN

 

Ein Leitfaden für Achtsamkeit

von

PHRA ACHARN THAWIE BALADHAMMO

 

(übersetzt von Christoph Bank)

 

Inhalt

 

VORWORT

EINFÜHRUNG

TEIL I

DIE ÜBUNG

Die vier Grundlagen der Achtsamkeit

Die fünf Anhäufungen

Sitzmeditation

Gehen und Stehen

Die weiteren Schritte

MEDITATIVE PHÄNOMENE (SABHAVA)

HINDERNISSE IN DER KLARBLICKÜBUNG

Hindernisse der Ungeübten

Die fünf geistigen Hindernisse

Hindernisse der mittleren Stufe

Hindernisse der entwickelten Stufe

AUSGLEICH DER FÄHIGKEITEN

Die fünf geistigen Fähigkeiten

JENSEITS VON EINTRÜBUNG UND HANDELN

Eintrübung, Handeln und Ergebnis

Der Achtfache Pfad im Klarblick

Für das Verlöschen des Verlangens üben

 

 

 

TEIL II

 

DIE ERGEBNISSE DER ÜBUNG

Die Reinheitsstufen und Klarblickschritte

DER VOBEREITENDE PFAD

Wissen von Geist und Körper

Wissen der Bedingtheit

Wissen des Begreifens

Wissen vom Entstehen und Vergehen

Verzerrungen des Klarblicks

Vier Arten der Selbstvergessenheit

DER KLARBLICKPFAD

Wissen der Auflösung

Wissen der Furcht

Wissen des Elends

Wissen des Überdrusses

Wissen des Verlangens nach Befreiung

Wissen der Großen Bemühung

Wissen des Gleichmuts vor Gebilden

Sechs Eigenschaften des Gleichmuts

DER ÜBERWELTLICHE PFAD

Klarblick, der zum Entrinnen führt

Wissen der Anpassung

Wechsel der Zugehörigkeit

Pfad, Frucht und Rückblick

Wiederkehr des Fruchtbewußtseins

Die Vorzüge des Klarblicks

Über den Autor

Durchschaue Dich Selbst

VORWORT

Die Gesellschaft ist heute ganz materialistisch geworden. Das Bedürfnis nach materiellen Gütern wächst und wächst. Und nie hört man das Wort “Genug!” Mächtige Begierden zwingen die Menschen, unablässig für die Befriedigung ihrer Wünsche zu arbeiten. So steht es in der heutigen Zeit um die Gesellschaft und den Einzelnen. Aufgrund dieser Entwicklung interessieren sich die Leute nicht mehr für ihr eigenes geistiges Wohl. Sie halten sich fern von den Lehren, die sie aus ihrer Hetze herausführen könnten.

Die Menschen sind heutzutage wie Vögel. Morgens verlassen sie ihr Nest, um Futter für den Tag zu suchen. Wenn der Abend naht, kehren sie müde und erschöpft nach Hause zurück. Morgens raus, abends zurück, so ist das Leben im Alltag – besonders für Leute, die in Hochhäusern ihr Nest haben, da liegt der Vergleich auf der Hand.

Aus solchen Gründen sind die Menschen geistig starr und angespannt. Das macht sie egoistisch und ihre Handlungen chaotisch. Sie geben jeder Laune nach, und es fehlt ihnen die Achtsamkeit, die sie davor bewahren würde, sich in Situationen zu bringen, die ansonsten unmöglich wären. Und es sieht nicht nach einer Besserung der Lage aus.

Gegenwärtig leiden immer mehr Menschen unter geistigen Störungen und Neurosen. Ob sie nun Akademiker oder Industrielle sind, Banker, Geschäftsleute, oder Politiker – egal welchen Beruf sie ausüben, alle sind mehr oder weniger nervenkrank. Man muß kein Neurologe sein, um zu ergründen, woran es liegt, daß mehr und mehr Menschen nervenkrank werden. Vor allem in den Großstädten ist es offenbar: Man ist kaum aufgewacht, da geht es schon los mit Anspannung und Hetze. Kinder wie Erwachsene, alle müssen loshetzen, um noch den Bus zu kriegen: Zur Schule, zur Arbeit, ins Geschäft, Frühstück kaufen, und was es sonst noch gibt. Wenn man dann unter Druck gerät, fehlt einem die Toleranz und man regt sich leicht auf. Kommt man schließlich an den Arbeitsplatz, muß man sich mit unfreundlichen Kollegen oder verheerenden Arbeitsbedingungen herumärgern. Davon wird man auch nicht ruhiger.

Wenn man dann abends nach Hause kommt, und da erwarten einen nur Familienprobleme, dann ist die neurotische Spannung schon bedenklich. Wie soll man in diesem Zustand schlafen? Man liegt wach und wälzt Probleme: Arbeit, Geld und all die tausend Dinge, die einem auf dem Herzen liegen. Geist, Nerven und Gehirn wollen sich auf natürliche Weise regenerieren, müssen aber weiter arbeiten. Genau das sind doch die Probleme, die uns tagaus, tagein nur neurotischer machen.

Da dürfte ein Handbuch für Vipassana von Nutzen sein für diejenigen, die keine Gelegenheit haben, in ein Meditationszentrum zu gehen, wo sie bei einem Lehrer üben könnten. Oder auch für diejenigen, die zu viele Verpflichtungen haben und nicht von zu Hause weg können.

Sie können dieses Buch als Handbuch für die Übung benutzen, indem Sie mit zehn, zwanzig oder dreißig Minuten als Übungszeit beginnen. Üben Sie abwechselnd im Sitzen und im Gehen, und setzen Sie die Übung fort, solange Sie sich dafür aussehen.

Zwingen Sie sich nicht zu sehr. Tun Sie es vertrauensvoll, mit freudigem Geist. Entspannen Sie sich, sodaß die geistige Starre und Verkrampfung von Ihnen abfällt und der Geist friedlich und ruhig wird.

Aus dieser Ruhe entsteht inneres Glück. Dann werden Sie selber verstehen, wie man die vielfältigen Alltagsprobleme ablegen kann. Sie werden gesund werden an Leib und Seele und die Kraft finden, die Alltagsprobleme zu bewältigen, egal ob es sich um geschäftliche Dinge handelt, oder um die chaotischen globalen Verhältnisse, die aus der Zerstörung der Umwelt entstehen. Fortschritt im Leben des Einzelnen und gesellschaftlicher Aufschwung wird das Ergebnis sein.

August 2527 / 1984

Acharn Thawie Baladhammo

SORN THAWEE MEDITATION CENTER

Bangkhla / Chachoengsao/THAILAND

EINFÜHRUNG

F: Meditation heißt in Pali kammatthana. Was bedeutet dieses Wort kammatthana eigentlich?

A: Das Wort kamma bedeutet Handeln oder Übung, und das Wort thana bedeutet Basis oder Grundlage. Kammatthana ist also die Grundlage des Handelns, oder die Ursache der Entwicklung.

F: Was bedeutet samatha kammathana?

A: Das Wort samatha bedeutet Ruhe oder Frieden des Geistes. Samatha kammatthana bedeutet daher Übung für Geistesruhe oder geistige Entwicklung, die auf Beruhigung aufbaut.

F: Was bedeutet vipassana kammatthana?

A: Die Silbe vi- bedeutet überaus, klar-, oder vielfältig. Das Wort –passana bedeutet sehen, direkte Wahrnehmung und rechte Ansicht der Wirklichkeit.

Vipassana kammatthana ist also die Übung der rechten Ansicht der Wirklichkeit, oder geistige Entwicklung, um ein klares Wissen zu erreichen über die allen Wirklichkeiten zugrundeliegende Wahrheit.

F: Warum gibt es in der Buddhalehre nur zwei Aufgaben zu erfüllen, die Aufgabe, die Lehre zu studieren (ganthadura) und die Aufgabe, Klarblick zu üben (vipassanadhura), aber samatha wird nicht erwähnt?

A: Buddha hat mit äußerster Geduld, Beharrlichkeit und Anstrengung nach der Befreiung von den Leiden der Wiedergeburt im Samsara gesucht – dem Kreislauf von Geburt, Alter, Krankheit und Tod. Er suchte das Mittel, das weltliche Voreingenommenheit (sava) und geistige Trübung (kilesa) auslöschen kann, denn die sind dafür verantwortlich, daß wir weiter in diesem Kreislauf verbleiben.

Zunächst lernte er von zwei namhaften Lehrern, Alara Kalama und Uddaka Ramaputta, bis er ihnen an Wissen ebenbürtig war und die höchsten unkörperlichen Vertiefungen beherrschte. Aber dann wurde ihm klar, daß diese Disziplinen nicht zur vollen Erleuchtung führen, und er suchte weiter auf eigene Faust, bis er die Vier Edlen Wahrheiten entdeckte, die den Geist völlig von allen Eintrübungen befreien. Und so wurde er Buddha, der Erwachte.

Dann verkündete er, daß er die volle Erleuchtung aus eigener Kraft erlangt hatte. In seiner ersten Lehrrede vor den fünf Asketen im Hirschpark von Isipatana, in der Nähe von Benares – dem Ingangsetzen des Rads der Lehre (Dhammacakkappavattana-sutta) – erklärte Buddha den Edlen Achfachen Pfad, den Mittleren Weg, dessen wichtigster Bestandteil rechte Ansicht (sammaditthi) ist. Damit ist die Weisheit (panna) gemeint, welche die Vier Edlen Wahrheiten erkennt. Die Übung des Achtfachen Pfades besteht in der Übung der Klarblickmeditation. Das ist die Aufgabe der praktischen Übung (vipassanadhura).

Was aber nun ganthadhura betrifft, da geht es darum, die Grundlagen der Klarblickmeditation zu studieren, um die Übungsmethode zu verstehen. Den größten Teil seines Lebens verbrachte Buddha damit, den Leuten zu erklären, daß Körper und Geist vergänglich, leidhaft und kein Selbst sind. Solche Lehren gab er denjenigen seiner Schüler, die die Übungsmethode noch nicht verstanden, bis sie selber begriffen hatten. Dann verneigten sich die Schüler vor dem Buddha, zogen sich in die Waldeinsamkeit zurück und übten die Lehre mit voller Entschlossenheit, bis sie die höchsten Stufen der Verwirklichung gewannen. Sie wurden Edle Menschen (ariya puggala) zu Buddhas Lebzeiten.

Samatha kamatthana gab es allerdings schon lange bevor Buddha in der Welt erschien. In jeder Religion gab und gibt es diese Art der Meditation, geübt von den Weisen, Asketen, Einsiedlern und Mönchen dieser Religionen. Nachdem Buddha diese Dinge gründlich studiert und geübt hatte, erkannte er, daß er den Weg zur Überwindung weltlicher Voreingenommenheit noch nicht gefunden hatte.

Vipassana kammatthana ist aber die Übung, die Buddha selbst entdeckt und praktiziert hat. Sie ist nur in der Lehre des Buddha zu finden. Deshalb gibt es in der Buddhalehre nur zwei Aufgaben: Klarblickmeditation zu üben und die Theorie dieser Methode zu studieren.

F: Was ist der Unterschied zwischen samatha kammatthana und vipassana kammatthana?

A: Sie unterscheiden sich in den Objekten der Betrachtung und haben verschiedene Methoden und Ziele. Samatha kammatthana beruht auf vorgestellten Objekten, oder Objekten, die hergestellt werden müssen, wie die zehn Scheiben (kasina) – Objekte, die kreisförmig vorbereitet werden müssen und zum Beispiel die vier Elemente darstellen. Die Übung von samatha kammatthana hat als Ziel die Geistesruhe. Die Methode hängt im Wesentlichen von der Entwicklung der Konzentration auf das Objekt – hier ‘Bild’ genannt – ab, vom ursprünglichen Objekt, dem Vorbereitenden Bild (parikamma nimitta), über das Erworbene Bild (uggaha nimitta) bis zur Erlangung des Abstrakten Bildes (patibhaga nimitta). Durch die Übung werden die fünf Vertiefungsglieder entwickelt – anfängliche und fortgesetzte Auffassung, Freude, Glücksgefühl und Objektausrichtung – und wenn sie die nötige Stärke erreicht haben, tritt man in die erste Vertiefung (jhana) ein, die erste der feinkörperlichen Bewußtseinsebenen.

Die Objekte der Klarblickmeditation, andererseits, sind die fünf Anhäufungen (pancakkhandha ) von Körper (rupa) und Geist (nama). Das Ziel der Klarblickübung ist die Verinnerlichung der höchsten Qualitäten der Lehre und damit der Eintritt in die vier Ebenen der Edlen: Stromeintritt, Einmalwiederkehr, Niewiederkehr und Heiligkeit. Auf dieser höchsten Ebene ist die Notwendigkeit beseitigt, immer wieder zurückzukommen, um Geburt und Tod zu durchlaufen. Die Einzelheiten dieser Übung werden in den folgenden Kapiteln erklärt werden.

F: Müssen wir die Richtlinien der Klarblickmeditation erst kennen, bevor wir mit der Übung beginnen können?

A: Wir sollten zumindest die Grundbegriffe oder den Kern der Lehre kennen: Die Vier Edlen Wahrheiten, oder die zwei Wege der Wahrheit – den Weg des Leidens und den Weg der Aufhebung des Leidens.

Der Weg, der zum Leiden führt, ist Begierde (tanha), das Verlangen nach weltlichen Objekten – also Formen und Farben, Geräuschen, Düften, Geschmäcken, und Berührungen, sowie feinkörperlichen Objekten und Geisteszuständen. Das Verlangen führt zum Anhaften an weltlichen Objekten, die Geburt, Alter, Krankheit und Tod mit sich bringen und uns hineinziehen in den Strudel des unaufhörlichen Wechsels.

Der Weg der Aufhebung des Leidens, das ist der Achtfache Pfad, der Mittlere Weg, der in der Erkenntnis der Wirklichkeit besteht, zur Gewinnung des Edlen Pfades und seiner Frucht führt, und in Nibbana mündet. Dies ist der Weg, die Eintrübungen des Geistes (asava-kilesa) vollständig aufzulösen. Es ist der Weg derer, die ein religiöses Leben (brahmachariya) führen, der Weg der Geläuterten. Es ist der Weg des Entkommens aus dem ständigen Geborenwerden und Sterben im Kreislauf des Samsara, indem man die Wahrheit selbst erfährt, daß Leiden (dukkha) erkannt werden muß, daß die Ursache (samudaya) beseitigt werden muß, daß das Verlöschen (nirodha) verwirklicht und der Pfad (magga) entwickelt werden muß.

F: Besteht für den Meditierenden, der diese Methode übt, irgendeine Gefahr?

A: Die Übung kann gefährlich werden, wenn der Übende die Richtlinien der Klarblickmeditation noch nicht richtig versteht, oder wenn man anhand von Büchern meditiert und sich ein eigenes Verständnis zurechtlegt. Wenn man ohne die Führung eines qualifizierten Lehrers üben muß, der beständig auf den rechten Weg hinweist, und im Laufe der Übung tauchen meditative Phänomene (sabhavadhamma) auf, dann glauben manche, sie hätten einen Durchbruch erreicht und die Erleuchtung erfahren. Einige Übende entwickeln eine Vorliebe für bestimmte geistige Wahrnehmungen (nimitta), Lichterscheinungen, Bilder oder plastische Vorstellungen. Das kann bis zur Besessenheit gehen. So etwas ist allerdings eher in der Sammlungsübung anzutreffen. Da arbeitet man ja mit vorgestellten Objekten (kasina), man konzentriert sich auf geistige Bilder mit Verblendung, d. h. man erkennt nicht die wahre Natur der Sinneserfahrung. Wenn sich das Objekt, auf dem die Konzentration beruht, plötzlich verändert, oder ein erschreckendes Bild taucht plötzlich auf, kann es passieren, daß man die Kontrolle verliert und durchdreht.

Aber die Klarblickmeditation besteht darin, daß man in jedem Moment des Ausatmens und Einatmens die Achtsamkeit anwendet. Durch die Übung werden Weisheit (panna) und klare Auffassung (sampajanna), sowie Anstrengung (viriya) entwickelt. Diese drei Geisteskräfte arbeiten zusammen in der Bemühung, das gegenwärtige Objekt in jedem Moment zu noten. Wann immer ein Objekt auftaucht, seien Sie sich nur dieses Objektes bewußt, wie es wirklich ist. Dann lassen Sie dieses Objekt von Moment zu Moment los, denn alles, was in unserer Erfahrung auftaucht, muß auch auf natürliche Weise wieder vergehen. Egal, welche besonderen Eigenschaften oder Merkmale das Objekt hat, es taucht auf und verschwindet dann wieder. Es ist die Edle Wahrheit des Leidens (dukkha ariyasacca), die da entsteht und vergeht. Dieser Vorgang ist schwer zu ertragen, er ist leidhaft. Wenn die Übenden dies nur verstehen können, dann birgt die Übung der Klarblickmeditation keine Gefahr. Im Gegenteil, sie wird uns zu Menschen mit höherer Bewußtheit und Erkenntniskraft machen.

F: Manche Leute sagen, wer meditiert, verliert den Anschluß, macht keinen Fortschritt mehr in der Welt, wird stur und altmodisch, ist jedenfalls nicht mehr auf der Höhe der Zeit. Was sagen Sie dazu?

A: Jeder, der in diese Welt geboren ist, muß ein Ziel im Leben haben. Er sollte wissen, worauf es im Leben wirklich ankommt. Um sein Leben zu entwickeln und ein Mensch von höchster Tugend zu werden, was muß man da tun? Ob ein Mensch gut oder schlecht ist, hängt von seinem eigenen Geist ab. Das können wir selber nachprüfen. Dann sind wir immer auf der Höhe der Zeit.

Wir leben im Zeitalter der Naturwissenschaft. Wir benutzen Technologie, Computer und Atomenergie zur Untersuchung, Erforschung und Ausbeutung der materiellen Welt und wir verfolgen damit materielle Zwecke. Wir setzen unseren Geist ein, um nach solchem Wissen zu suchen, und wir konkurrieren in der Erzeugung materieller Dinge. Kurz gesagt: Wir sind Materialisten. Das nennen wir dann Fortschritt. Es ist aber nur weltliches Wissen. Wenn wir es richtig einsetzen, auf friedliche Weise verwenden, dann wird es der ganzen Menschheit zugute kommen. Nutzen wir dieses Wissen aber mit Gier, Haß und Verblendung (lobha, dosa, moha), dann wird das Ergebnis unweigerlich die Vernichtung der Menschheit sein. Es wird alles in der Welt zerstören. Und dann wird keine Entschuldigung und keine Ausrede mehr gelten für die, die sagen: “Ich bin ein Pionier, ich bin Wissenschaftler,” oder: “Ich bin auf der Höhe der Zeit.” Ist das nun Gewieftheit oder ist das nicht viel mehr Dummheit in den Herzen derjenigen, die vom Materialismus in die Irre geleitet werden, bis sie vergessen, daß das Wichtigste im Leben Dhamma ist. Dhamma, das ist die Natur, die ist immer auf der Höhe der Zeit!

Wer Dhamma studiert und praktiziert, Dhamma selbst erforscht und sich von der Wahrheit überzeugt, Dhamma analysiert und für das praktische Leben nutzt, der benutzt Dhamma, um Verlangen und übersteigerte Begierden, Ärger, Neid und Verblendung zu kontrollieren, die ihn dem Alkohol und dem Rauschgift in die Arme treiben. Wenn unser Geist nicht mehr getrübt ist von den Eintrübungen des Herzens, dann ist dieser Geist klar und ruhig, und er kennt die Wirklichkeit der Natur wie sie wirklich ist.

Dann wird das Leben erfüllt sein von wahrem Glück. So jemand kennt die Gesetzmäßigkeiten der weltlichen Prozesse wie auch die Prinzipien des Dhamma, und er wird dieses Wissen beim Studium und bei der Führung seines Geschäfts anwenden, um Fortschritt und Wohlstand in der Zukunft zu gewährleisten, und er wird darin besser sein als jemand, der sich nicht für Dhamma und für das Funktionieren seines eigenen Geistes interessiert, der nichts über den Zusammenhang zwischen den geistigen Eintrübungen, den Taten und deren Wirkungen (kilesa, kamma, vipaka) weiß und nicht versteht, daß die Vier Edlen Wahrheiten, der Achtfache Pfad, die Vier Grundlagen der Achtsamkeit – daß dies die Lehren sind, die unsere Probleme lösen können, die Lehren, die zum Aufhören des geistigen Leidens im Leben führen, die Lehren, die wir benutzen können, um den Geist von der niedrigen Stufe eines Weltlings (puthujjana) zu der hohen Gesinnung eines Edlen (ariya puggala) zu entwickeln.

Auch in unserer modernen Zeit gilt die Herausforderung für jeden von uns, selber heranzukommen an die Wirklichkeit und sich zu überzeugen, wie sie ist ohne die Begrenztheit der zeitlichen Endlosigkeit, und jemand, der das in der Praxis nachprüft: Der weiß es aus eigener Erfahrung! So jemand ist besser als die, die nichts wissen wollen von der Lehre und sie nicht üben. Das sind doch in Wahrheit die Zurückgebliebenen, die nicht mit der Zeit gehen, wie vorgeschichtliche Fossilien.

F: Was sind die vier förderlichen Hilfsmittel (sappaya) für Meditierende?

A: Zur Zeit Buddhas sollten die Meditierenden folgende vier günstige Bedingungen für die Übung aufsuchen:

1.     Geeigneter Wohnplatz, der Ruhe förderlich, ungestört durch Lärm, zum Beispiel im Wald, im Wurzelbereich eines Baumes, ein leeres Haus oder Zimmer.

2.     Gesundes Essen, das leicht zu bekommen ist. Für Mönche heißt das: Die Almosenrunde sollte zu Dörfern nicht allzu weit weg führen, und man sollte dort genug Essen bekommen.

3.     Ein guter Mensch, ein spiritueller Freund, ein Meditationslehrer, der den Übenden immer gemäß dem Mittleren Weg anleitet.

4.     Angepaßte Methode, das heißt, eine Meditationsübung (kammatthana), die der Veranlagung des Meditierenden angepaßt ist, sodaß weder Anspannung noch Entspannung sich zu stark entwickeln. Es ist die Methode, die dem Übenden rasch Ergebnisse bringt, wie es sich gehört.

In der heutigen Zeit sollten wir nach einem Meditationszentrum Ausschau halten, wo Klarblickmeditation gelehrt wird und die vier förderlichen Bedingungen, wie beschrieben, vorhanden sind, das heißt angenehme Unterbringung, Essen ist leicht zu bekommen und angemessen, es gibt einen Vipassana Lehrer, der auf dem Gebiet der Klarblickmeditation Erfahrung hat, und die Methode ist auf den Meditierenden abgestimmt.

Gegenwärtig ist das Allerwichtigste nur der Meditationslehrer. Er sollte sorgfältig analysieren und unterweisen, denn es ist für uns Heutige schwierig, so gute Lehren zu finden wie es sie in Buddhas Zeit gab.

F: Wie soll einer vorgehen, der noch nie meditiert hat?

A: Der erste Schritt ist, daß man mehr über das Thema Klarblickmeditation lernt, damit man rechtes Verständnis der Methode hat, bevor man mit der Übung beginnt. Aber wenn man das aus irgendwelchen Gründen nicht kann, oder man hat das Thema bereits studiert, versteht es aber doch noch nicht richtig, dann sollte man zu einem Klarblicklehrer in ein Meditationszentrum gehen und dort um Aufnahme für die Übung bitten. Selbst wenn jemand schon viele Bücher gründlich studiert hat, ist es dennoch notwendig, die Anleitung eines Meditationslehrers zu haben, der einem die korrekte Übung klarmacht, denn vom Schriftenstudium (pariyatti) kennen wir ja nur die geschriebenen Worte, während man in der praktischen Übung (patipatti) persönlich Bekanntschaft mit den natürlichen Phänomenen (sabhavadhamma) macht, wie sie wirklich sind. Und da gibt es Unterschiede je nach der individuellen Entwicklung der verschiedenen Menschen, ihre Fähigkeiten und Veranlagungen, ihre Stimmungen und Gefühle und die Ansammlung des kamma sind nie gleich. Dann gibt es Phänomene, die erst im Laufe der Klarblickübung entstehen, zum Beispiel Konzentration, Begeisterung, Ruhe, Gleichmut (samadhi, piti, passaddhi, upekkha). Manche dieser Phänomene sind in den Schriften nicht erwähnt. Deshalb ist das Wichtigste, einen Meditationslehrer zu haben, der theoretisches Wissen sowie praktische Erfahrung hat.

TEIL 1

DIE ÜBUNG

Die Übung der Klarblickmeditation (vipassana kammatthana) besteht in der Entwicklung der Vier Grundlagen der Achtsamkeit (satipatthana) –

1.     Betrachtung des Körpers (kayanupassana)

Achtsamkeit (sati) betrachtet den Körper

(kaya) im Körper, wie er wirklich ist.

1.     Betrachtung der Empfindungen (vedana-

nupassana) – Achtsamkeit betrachtet die Empfindungen

(vedana) in den Empfindungen, wie

sie wirklich sind.

2.     Betrachtung der Geisteszustände

(cittanupassana) – Achtsamkeit betrachtet die

Geisteszustände (citta) in den Geisteszuständen,

wie sie wirklich sind.

3.     Betrachtung der Geistesdinge

(dhammanupassana) – Achtsamkeit betrachtet die

Geistesdinge (dhamma) in den Geistesdingen, wie

sie wirklich sind.

Die vier Grundlagen der Achtsamkeit umfassen alle Objekte, die in unserer Erfahrung auftauchen. Das bedeutet: der Körper, die Empfindungen, die Geisteszustände und die Geistesdinge – also die vier Grundlagen der Achtsamkeit – sind unmittelbar hier in unserer Erfahrung, und um ihre wahre Natur zu entdecken, müssen wir die Achtsamkeit anwenden. Lassen Sie mich die Bereiche dieser vier Grundlagen noch deutlicher machen, damit sie leichter zu üben sind. Buddha hat erklärt, daß die Ebene, auf der menschliche Wesen – ja, fühlende Wesen ganz allgemein – wirklich existieren, die fünf Anhäufungen des Anhaftens (upadanakkhandha) sind.

Mit anderen Worten: Wir bestehen aus fünf verschiedenen Arten natürlicher Phänomene, die sich mischen und verbinden zu komplexen Formen und Erscheinungen, für die wir Namen erfinden und sagen: “Dies ist ein menschliches Wesen, eine Frau, ein Mann, dies ist ein Tier, ein Baum, usw.”

Die fünf Anhäufungen (khandha) sind im Einzelnen –

1.     Die Anhäufung des Körperlichen (rupakkhandha).

Die Anhäufung des Körperlichen umfaßt zunächst die vier

Grundelemente der Materie (mahabhutarupa):

1.     das Element der Raumverdrängung (pathavi – Erde).

2.     das Element des Zusammenhalts (apo Wasser).

3.     das Element der Temperatur (tejo – Feuer).

4.     das Element der Bewegung (vajo – Wind).

Außerdem gehören zur Anhäufung des Körperlichen feinstoffliche Elemente, oder sekundäre materielle Phänomene, wie Farbe, Geruch, Geschmack, Nährfähigkeit, organisches Leben, die Sensitivität der Sinne für ihre jeweiligen Objekte und andere materielle Phänomene, die auf den vier Grundelementen aufbauen.

2. Die Anhäufung der Empfindungen (vedanakkhandha). Die Sinnesempfindungen, oder Gefühle, haben die Aufgabe, die Objekte als angenehm, unangenehm oder neutral zu erleben.

3. Die Anhäufung der Wahrnehmungen (sannakkhandha). Wahrnehmung hat die Funktion, die Objekte der vier Grundlagen der Achtsamkeit – also Formen und Farben, Klänge, Düfte, Geschmäcke, Berührungen und geistige Objekte – zu erkennen und diese Informationen im Gedächtnis abzulegen. Erinnerung ist eine weitere Funktion der Wahrnehmung.

4. Die Anhäufung der Gebilde (sankharakkhandha). Hierbei handelt es sich um die Geisteskräfte (cetasika), die das Bewußtsein begleiten. Die heilsamen (kusala) Geisteskräfte machen den Geist verdienstvoll, oder gut. Die unheilsamen (akusala) Geisteskräfte machen den Geist verdienstlos, oder schlecht. Die erhabenen Geisteskräfte (abhayakata), hingegen, machen den Geist gefestigt und losgelöst. Diese drei Gruppen von Geisteskräften stehen hinter den Geistestätigkeiten. Je nachdem, wie stark sie auftreten, können sie Gedanken, Sprache oder körperliche Handlungen verursachen.

5. Die Anhäufung des Bewußtseins (vinnanakkhandha). Die Anhäufung des Bewußtseins hat die Funktion, die Objekte der sechs Sinnestore – der Augen und Ohren, der Nase und Zunge, des Tastsinns und des Geistes – aufzufassen und ihrer bewußt zu sein. Zu dieser Anhäufung gehören auch das Wiedergeburtsbewußtsein (patisandhi) und die unbewußte Lebensgrundlage (bhavanga).

  • Die Betrachtung des Körpers hat als Objekt die Anhäufung des Körperlichen.
  • Die Betrachtung der Empfindungen hat als Objekt die Anhäufung der Empfindungen.
  • Die Betrachtung der Geisteszustände hat als Objekt die Anhäufung des Bewußtseins.
  • Die Betrachtung der Geistesdinge hat als Objekt die Anhäufungen der Wahrnehmung und der Gebilde.

In der Praktischen Übung werden die fünf Anhäufungen zusammengefaßt zu nur zwei Kategorien: Körper (rupa) und Geist (nama). Die Anhäufung des Körperlichen nennen wir Körper (rupa), die Anhäufungen der Empfindungen, der Wahrnehmung, der Gebilde und des Bewußtseins werden zusammengefaßt unter dem Begriff Geist (nama).

Zum besseren Verständnis sei es noch einmal betont: Die Objekte der Klarblickmeditation lassen sich am einfachsten in nur zwei Kategorien einteilen – Körper und Geist.

Was die Natur betrifft, die dieses Spektrum von Objekten bewußt erlebt, das ist der Geist, der begleitet wird von Anstrengung (viriya), klarer Auffassung (sampajanna), Konzentration (samadhi) und Achtsamkeit (sati).

Prägnant formuliert könnte man sagen: Alle natürlichen Phänomene gipfeln in, und werden zusammengefaßt von der Achtsamkeit. Deshalb soll man Achtsamkeit anwenden, um den gegenwärtigen Moment zu betrachten, das gegenwärtige Objekt.

Achtsamkeit ist vergleichbar mit dem Fußabdruck eine Elefanten: Die Spuren kleinerer Tiere werden alle vom Fußabdruck eines Elefanten überdeckt. Wenn Achtsamkeit in der Gegenwart nicht aktiv ist, können andere heilsame Geisteskräfte auch nicht entstehen. Aber wenn Achtsamkeit auftaucht, kommen nur die heilsamen Kräfte mit zur Entstehung. Deswegen hat Buddha immer zur systematischen Übung der vier Grundlagen der Achtsamkeit ermuntert.

Wenn man versteht, was die Objekte der Klarblickmeditation sind, und wer das Subjekt ist, das diese Objekte bewußt erlebt, dann kann man die Übung damit beginnen, Achtsamkeit auf die vier primären Körperhaltungen zu richten: Gehen, Stehen, Sitzen und Liegen.

 

Sitzmeditation

Während der Sitzmeditation sitzt man mit gekreuzten Beinen und aufrechtem Körper, der rechte Fuß liegt auf dem linken Bein und die rechte Hand über der linken, Handflächen weisen nach oben. Augen und Lippen bleiben geschlossen, die Zähne berühren sich aber nicht, während die Zunge hinter den oberen Zähnen gegen den Gaumen gelegt wird. Rufen Sie nun die Achtsamkeit wach, um sich auf das zu betrachtende Objekt zu richten. Dann betrachten Sie den Körper im Körper. Das Hauptobjekt, das betrachtet werden soll, ist das Heben und Senken der Bauchdecke. Wenn sich die Bauchdecke hebt, stellen Sie innerlich fest: ‘heben.’ Wenn sich die Bauchdecke senkt, stellen sie innerlich fest: ‘senken.’ Dann machen Sie einfach kontinuierlich weiter: ‘heben – senken – heben – senken…’.

F: Wie soll man die Achtsamkeit wachrufen?

A: Der Übende soll sich geistig wohlfühlen und unbesorgt sein, nicht zu ernsthaft oder erwartungsvoll, denn die Phänomene, die da auftauchen, müssen allesamt wieder wegfallen. Es ist ein Merkmal der Natur, daß alles, was natürlich entsteht, auch wieder vergeht. Man soll nur die Achtsamkeit fest auf das Objekt gerade vor sich richten und es sehen, wie es wirklich ist: es entsteht und vergeht. Man sollte an gar nichts anhaften, sondern den Geist neutral und ruhig halten. Das nennt man die Übung des Mittleren Weges: nicht anzuhaften an guten Objekten oder an schlechten Objekten, nicht anzuhaften an Objekten, die ein angenehmes oder ein unangenehmes Gefühl hervorrufen. Wenn die Achtsamkeit so wachgerufen wird, daß sie bewußt das gegenwärtige Objekt betrachtet, sieht, wie es wirklich ist, und es dann losläßt, dann ist die Achtsamkeit richtig wachgerufen.

F: Wieviel Zeit soll man einsetzen für die Entwicklung der Achtsamkeit?

A: Das hängt von den Kräften des Übenden ab. Ein Kind im Alter von 7 – 10 Jahen sollte nur 10 Minuten üben. Heranwachsende von 10 – 15 Jahren sollten 20 Minuten üben. Ab 15 Jahren Alter und bei guter Gesundheit sollte man mit 30 Minuten beginnen.

Wenn der Übende Energie, Achtsamkeit und Konzentration (viriya, sati, samadhi) entwickelt hat, sollte man langsam die Zeit erhöhen. Man soll sie nicht zu schnell erhöhen: von 30 auf 40 Minuten, dann von 40 auf 50 Minuten, und dann von 50 auf 60 Minuten. Wer neu in der Meditation ist, sollte nicht länger als eine Stunde sitzen. Man muß zuerst lernen, die in der Meditation zum Einsatz kommenden Geisteskräfte ins Gleichgewicht zu bringen und dieses zu bewahren, bevor man länger als eine Stunde sitzt.

F: Manchmal ist der Geist nicht ruhig, man denkt oder hängt Überlegungen nach. Das ist frustrierend. Was soll man dann tun?

A: Wenn es nur Denken ist, stellen Sie einfach fest: ‘denken, denken.’ Sind es Überlegungen, so noten Sie ‘überlegen, überlegen.’ Wenn der Geist vom einen zum anderen wandert, noten Sie ‘wandern, wandern,’ und wenn sie wegen des wandernden Geistes frustriert werden, bemerken Sie: ‘frustriert, frustriert.’ Die Worte sollten nur gedacht werden. Achten Sie darauf, daß die Lippen, Zunge, Kiefer oder Kehlkopf sich nicht mitbewegen. Das Benennen des Objekts hat den Sinn, sich zu vergewissern, daß man auch wirklich auf das gegenwärtige Objekt achtet. Wenn man nicht benennt, kann es leicht passieren, daß die Aufmerksamkeit abschweift, ohne daß man es merkt. Notet man aber, dann fällt es schneller auf, wenn man abschweift, weil man dann aufhört zu noten. Die Worte sind aber nicht die Objekte der Betrachtung; die Aufmerksamkeit muß auf die besonderen Merkmale des Objektes gerichtet werden, das man gerade notet. Im allgemeinen wiederholt man das Wort einmal. Die erste Bemerkung soll die Aufmerksamkeit auf das Objekt lenken, und die zweite sorgt dafür, daß man eine neutrale Haltung bewahrt. Man kann aber auch öfter noten. Der Geist soll während der Meditation kontinuierlich und in einem Tempo das gegenwärtige Objekt noten, etwa einmal pro Sekunde.

F: Manchmal ist der Geist irritiert, besorgt, entmutigt, gelangweilt, lustlos, schläfrig oder Ähnliches. Wie soll man damit umgehen, oder wie soll man das betrachten?

A: Noten Sie ganz einfach das geistige Objekt, das da im Geist aufgetaucht ist: ‘irritiert, irritiert,’ besorgt, besorgt,’ ‘entmutigt…’, ‘gelangweilt…’, ‘lustlos…’, ‘schläfrig…’, ‘träumen, träumen…’. Sie können natürlich auch Substantive nehmen: ‘Sorge, Sorge’, ‘Zweifel, Zweifel,’ und so weiter. Legen Sie sich auf ein Wort fest, das für Sie am klarsten das Objekt repräsentiert und bleiben Sie dann dabei.

F: Wie soll man äußere Objekte noten, die auftauchen?

A: Wenn Objekte durch das Auge auftauchen, noten Sie: ‘sehen, sehen. Wenn ein Geräusch auftritt, noten Sie ‘hören, hören.’ Taucht ein Geruch auf, noten Sie: riechen, riechen.’ Wenn ein Geschmack auftaucht, noten Sie: ‘schmecken, schmecken.’ Hören Sie zum Beispiel einen Hund bellen, so noten Sie nicht ‘Hund, Hund,’ sondern: ‘hören, hören,’ während die Achtsamkeit auf das Ohr gerichtet ist und dort beobachtet, wie der Kontakt des Sinnesorgans mit dem Objekt – dem Geräusch – das Hörbewußtsein hervorruft.

Wenn Sie einen körperlichen Eindruck von Kühle oder Wärme, Weichheit oder Härte spüren, so benennen sie das Objekt nach seiner besonderen Eigenschaft: ‘kühl, kühl,’ ‘warm, warm,’ ‘weich, weich,’ ‘hart, hart. Taucht ein Objekt im Geist auf, dann noten Sie je nach der Wahrnehmung alssehen, sehen,’ ‘erinnern, erinnern,’ ‘denken, denken,’ ‘vorstellen,’ ‘planen,’ und dergleichen, was gerade aufgetaucht ist.

F: Wenn man lange sitzt, können Schmerzen in den Knien, in den Beinen, oder im Rücken auftauchen. Wie soll man diese Empfindungen betrachten?

A: Gehen Sie mit der Achtsamkeit an die Stelle, wo Sie die Empfindung erleben, und seien Sie sich dieses Objekts bewußt. Dann noten Sie es: ‘Schmerz, Schmerz.’ Empfinden Sie ein Stechen, dann benennen Sie es: ‘stechen, stechen.’ Ist die Empfindung taub, noten Sie: ‘taub, taub. ’ Wenn die Empfindung verschwindet, gehen Sie mit der Achtsamkeit wieder zur Bauchdecke und noten weiter ‘Heben und ‘Senken.’

F: Wenn die Empfindung aber nicht verschwindet, nachdem man sie genotet hat, was soll man dann tun?

A: Bei der Betrachtung von körperlich unangenehmen Empfindungen (dukkhavedana) wie z. B. dumpfem oder stechendem Schmerz, Taubheit, Ziehen, Ermüdung, werden Sie, solange die Konzentration gut ist, ohne Schwierigkeiten noten können, daß da eine Empfindung von dumpfen oder stechenden Schmerz, von Taubheit, Ziehen oder Ermüdung ist, und Sie können das Entstehen und Vergehen der unangenehmen Empfindung deutlich sehen. Oft verschwinden solche Empfindungen von selbst, wenn man sie eine Weile beständig und ohne innere Verkrampfung genotet hat. Wenn man die Empfindung aber schon eine Weile genotet hat, und sie ist noch nicht verschwunden, dann liegt das daran, daß sie besonders stark ist. Manchmal halten uns Geist-und-Körper (nama-rupa) auch das Merkmal der Leidhaftigkeit (dukkha) deutlich vor Augen, damit Weisheit (panna) die drei allgemeinen Merkmale – Vergänglichkeit, Leidhaftigkeit, Selbstlosigkeit (anicca, dukkha, anatta) – besser erkennen kann. In diesem Fall ist das schmerzhafte Gefühl außergewöhnlich stark. Wenn man es nicht aushalten kann, dann sollte man eine kleine Bewegung machen, oder die Sitzhaltung verändern, damit der Schmerz aufhört. Aber vergessen Sie nicht, achtsam den Wunsch, sich zu bewegen, zu noten: ‘Absicht, Absicht. Und wenn Sie die Hände, die Arme, die Beine bewegen, tun Sie es langsam und mit voller Aufmerksamkeit und noten Sie alle einzelnen Bewegungen entsprechend: ‘lösen’, ‘bewegen…’, ‘berühren…’, ‘anheben…’, ‘ausstrecken…’, ‘ablegen…’, ‘zurückziehen.’ Läßt der Schmerz nach, dann notet man wieder Heben und Senken der Bauchdecke.

F: Wenn man schmerzhafte Gefühle notet, muß man damit weitermachen, bis dieses Objekt verschwindet, oder kann man statt dessen andere Objekte noten?

A: Es gibt zwei Arten körperlich unangenehmer Gefühle (dukkha-vedana). Eine Art ist starker nötigender Schmerz. Da muß man etwas unternehmen. Dann gibt es körperliche Schmerzen, die nicht behoben werden müssen. Wir sollten auf die nötigenden Schmerzen achtgeben, zum Beispiel den Drang, Urin oder Stuhl auszuscheiden. Das sind Schmerzen die man nur begrenzt unterdrücken kann. Sie werden nicht durch das Noten weggehen. Manchmal entsteht auch ein heftiger Schmerz im Körper. Der Übende quittiert ihn achtsam, aber der Schmerz wächst weiter und weiter an. Wenn der Übende schon genug Erfahrung im Anschauen von schmerzhaften Gefühlen hat, dann wird er es aushalten können. Anfänger in der Meditation halten das aber nicht aus. Sie werden mürbe. Dann sollten sie langsam die Sitzhaltung ändern, wobei jedes Detail des Bewegungsablaufs sorgfältig beachtet werden muß.

Die körperlich unangenehmen Empfindungen, die nicht behoben werden müssen, sind nur geringfügige Schmerzen, die auftauchen und verschwinden. Wenn sie nicht gewaltig sind, ist es nicht nötig, die Haltung zu ändern oder sich irgendwie zu bewegen. Richten Sie nur die Achtsamkeit auf dieses Objekt und stellen Sie fest, was wirklich da ist: Schmerzhaftes Gefühl, das auf natürliche Weise entsteht und vergeht. Sogar das Phänomen des Schmerzes ist nicht kompakt, es dauert nicht. Es ist vergänglich, bedrückend, und entbehrt einer eigenen Existenz, genauso wie die köperlichen (rupa) Phänomene. Das Gleiche gilt auch für alle anderen geistigen (nama) Phänomene.

F: Tauchen Schmerzen in der Meditation auch noch auf, wenn man schon lange meditiert hat? Woher kommen diese Schmerzen?

A: Das hängt von der Praxis ab. Wenn der Meditierende das Objekt eine lange Zeit kontinuierlich betrachten kann – als vorübergehendes Hauptobjekt – dann entwickelt sich Konzentration sehr stark. Zusammen mit kräftiger Konzentration steigen dann Geisteskräfte (sankhara) wie Begeisterung (piti) und (geistiges) Glücksgefühl (sukha) im Bewußtsein auf. Man fühlt sich zufrieden und glücklich, und das wirkt wieder auf den Körper zurück. Wenn man in einer solchen Situation Schmerzen empfindet, erkennt man sie nicht als Schmerzen. Sie sind dann nur noch dieses Objekt da, und man fühlt sich wohl dabei. Das liegt am Überwiegen des geistigen Wohlgefühls. Unter solchen Umständen ist man in der Lage, die vorgenommene Zeit für die Sitzung einzuhalten. Erst wenn man die Sitzung beendet und sich bewegt, oder wenn man zwischendurch aufhört zu noten, dann merkt man den Schmerz. Manche Meditierende erleben eigenartige plötzliche Schmerzen im Rücken oder in anderen Körperteilen. Das sind Schmerzen, die man als karmische Schuld bezeichnen könnte. Vielleicht hat der Übende auch in diesem Leben noch die Angewohnheit, zum Beispiel, Schlangen auf den Rücken zu schlagen, oder Hunde, Katzen und andere Kleintiere zu quälen. Dann sind die Schmerzen die Frucht (vipaka) solcher Handlungsweise (kamma), und wir sollten die Reifung dieses kamma geduldig ertragen.

Gehen und Stehen

 

F: Wie soll man bei der Gehmeditation gehen?

A: Die Mahasatipatthanasutta sagt dazu, wenn man geht, soll man sich bewußt sein, daß man geht. Es wird nicht gesagt, wieviele Teile ein Schritt hat. Der Atthakatha Kommentar teilt den einzelnen Schritt aber in bis zu sechs Teile:

1.     Rechter Schritt, linker Schritt.

2.     Den Fuß aufheben, den Fuß absetzen.

3.     Den Fuß aufheben, vorwärts bewegen, den Fuß absetzen.

4.     Die Ferse (vom Boden) lösen, den Fuß aufheben, vorwärts bewegen, den Fuß absetzen.

5.     Die Ferse lösen, den Fuß aufheben, vorwärts bewegen, den Fuß senken, den Fuß absetzen.

6.     Die Ferse lösen, den Fuß aufheben, vorwärts bewegen, den Fuß senken, den Boden (mit den Zehen) berühren, den Fuß absetzen.

Für die Meditation im Stehen stellt man sich aufrecht hin. Halten Sie die linke Hand mit der rechten, entweder vor oder hinter dem Körper, wie es Ihnen paßt. Dann stellen Sie innerlich das Erlebnis des stehenden Körpers fest: ‘Stehen, stehen..’, etwa dreimal. Beginnen Sie dann zu gehen und noten Sie gemäß dem ersten Gang: ‘Rechter Schritt, linker Schritt, rechter Schritt, linker Schritt’, und so weiter. Richten Sie Ihre Augen geradeaus, in eine Entfernung von etwa drei bis fünf Metern. Rufen Sie die Achtsamkeit wach und achten Sie auf die Empfindung des Fußes, der sich bewegt. Das Wort ‘rechts bedeutet, daß der rechte Fuß sich vorwärts bewegt, also die Bewegung des Fußes, während er sich bewegt, oder nach vorne gebracht wird. Stellen Sie den Fuß zuerst ab, bevor Sie das Gewicht verlagern. Das begünstigt die Achtsamkeit, weil der Bewegungsablauf bis zuende betrachtet wird, bevor das Objekt wechselt. Erst wenn der Fuß am Boden ruht, höchstens eine Handbreit vor dem anderen, verlagern Sie das Gewicht, und der andere Fuß kann sich bewegen.

Wird die Gehmeditation langsam ausgeführt, sollte man die Schritte innerlich begleiten mit drei Silben: ‘Rechts geht so, links geht so, rechts geht so’. Das Wort ‘…so sollte zusammentreffen mit dem Moment, wo die Sohle den Boden berührt. Geht man etwas schneller, notet man: ‘rechter Schritt, linker Schritt….’. Normales Gehen begleitet man innerlich nur als ‘rechts, links, rechts, links’.

Der Weg, auf dem wir die konzentrierte Gehmeditation machen, sollte etwa zwölf Schritte lang sein, oder drei bis vier Meter. Wenn Sie am Ende angekommen sind, müßen Sie sich umdrehen. Noten Sie das als ‘drehen, drehen’, während sich der Körper nach rechts oder links herumdreht. Die rechte Ferse folgt Stück für Stück einem Bogen; noten Sie das: ‘drehen, drehen,…’. Wenn Sie in die Richtung sehen, aus der Sie gekommen sind, noten Sie zunächst die stehende Haltung: ‘stehen, stehen’. Wenn Sie wieder losgehen, noten Sie innerlich die Schritte: ‘Rechts geht so, links geht so, rechts geht so’.

F: Wie lange soll die Gehmeditation geübt werden; wieviele Minuten jedesmal?

A: Wer keine Meditationserfahrung hat, sollte in jeder Übungseinheit die gleiche Zeit für das Sitzen wie für das Gehen aufwenden. Wenn man also 30 Minuten sitzt, soll man auch 30 Minuten gehen. Wer nur 20 Minuten sitzt, soll auch 20 Minuten gehen, und wer 10 Minuten sitzt, sollte auch nur 10 Minuten im Gehen üben. Wie lang die Übungseinheit sein soll, hängt von den Fähigkeiten des Übenden ab, ob es ein Kind, ein Erwachsener, oder ein alter Mensch ist.

Im allgemeinen gilt: Je länger Sie gehen können, desto besser. Dadurch entwickelt sich geistige Energie (viriya), sodaß man anschließend im Sitzen leichter achtsam noten kann. Manche Übende haben einen besonders zerstreuten, diskursiven Geist. Sie sollten die Übungszeiten im Sitzen und Gehen gleich halten; allenfalls etwas weniger gehen, damit sich mehr Konzentration (samadhi) entwickelt und der Geist ruhig wird.

F: Was sind die methodischen Richtlinien für die aufbauenden Stufen der Meditation?

A: Für den Übungsfortschritt ist es nötig, einen Klarblicklehrer zu haben, der einen in der korrekten Übungsweise berät. Er muß in täglichen Gesprächen prüfen, wie sich die Geisteskräfte des Meditierenden entwickeln und welche spezifischen Phänomene er erlebt. Wenn Probleme auftauchen, muß der Lehrer dem Übenden helfen, sie zu lösen. Er soll den Schüler zu rechtem Verständnis führen, sodaß die Übung in Fortschritt mündet und Hindernisse überwunden werden. Der Klarblicklehrer sollte die Intensität der Übung allmählich anheben, indem der die Schritteinteilung der Gehmeditation entsprechend dem Übungsfortschritt differenziert.

Die weiteren Schritte

Wenn beim Sitzen die Atmung sich beruhigt hat und das ‘Heben und ‘Senken langsam wird, sollte man gegen Ende des Atemzugs die Sitzhaltung als drittes Objekt regelmäßig noten: ‘Heben, senken, sitzen,’ – ‘heben, senken, sitzen…’, und so weiter.

F: Wie soll man die Sitzhaltung noten?

A: Wenn man sitzt, soll man sich bewußt sein, daß man sitzt. Das heißt, im Moment des Sitzens ist da die sitzende Form. Noten Sie diese Form: ‘Sitzen, sitzen’.

F: Und wie geht es in der Gehmeditation weiter?

A: Bei der Übung im zweiten Gang wird jeder Schritt in zwei Phasen unterteilt: ‘den Fuß aufheben’ und ‘den Fuß absetzen,’ oder: ‘aufheben, absetzen, aufheben, absetzen…’. ‘Aufheben’ heißt hier, den Fuß etwa 10 – 15 cm vom Boden zu heben, absetzen ist der Moment, wenn die Sohle den Boden berührt. Der bewegende Fuß soll den ruhenden Fuß nur eben um seine eigene Länge überragen. Wenn Sie, zum Beispiel, den rechten Fuß zuerst bewegen, dann soll die rechte Ferse etwa auf Höhe der linken Zehen abgesetzt werden, während der linke Fuß unverändert am Boden bleibt. Bewegt sich der linke Fuß, begleitet von der Bemerkung ‘aufheben, absetzen,’ dann wird die linke Ferse kurz vor den Zehen des rechten Fußes abgesetzt.

F: Wenn das Benennen gemäß dem zweiten Schritt mit Leichtigkeit ausgeführt wird, was soll man dann noten?

A: Gehen Sie über zum dritten Schritt. Als weiteres Hauptobjekt kommt im Sitzen die Berührung des Körpers mit dem Boden dazu. Wenn Sie ‘berühren noten, dann achten Sie auf die Druckempfindung, wo der rechte Sitzknochen auf den Boden drückt. Der Punkt, der genotet werden soll, hat etwa die Größe einer Münze. Noten Sie bei jedem Atemzug: ‘Heben, senken, sitzen, berühren’.

Diese Übung soll nur gemacht werden, wenn der Atem sich beruhigt hat und so langsam ist, daß genug Zeit bleibt, sich auf die Objekte Sitzen und Berühren zu konzentrieren. Versuchen Sie also nicht, den Atem zu kontrollieren oder künstlich zu verlängern. Das Hauptobjekt der Betrachtung ist das Heben und Senken der Bauchdecke. Wenn der Atem wieder schneller wird, sodaß Sie keine vier Objekte hintereinander noten können, dann noten Sie nur ‘heben, senken, sitzen’. Geht der Atem auch dafür zu schnell, lassen Sie auch ‘sitzen weg und noten nur ‘hebenund ‘senken’. Das Heben und Senken der Bauchdecke ist das primäre Hauptobjekt, das immer beachtet und genotet werden muß. Falls das Heben und Senken zu fein, zu undeutlich oder zu schnell wird, dann noten Sie ‘wissen, wissen ,’ bis Heben und Senken wieder klar sind. Dann noten Sie weiter ‘heben, senken’.

Für das Gehen im dritten Gang wird jeder Schritt in drei Phasen unterteilt: den Fuß aufheben, vorwärtsbewegen, den Fuß absetzen.’ Beim Gehen heben Sie den Fuß 10 – 15 cm vom Boden. Vorwärts bewegen’ bedeutet, daß der Fuß sich etwa 30 cm nach vorn bewegt. Wenn Sie ‘den Fuß absetzen,’ soll die ganze Sohle den Boden berühren.

F: Erklären Sie bitte den vierten, fünften und sechsten Gang, damit man weiß, wie sie geübt werden.

A: Die höheren Stufen der Gehmeditation setzen voraus, daß der Übende in der Meditation ein kontunierliches Energiepotential entwickelt hat. Bis hierher werden die unteren Stufen gebraucht, um die Konzentration, die sich im Sitzen entwickelt, durch neue Energie auszugleichen.

Der vierte Gang teilt die Schritte in vier Phasen ein: ‘die Ferse lösen, den Fuß aufheben, vorwärtsbewegen, den Fuß absetzen’. Das Wort ‘lösen bedeutet, daß nur die Ferse sich vom Boden abhebt. Der Fußballen bleibt weiter stehen.

Der fünfte Gang teilt die Schritte in fünf Phasen ein: die Ferse lösen, den Fuß aufheben, vorwärtsbewegen, den Fuß senken, den Fuß absetzen. Die ersten drei Phasen sind die gleichen wie beim vierten Gang. ‘Senkenwird genotet, während man den Fuß bis auf 5 cm über dem Boden absenkt. Dann notet man die Berührung mit dem Boden: ‘absetzen.

Der sechste Gang teilt die Schritte in sechs Phasen ein: ‘die Ferse lösen, den Fuß aufheben, vorwärtsbewegen, den Fuß senken, den Boden berühren, den Fuß absetzen.’ Wenn man diesen Schritt notet, sind die Phasen ‘lösen, aufheben, bewegen, senken,’ dieselben wie beim fünften Gang. Die Bemerkung ‘berühren heißt, daß Zehen und Ballen des Fußes den Boden berühren, aber die Ferse noch oben ist. ‘Absetzen bedeutet, daß die Ferse auf den Boden gesetzt wird.

F: Wird die Betrachtung der stehenden, der gehenden und der sitzenden Körperhaltung immer so geübt, wie Sie es erklärt haben, oder gibt es noch andere Unterschiede?

A: Die Meditation im Stehen hat nur eine Phase; man notet ‘stehen, stehen’. Man kann aber auch längere Zeit stehend meditieren und dabei das Gefühl von Wärme und Härte, daß in den Fußsohlen entsteht oder/und die Bewegung der Bauchdecke als Hauptobjekt betrachten. Die Gehmeditation wird, wie beschrieben, in sechs Stufen eingeteilt.

Für die Sitzmeditation gibt es noch weitere Tastobjekte oder Berührungspunkte, die man noten kann. Sie sollten eingesetzt werden, wenn der Geist träge und schläfrig ist. Wenn Sie die Druckempfindung betrachten, dann noten sie beide Sitzknochen, zuerst rechts, dann links: ‘Heben, senken, sitzen, berühren, berühren’. Wenn Trägheit und Müdigkeit dadurch nicht aufgelöst werden, sollten auch die Knöchel einbezogen werden. Nehmen Sie zunächst den rechten dazu, und wenn das nicht ausreicht, auch noch den linken.

Die Gelenkpunkte soll man nur noten, wenn zwischen dem Senken der Bauchdecke und dem nächsten Heben eine Pause auftritt. Sobald der nächste Atemzug beginnt, muß man wieder ‘heben, senken, sitzen,’ betrachten. Sollte es aber unmöglich sein, die Bewegung zu noten, weil sie unklar ist, kann man auch nur ‘sitzen, berühren, sitzen, berühren…’ noten, wobei die Achtsamkeit abwechselnd auf die verschiedenen Gelenkpunkte gerichtet wird. Dabei sollen, außer den Sitzknochen, mindestens sechs Punkte einbezogen werden: die Knöchel, die Knie, die Ellenbogen und Handgelenke. Wenn die Bewußtheit auf diese Weise viele Wege machen muß, kann es sein, daß dadurch Schläfrigkeit oder Benommenheit aufgelöst werden und der Übende neue Energie verspürt.

F: Wenn es Zeit zum Schlafen ist, wie soll man dann den liegenden Körper betrachten?

A: Bevor man sich hinlegt, soll man zunächst andere Haltungen achtsam noten, zum Beispiel ‘stehen, stehen.’ Wenn Sie den Körper herunterbeugen, noten Sie: ‘beugen, beugen,’ Wenn die Sitzknochen das Bett oder den Boden berühren: ‘berühren, berühren .’ Wenn Sie den Körper lehnen, um sich hinzulegen: ‘lehnen, lehnen.’ Wenn der Rücken die Unterlage berührt: ‘berühren, berühren ,’ Wenn Sie die Beine ausstrecken: ‘ausstrecken, ausstrecken.’ Wenn Sie die Knie anziehen: ‘beugen, beugen.’ Wenn Sie sich bewegen oder herumdrehen: ‘bewegen, bewegen,’ ‘drehen, drehen.’ Wenn Sie sich in einer Position einrichten: ‘einrichten, einrichten.’ Wenn Sie eine Hand aufstützen: ‘aufstützen, aufstützen.’ Wenn Sie eine bequeme Schlafhaltung erreicht haben, noten Sie ‘liegen, liegen ,’ bis Sie einschlafen – oder falls die Bewegung der Bauchdecke deutlich ist, dann betrachten Sie achtsam ‘heben, senken…’. In dieser Haltung soll man ganz entspannt betrachten. Notet man zu angestrengt, kann das verhindern, daß man einschläft.

In der Anfangsphase der Achtsamkeitsübung muß man unausgesetzt die vier primären Haltungen Gehen, Stehen, Sitzen und Liegen betrachten und jeden Moment achtsam noten. Nur wer nicht geistesabwesend ist und klarbewußt die gegenwärtig erlebte Geist-Körper-Verbindung von einem Moment zum anderen betrachtet, wird schon bald die Entwicklung von Klarblickwissen in sich feststellen.

Dies sind die Richtlinien für Klarblickmeditation in der Anfangsphase, die hier beschrieben wurden, damit sie in der praktischen Übung angewendet werden können.

MEDITATIVE PHÄNOMENE

(SAVHAVA)

und wie man damit umgeht

F: Wenn man eine Weile meditiert hat, entsteht bisweilen ein kribbelndes Gefühl im Körper, z. B. im Gesicht, am Rücken, oder in irgendeinem anderen Körperteil. Manchmal fühlt es sich an, als würde man von Ameisen gebissen oder von Mücken gestochen, als krabbelten Insekten über den Körper, oder als würde man mit Nadeln gepiekst, was teilweise durchdringende Schmerzen verursacht. Es kommt auch vor, daß sich die Körperhaare sträuben, man bekommt Gänsehaut, oder ein prickelndes Schauern erfaßt für einen Moment die Schultern oder den Rücken. Manchmal fließen Tränen ohne erkennbaren Grund, oder man beginnt zu schwitzen; Hitze wallt durch den Körper, oder Kühle überzieht die Haut. Was sind das für Phänomene? Wie entstehen sie? Wie soll man sie betrachten? Können sie für die Meditierenden gefährlich sein?

A: Alle diese Phänomene, die auftauchen, wenn man in die Kontemplation vertieft ist, werden sabhava genannt. Sie entstehen, wenn der Geist ruhig ist, ein Zeichen von Konzentration. Wenn Achtsamkeit intensiv geübt wird, intensiviert sich das Erleben; es entsteht Begeisterung (piti), die zur gleichen Gruppe von Geisteskräften gehört wie Konzentration. Diese beiden werden gemeinsam stärker und verursachen eine Vielzahl unterschiedlicher sabhava. Wenn solche Phänomene auftauchen, muß man sie mit Achtsamkeit noten. Wenn Sie zum Beispiel einen Juckreiz empfinden, noten Sie ‘jucken, jucken;’ wenn Sie glauben, von Ameisen gezwickt zu werden, noten Sie ‘zwicken, zwicken;’ wenn Sie einen Stich spüren, noten Sie ‘stechen, stechen;’ fühlt es sich an, als krabbelten Insekten im Gesicht oder auf dem Körper, noten Sie ‘krabbeln, krabblen.’ Wenn Sie spüren, wie Tränen oder Schweiß über die Haut rinnen, noten Sie ‘rinnen…’ oder ‘fließen, fließen;’ wenn sich die Körperhaare sträuben, noten Sie ‘sträuben, sträuben;’ wenn Sie einen Schauer empfinden, noten Sie ‘schauern, schauern ;’ fühlen Sie sich heiß, noten Sie ‘heiß, heiß;’ fühlen sie sich kalt, noten Sie ‘kalt, kalt.’ Wählen Sie passende Begriffe, um die Phänomene zu benennen, die sie erleben. Wenn Sie nicht wissen, wie Sie sie benennen sollen, noten Sie ‘wissen, wissen.’

Die meisten dieser sabhava sind Anzeichen von Intensität oder Begeisterung (piti). Wenn sie auftauchen, müssen Sie sie jedesmal noten. Sollten Sie das Noten vergessen, zeigt das die Verblendung (moha), die sozusagen im Objekt liegt, die mit dem Objekt auftaucht und den Geist verwirrt. Wenn solche sabhava häufig auftauchen, nennt man das “Hängen an sabhava. Das muß unter Kontrolle gebracht werden, indem Achtsamkeit (sati) und Energie (viriya) stärker entwickelt werden. Noten Sie die Phänomene mit der Absicht, sie loszulassen; haften Sie an nichts an.

F: Manchmal fühlt es sich im Sitzen so an, als wären die Hände größer als gewöhnlich, oder die Füße, der Bauch oder der ganze Körper kommen einem größer vor. Zeitweise fühlt sich der Körper leichter an, als schwebte er über dem Boden. Manchmal scheinen auch die Füße, der Kopf oder der Körper gänzlich zu verschwinden. Wie soll man das betrachten?

A: Seien sie nur achtsam und noten Sie die Phänomene so wie Sie sie empfinden: fühlen sich Hände, Füsse oder Körper größer an, noten Sie ‘groß, groß;’ wenn der Körper leicht wird, noten Sie ‘leicht, leicht;’ scheint er zu schweben, noten Sie ‘schweben, schweben.’ Verschwinden Hände oder Füße, oder Sie können plötzlich den Körper nicht mehr wahrnehmen, noten Sie ‘verschwunden, verschwunden’.

F: Manchmal taucht in einer Sitzung die Wahrnehmung von Helligkeit oder Licht auf; man sieht Bilder, Häuser, Menschen, religiöse Objekte oder Personen. Manchmal sind diese Objekte sehr klar und hell, manchmal trüb und schwach; das hängt von der Konzentration ab. Wenn samadhi sehr stark ist, sieht man die Objekte sehr deutlich. Taucht ein nimitta auf, dann noten Sie ‘sehen, sehen,’ bis die Lichterscheinung, die Farbe oder das Bild wieder verschwindet. Danach gehen Sie wieder zurück zur Bauchdecke und noten weiter ‘heben, senken’. Sollte die geistige Wahnehmung nicht verschwinden, wenn man sie ein paarmal genotet hat, dann kommt das vom Anhaften (upadana ), das eine Vorliebe für diese Dinge entwickelt. Die Farben, das Licht und vielerlei nimitta tauchen dann immer wieder neu auf. Man muß dann Achtsamkeit entwickeln, indem man die nimitta sofort erkennt und mit der Absicht notet, sie loszulassen. Üben Sie eine desinteressierte Haltung. Sollte das Noten aber gar keinen Einfluß auf die Bilder haben, dann kümmern Sie sich nicht weiter darum. Gehen Sie zur Bauchdecke zurück oder noten Sie andere Objekte – Empfindungen, Gedanken und so weiter. Die Bilder werden dann nach und nach von selbst weggehen.

F: Manchmal schwankt der Körper; es kommt einem vor, als ob er sich dreht, der Körper bebt, zittert, zuckt oder scheint zu rutschen. Manchmal spürt man einen plötzlichen Stoß. Was ist das? Wie soll man damit umgehen?

A: Die Objekte, sabhava oder Erlebnisse können mitunter sehr heftig sein. Das liegt an der Persönlichkeit des Übenden – alle Menschen haben ihre individuelle Geschichte. Manche haben nur wenig mit diesen Phänomenen zu tun. Andere wieder werden von der Stärke der Erlebnisse überwältigt; wenn piti und samadhi zusammenwirken, erleben sie mächtige sabhava, die vom Bewußtsein nicht kontrolliert werden können. Dann äußern sie sich über den Körper und veranlassen ihn zu schwanken, zu wackeln, zu zittern. Wenn der Körper schwankt, noten Sie ‘schwanken, schwanken;’ wenn er sich dreht, noten Sie ‘drehen, drehen;’ rutscht er weg, noten Sie ‘rutschen, rutschen;’ zittert er, noten Sie ‘zittern, zittern;’ zuckt er, noten Sie ‘zucken, zucken.’ Wenn Sie einen Stoß spüren, noten Sie ‘stoßen, stoßen.’

Manche Leute haben sehr intensive Erlebnisse dieser Art. Für sie scheint das ganze Haus sich zu drehen, das Haus selber schwankt, wackelt oder zittert. Das kann so weit gehen, daß man sich übergeben muß. Wenn Ihnen so etwas passiert, machen Sie sich keine Sorgen und haben Sie kein Angst. Seien sie nur achtsam und noten Sie die Objekte, die Sie erleben, immer wieder. Wenn Achtsamkeit ein hohes Niveau erreicht, werden sie von selbst aufhören.

In seltenen Fällen kann es vorkommen, daß die sabhava trotz aller Bemühung um Achtsamkeit nicht weggehen und auch bei langem, anhaltendem Noten nicht schwächer werden. Diese Leute müssen zu einem Klarblicklehrer gehen, der viel Erfahrung im Umgang mit diesen starken sabhava hat und ihnen hilft, sie in den Griff zu bekommen, indem er sorgfältig Anweisungen gibt, wie man richtig notet. Die hinderlichen Phänomene werden dann allmählich schwächer werden, und schließlich völlig verschwinden.

 

HINDERNISSE IN DER

KLARBLICKÜBUNG

 

F: Was sind die hauptsächlichen Hindernisse in der Übung von Klarblickmeditation?

A: Es gibt drei Stufen von Hindernissen in der Klarblickmeditation –

1.  Die Hindernisse der Ungeübten

Normalerweise ist unser Geist daran gewöhnt, ständig von weltlichen Objekten umgeben zu sein, also optischen und akustischen Reizen, Geruchs- und Geschmacksempfindungen, körperlichen Reizempfindungen und geistigen Objekten – Vorstellungen, Gedanken, Emotionen. Wir sind mit diesen Objekten durch Augen, Ohren, Nase, Zunge, Körper und Geist verbunden. Diese Sinne sind die ganze Zeit in Betrieb und verursachen Wohlbefinden und Unwohlsein, Vorliebe und Abneigung, Freude und Trauer, Glück und Kummer. Auf diese Weise entstehen Gier, Haß und Verblendung. Das erleben wir andauernd jeden Tag. Die Gewöhnung führt zu Anhaften (upadana) an materiellen Dingen, die sich von Natur aus aber immer verändern. Das nennt man maya, Illusion; sie lockt uns, täuscht uns und hält uns trügerisch zum Narren, bis wir anhaften und die wahre Natur unserer eigenen Geistesverfassung nicht mehr erkennen.

Wenn wir mit der Übung des Dhamma beginnen und die vier Grundlagen der Achtsamkeit entwickeln, dann lernen wir allmählich die fünf Gruppen des Anhaftens kennen, die in Wirklichkeit unser eigener Körper und Geist sind.

Wenn wir den Geist kontrollieren und ihn auf das gegenwärtige Objekt einstellen, das ja immer nur jeweils ein einzelnes Objekt ist, dann sträubt sich der Geist dagegen und wehrt sich. Solange Achtsamkeit noch schwach ist, entstehen dauernd Gedanken und der Geist wandert ziellos auf der Suche nach interessanten Objekten. Immer wieder bleibt er an Vergangenheit und Zukunft hängen. Wenn der Geist viel wandert, fühlen wir uns irritiert, und das führt zu Entmutigung und Dumpfheit und noch mehr Gedanken. Manche Leute glauben sogar, sie hätten nicht genug gutes kamma angesammelt, um meditieren zu können. Manche schieben es aufs kamma, andere sagen, der Lehrer wäre nicht gut. Oder sie behaupten gleich, Klarblickmeditation wäre zu nichts nutze.

In Wirklichkeit ist der Geist des Meditierenden arg bedrängt von den Hindernissen oder Unreinheiten (nivarana, kilesa). Wenn Achtsamkeit wenig entwickelt ist, wird der Geist noch nicht wirklich ruhig, weil Konzentration (samadhi) fehlt. Man hat kein Selbstvertrauen. Viele Zweifel kommen einem in den Sinn. Das ist der Grund, warum die Übung keine rechten Fortschritte macht. Manche Leute geben dann den Versuch, zu meditieren, auf und kehren nach Hause zurück. Als Grund geben sie an, sie hätten zu Hause Arbeit zu erledigen, oder sie müßten sich um ihre Kinder oder Enkel kümmern. Oder sie sagen, sie hätten kein geistiges Potential. Manche Leute gestehen auch bereitwillig ein, daß sie es einfach nicht schaffen, ihre geistigen Unreinheiten zu bekämpfen, und daß sie es vielleicht später noch einmal versuchen wollen.

Die hauptsächlichen Hindernisse, die der Meditierende in der Anfangsphase der Meditation überwinden muß, sind nichts weiter als die fünf geistigen Hindernisse (nivarana) –

Die fünf geistigen Hindernisse (nivarana) –

1.     Sinnesbegierde (kamacchanda). Das Ergötzen, die Freude, der Genuß von angenehmen Objekten, wie schöne Anblicke, harmonische Klänge, wohlriechende Düfte, köstliche Geschmäcke, sanfte Berührungen und gefällige, befriedigende Geistesobjekte.

2.     Ärger (byapada). Mißgunst und Böswilligkeit gegenüber anderen.

3.     Trägheit und Starre (thina-middha). Dumpfheit und Unbeweglichkeit des Geistes.

4.     Unruhe und Aufregung (uddhacca-kukkucca). Rastloses Denken, begleitet von innerer Aufregung, Kummer oder Sorge.

5.     Zweifel (vicikiccha). Unsicherheit, Skepsis, Entschlußunfähigkeit.

Der Anfänger wird feststellen, daß die fünf Hindernisse den Geist ununterbrochen stören. Wer da kein Selbstvertrauen hat, dem fehlt das Vermögen, weiter zu üben, und im allgemeinen werden diese dann die Übung aufgeben müssen.

Aber diejenigen Übenden, die festentschlossen sind und an die Weisheit Buddhas glauben, werden die Achtsamkeit einrichten, um das Objekt zu noten, das gegenwärtig entsteht. Mit anderen Worten, sie werden weiterhin unabläßig das Heben und Senken der Bauchdecke betrachten, und wenn die Hindernisse im Geist auftauchen, werden sie dies achtsam bemerken: -

Wenn Verlangen entsteht, dann noten Sie ‘Verlangen, Verlangen;’ wenn Ärger entsteht, noten Sie ‘Ärger, Ärger;’ wenn Schläfrigkeit entsteht, noten Sie ‘schläfrig, schläfrig;’ wenn ein wandernder Geisteszustand entsteht, noten Sie ‘wandern, wandern.’ Denken entsteht: Noten Sie ‘denken, denken;’ Sorge entsteht: Noten Sie ‘sorgen, sorgen;’ Zweifel entsteht: Noten Sie ‘unsicher, unsicher.’

Wenn die Übenden nur immer die geistigen Hemmnisse noten, wann immer sie entstehen, dann werden sie gute Ergebnisse in der Praxis erzielen. Das bedeutet, Achtsamkeit wird stärker und stärker werden. Man wird die Gedanken, die entstehen, schneller erkennen. Dann kommen die Gedanken allmählich zur Ruhe. Aber bevor es soweit ist, fühlen sich die Übenden oft deprimiert und ärgern sich häufig. Dieser Ärger wird sich von selbst erschöpfen, bis man ganz überrascht feststellt, wie sehr man sich verändert hat. Zuvor gab es Gedanken und Wünsche bezüglich vieler Dinge; aber dann läßt dieses Denken nach und nach nach. Wenn man besser sehen kann, daß diese Objekte nicht stabil sind, nicht so bleiben, wie sie sind und sich pausenlos verändern, dann wird das Noten mit Achtsamkeit eine kontinuierliche Haltung und die Verblendung wird langsam gelüftet.

1.  Die Hindernisse der mittleren Stufe

Sie entstehen, wenn der Meditierende die Übung des Klarblicks fleißig vorangetrieben hat. Gute Konzentration (samadhi) hat sich nach und nach aufgebaut. Das führt zu Manifestationen der Konzentration. Verschiedene natürliche Phänomene (sabhava) von Begeisterung und Ruhe (piti, passaddhi) tauchen ebenfalls häufiger auf. Einige Meditierende haften an solchen Phänomenen aufgrund eines Mißverständnisses an; manche glauben sogar, sie hätten schon eine hohe Stufe in der Meditation erreicht. Einige gewinnen eine Vorliebe für Bilder, Farben oder Licht (nimitta), weil sie diese Erscheinungen für ernstzunehmende Dinge halten. Das kann auf lange Sicht in eine Sackgasse führen.

Ist der Meditierende froh und glücklich mit diesen Objekten, wenn er in diesem Stadium der Entwicklung ist, so entsteht daraus Anhaften (upadana), und er wird weiterhin Ausschau halten, was sonst noch alles passiert. Das nennt man ‘an sabhava hängenbleiben.’ Der klassische Kommentarausdruck istVerderben des Klarblicks (vipassanupakkilesa). Das bedeutet, diese Erlebnisse werden dem Klarblick zum Verderben: Die Übung macht keine weiteren Fortschritte mehr. Man sagt dazu auch “ den falschen Weg gehen,” denn es ist nicht die Übung des Mittleren Weges, welcher der einzige zur Überwindung des Leidens ist, der Weg des Nicht-Anhaftens an den fünf Bündeln der Geist-Körperlichkeit (nama-rupa), der Weg geistiger Reinheit, frei von den Eintrübungen weltlicher Voreingenommenheit (asavakilesa), dieser Maschinerie des Kummers. Es ist der Weg zum restlosen Verlöschen allen Leidens!

Jeder Übende wird den Hindernissen dieser zweiten Stufe mehr oder weniger intensiv begegnen müssen. Man braucht dann einen Klarblicklehrer, der bereit ist, einem zu helfen, damit man einsieht, daß diese Phänomene, die da vor der Achtsamkeit auftauchen, nichts weiter als Manifestationen des Geist-und-Körper-Komplexes (nama-rupa) sind, sie sind nichts Besonderes. Das Ziel der Klarblickübung besteht darin, den Geist auf ein Objekt zu richten, das höher steht als Geist-und-Körper, nämlich das Verlöschen (nibbana) dieser beiden. Wenn wir damit anfangen, uns an diese Geist-und-Körper-Objekte zu hängen, dann werden wir Nibbana nie erreichen. Also müssen wir die Objekte, die zu Geist-und-Körper gehören allesamt aufgeben. Solange man froh und glücklich über diese Geist-Körper-Objekte ist, wird man sich außerstande sehen, die Hindernisse der zweiten Stufe zu überwinden. Der Meditierende mit rechtem Verständis anerkennt die entstehenden Objekte, indem er sie notet, und dann läßt er sie los und haftet an nichts.

Die überwiegende Mehrzahl der Übenden wird keine großen Probleme darin finden, die Hindernisse der zweiten Stufe zu meistern. Mit einem qualifizierten Lehrer und intensiver Übung lernen sie eine persönliche Auswahl von sabhava kennen und entwickeln dann die empfohlene Haltung ruhiger, desinteressierter Aufmerksamkeit. Dann werden die Phänomene in Häufigkeit und Intensität stark reduziert.

2.  Hindernisse der entwickelten Stufe

Die dritte Stufe von Hindernissen erreicht der Übende erst in der fortgeschrittenen Entwicklung des Klarblicks. Da arbeitet man daran, unerschütterlichen Gleichmut zu üben, um ein stabiles geistiges Gefüge für Vertiefungskonzentration zu entwickeln. Das ist keine reine Willenssache, denn wir sind organische Wesen, deren Lebenserfahrung natürlichen Schwankungen unterworfen ist.

Das gilt auch für die Klarblickübung. Selbst wenn ein Meditierender sich in gleichförmiger Weise beständig bemüht, tauchen nach drei bis vier Stunden intensiver Meditation wieder mehr Gedanken auf. Man erlebt Vorfreude, wünscht sich, das Ziel zu erreichen, oder man malt sich aus, welche Schwierigkeiten noch vor einem liegen und betrachtet die eigene Entwicklung kritisch. Solche Objekte hängen eng mit unserem Selbstverständnis als handelnde Personen zusammen, und die Tendenz, sich zu identifizieren, ist so stark, daß man die Objekte nicht gleichmütig notet. Das führt immer wieder zu einem Verlust an Konzentration. Bemüht man sich daraufhin, wieder ruhiger zu werden, verursacht man Geistesaktivitäten, die zu Sorgen, Anspannung, Aufregung, und Sprunghaftigkeit führen.

In der fortgeschrittenen Stufe der Meditation arbeitet man an der Überwindung von diffusen Erwartungen, Hoffnungen und Befürchtungen. Man lernt da, die subjektivsten Gedanken und Erlebnisse nur als geistige Objekte zu betrachten und gleichmütig zur Kenntnis zu nehmen. Dieser Gleichmut ist hier kein Objekt für Identifikation, so wie im Zusammenhang mit der zweiten Stufe von Hindernissen. Hier führt die Besinnung auf Gleichmut zur direkten Wahrnehmung der drei Merkmale an diesen geistigen Objekten. Die Identifikation ist dadurch aufgehoben, und die Konzentration wird sofort wieder aufbauend. Wenn die Identifikation wegfällt, erlebt man geistige Räume, die losgelöst sind von jeder Aneignung als persönliches Erlebnis.

Manchmal werden Konzentration und innere Ruhe sehr rasch sehr tief. Keine Gedanken sind in Sicht und man erlebt einen völlig veränderten Bewußtseinszustand. Die Konzentration ist reduziert auf den nächsten Bereich, der dafür umso intensiver wahrgenommen wird. Dann empfindet man den Körper nur als eine Sphäre von Achtsamkeit, die durchquert wird von Gefühlen und Emotionen, als ob es Sternschnuppen wären. Oder man hat das Gefühl, sich körperlich in einem engen Behälter zu befinden, auch das Bewußtsein scheint eingezwängt. Man verliert zeitweise jede Idee von einem Selbst, wird sich dessen aber nicht bewußt, solange es dauert. Nach einer Weile hört diese Art der Geistestätigkeit auf, und zurückblickend stellt man fest, daß Achtsamkeit äußerst aktiv gewesen ist, das Noten ging unabläßig parallel mit dem gegenwärtigen Objekt, aber die Identifikation mit dem Noten fehlte. Solche Erfahrungen sind typisch für die letzte Phase des Klarblickfortschritts, wenn der Meditierende die drei Merkmale äußerst deutlich wahrnimmt, aber die Objekte sind manchmal nicht klar. Man soll hier besonders aufmerksam beobachten, wie die Geisteszustände und die Objekte sich von Moment zu Moment verändern. Wenn man so immer den ersten Eindruck notet, wird die Betrachtung sehr klar und ausgeglichen.

Manchmal gibt es Zeiten, wo das geistige Benennen ohne Anstrengung sehr rasch wird, viel schneller, als man alles aussprechen könnte. Dann sollte man die Achtsamkeit so einrichten, daß die Hauptobjekte eingereiht sind in die Vielzahl von Eindrücken, die die Sinne produzieren. Tauchen in diesem Prozeß wieder mehr Gedanken auf und man wird häufiger unsicher, ob und wie man bestimmte Objekte noten soll, dann wird es Zeit, die Achtsamkeit bewußt für eine Weile auf die geläufigen vier Hauptobjekte zu beschränken, um den Zuwachs an Achtsamkeit wieder in Konzentration umzusetzen. So ergänzen sich Achtsamkeit und Konzentration bei der Arbeit während der Vertiefungsphase der Klarblickmeditation.

Die Entwicklung von Konzentration kann man mit der Aufgabe vergleichen, einen schwerbeladenen Lastwagen auf einen steilen Berg hinaufzufahren. Um den Gipfel erreichen zu können, braucht der Lastwagen einen starken Motor.

Zu Beginn der Übung ist die Konzentration noch ungeübte momentane Konzentration (khanika samadhi); wenn man das Heben/Senken notet, wird man schnell von diesem Objekt abgelenkt. Wird die Konzentration stärker, dann wandelt sich ihre Funktion zu angrenzender Sammlung (upacara samadhi) und sie kann länger bei dem Objekt bleiben. Aber man muß ja noch die Stufe erreichen, wo die angrenzende Sammlung in Vertiefung (appana samadhi) übergeht, die noch stärker und tiefer ist. Diese volle Konzentration ist Voraussetzung für den ‘edlen Pfad’. Wer dies verwirklichen möchte, darf sich nicht auf ein absehbares Ende einstellen, sonst erreicht er nichts. Nur wer mit ganzer Kraft unablässig weiterübt, ohne seinen Fortschritt zu berurteilen und abzuschätzen – nach dem Motto: “Wer neunzig Prozent geschafft hat, vor dem liegt noch die Hälfte” – der bringt die Konzentration auch zur Vollendung.

Buddha hat die Menschen allgemein in vier Klassen von Individuen eingeteilt und verglichen mit vier Entwicklungsstadien von Lotusblumen: solche, die sich in voller Blüte über dem Wasser erheben; solche, deren Knospen über dem Wasserspiegel und kurz vor dem Aufbrechen sind; solche, deren Knospen kurz davor sind, aus dem Wasser zu kommen; und solche, die nicht aus dem Wasser kommen werden. Zu den vier Arten von Indviduen erklärte Buddha:

  • die Plötzlich Erleuchteten (ugghatitannu) sind so wie der Lotus in voller Blüte. In Buddhas Zeit lebten viele dieser Menschen. Sie hatten in der Vergangenheit schon lange ein religiöses Leben geführt und ihren Geist in Konzentration geübt, bis hin zur Beherrschung psychischer Wunderkräfte. Als sie aufgrund ihres guten kamma dem Buddha persönlich begegneten, konnten sie die Lehre sofort verstehen und in praktische Geistesaktivität umsetzen, ohne noch durch einen Lernprozeß zu gehen. Sie wurden durch wenige Worte erleuchtet.
  • die Schnellmerker (vipacitannu) sind so wie die Lotusknospen über dem Wasser. Auch solche Menschen gab es viel in Buddhas Zeit. Aufgrund ihres hohen moralischen Status und meditativer Entwicklung in früheren Leben konnten auch sie die Buddhalehre durch aufmerksames Zuhören in sich verwirklichen, wenn sie vom Buddha eine detaillierte Erklärung bekamen.
  • die Lehrlinge (neyya) sind wie Lotusknospen, die sich gerade bemühen, aus dem Wasser zu kommen. In der heutigen Zeit sind es hauptsächlich solche Individuen, die an Meditation interessiert sind. Das bedeutet, daß man sich in unserer Zeit mächtig anstrengen muß, um sich Theorie und Praxis der Buddhalehre zu eigen zu machen. Die Verwirklichung des Ziels erfordert ein starkes Potential an Gierlosigkeit, Haßlosigkeit und Unverblendung, das von diesen Menschen im Wesentlichen hier in diesem Leben durch intensive Meditation erworben wird. Alle Anstrengungen in der Übung des Klarblicks tragen dazu bei, sie dem Ziel näher zu bringen. Selbst wenn sie es in diesem Leben noch nicht erreichen, entwickeln sie durch die Übung die heilsamen Wurzeln und stellen die Weichen für die Verwirklichung des Ziels in einer kommenden Wiedergeburt. So können wir uns selbst vergewissern, daß wir nicht zu der vierten Art von Personen gehören.
  • Die Unerreichbaren (padaparama) sind wie die Lotusse, die zu schwach sind, aus dem Wasser zu kommen. Diese Leute wollen von der echten Buddhalehre nichts wissen. Wenn sie davon hören, regen sie sich auf oder protestieren; es ist ihnen so unangenehm, daß sie nicht zuhören wollen. Solche Menschen findet man auch unter buddhistischen Schriftgelehrten, die sich nur an Worten und Definitionen festklammern und nicht begreifen, daß die wirkliche Lehre Buddhas in den Geistesaktivitäten zu suchen ist, die der Übende durch praktische Klarblickmeditation entwickelt, und die rechtes Verständnis erzeugen. Denn wenn man sie nicht in sich verwirklicht und erlebt, dann kennt man die Buddhalehre gar nicht wirklich.

AUSGLEICH

DER FÄHIGKEITEN

Wenn der Meditierende allmählich die Achtsamkeit im Bemerken von Geist und Körper eingerichtet hat, dann gewinnen auch die fünf geistigen Fähigkeiten (indriya) mehr und mehr an Einfluß.

Die fünf geistigen Fähigkeiten:

1.     Vertrauen (saddha) – und zwar in die Weisheit Buddhas und in die eigene Kraft.

2.     Energie (viriya) – Anstrengung, eifrige Bemühung:

  • bei der Vorbeugung vor den geistigen Hindernissen;
  • bei der Auflösung von entstandenen Hindernissen;
  • bei der Entwicklung von Achtsamkeit, die das gegenwärtige Objekt betrachtet.
  • Bei der Bewahrung und Stärkung von Achtsamkeit (sati), Konzentration (samadhi) und Weisheit (panna).

1.     Achtsamkeit (sati) – sich beständig und dauerhaft in der Betrachtung des gegenwärtigen Augenblicks der Objekte bewußt zu sein, die zu den vier Grundlagen der Achtsamkeit gehören, nämlich Körper, Gefühl, Geisteszustände und Geistesdinge.

2.     Konzentration (samadhi) – Den Geist auf das Objekt zu richten, das gegenübersteht, sich entgegenstellt.

3.     Weisheit (panna) – Gründliches Wissen; Verständnis, was Gestaltungen oder Gebilde (sankhara) betrifft.

Um herauszufinden, ob diese fünf Geisteskräfte (cetasika) schon die Stärke von geistigen Fähigkeiten (indriya) haben, muß man prüfen, ob die Hindernisse der zweiten Stufe schon überwunden sind. Wenn sie immer noch in der Meditation auftauchen, dann hat man noch nicht die Stufe der indriya erreicht. Erst wenn die Hindernisse der zweiten Stufe völlig überwunden sind, kann man von diesen Geisteskräften in der Funktion von indriya (kontrollierender Kraft) sprechen.

Zu Beginn der Übung kann, zum Beispiel, die Achtsamkeit noch nicht die unmittelbare Gegenwart noten. Aber im Laufe der Übung wird sie schneller, bis sie das Entstehen und Vergehen von Geist und Körper (nama-rupa) anhand gegenwärtiger Sinneserlebnisse beobachten kann, und gewinnt so den Anschluß an die Wirklichkeit. Klarblick und Weisheit (nana, panna) steigen von da an von Stufe zu Stufe bis zum höchsten Gipfel des Klarblicks hinauf.

Das Erleuchtungserlebnis, also den überweltlichen edlen Pfad (lokuttara magga) und seine Frucht (phala) wirklich zu durchlaufen, ist nicht so einfach, wie manche Leute es gerne hinstellen möchten – diejenigen nämlich, die nur glauben, sie hätten bereits transzendentes Wissen. In den allermeisten Fällen handelt es sich da um falsches Wissen, und das führt nur zu Angeberei und falschem Stolz und lockt andere auf die falsche Fährte.

F: Manche Leute sagen, wenn die fünf geistigen Fähigkeiten (indriya) nicht im Gleichgewicht sind, macht man in der Übung keine rechten Fortschritte. Wie kommt das?

A: Wenn man die vier Grundlagen der Achtsamkeit übt, werden die Geisteskräfte, die zu den Fähigkeiten zählen Vertrauen, Energie, Achtsamkeit, Konzentration und Weisheit – immer gemeinsam aktiv, weil sie Bestandteile des Achtfachen Pfades sind. Sie sind aber nicht immer in einem ausgeglichenen Verhältnis, wenn sie auftauchen. Diese fünf Fähigkeiten setzen sich zusammen aus zwei Paaren miteinander kommunizierender Kräfte: Vertrauen und Weisheit sind das eine Paar, Energie und Konzentration das andere. Achtsamkeit, die verbleibende, fünfte Kraft, hat die Funktion, die Arbeit dieser beiden Paare zu beaufsichtigen, zu regulieren und ihre Qualitäten zu harmonisieren.

Man kann das mit einem Vierspänner vergleichen, wo der Kutscher die Aufgabe hat, die Pferde zu dirigieren, sodaß sie alle gleichmäßig laufen. Wenn eines zu schnell wird, muß er die Zügel benutzen, um dieses Pferd mit den anderen zu koordinieren. Wenn eines an Tempo verliert, werden die Zügel schlaffer. Dann nimmt der Kutscher die Peitsche, um dieses Pferd auf die gleiche Leistung wie die anderen zu bringen. Der Kutscher muß die Pferde unabläßig beobachten und dirigieren, damit sie in einem gleichmäßigen Tempo gemeinsam den Wagen ziehen. Wenn seine Kontrolle nicht gut ist, behindern sich die Pferde gegenseitig und der Wagen bleibt nicht in der Spur. Kommt er nicht ganz vom Weg ab, so wird der Wagen doch langsam und ist schwer zu steuern.

Ähnlich verhält es sich mit den fünf geistigen Fähigkeiten: Wenn sie nicht im Gleichgewicht sind, muß Achtsamkeit hart arbeiten, um sie durch Noten miteinander zu harmonisieren und auszugleichen –

Eine Ungleichheit von Vertrauen (saddha) und Weisheit (panna) macht sich auf folgende Weise bemerkbar: Wenn der Geist ruhig wird in der Übung, können Manifestationen von Konzentration (samadhi) im Geist auftauchen. Übende, die nicht mit Achtsamkeit noten, schauen mit Zufriedenheit auf diese Objekte – oder sie noten zwar, aber nicht mit dem Wunsch, sie vorübergehen zu lassen, nicht an den Objekten anzuhaften. Je mehr man sie notet, desto klarer und deutlicher werden die Bilder; das Noten kann sie dann nicht zum Verschwinden bringen. In einem solchen Fall ist Vertrauen stärker als Weisheit. An irgendwelchen Objekten anzuhaften oder Dinge für real zu halten, die wirklich irreal sind, dazu sagt man: Vertrauen überwiegt die Weisheit.

Wenn der Übende von seinem Klarblicklehrer den Rat erhält, daß jedwedes Objekt, das im Geist auftaucht, sofort genotet werden muß, daß er an diesen Objekten keinen Gefallen finden soll, und der Übende versteht das, dann wird er einfach die Achtsamkeit anwenden und diese nimitta – Licht, Farben, Bilder – als ‘sehen, sehen’ noten, bis sie verschwunden sind. Und wenn sie erneut auftauchen, kann man das Entstehen und Vergehen dieser Objekte erkennen. So wird Weisheit ins Gleichgewicht mit Vertrauen gebracht.

Bei manchen Übenden liegt der Fall genau umgekehrt: Bei ihnen überwiegt Weisheit das Vertrauen, weil sie viel studiert haben und viel wissen. Sie haben Vorlesungen von Fachleuten gehört oder auf eigene Faust studiert. Wenn sie anfangen zu meditieren, dann erleben sie schon mal das eine oder andere Objekt oder sabhava. Und dann müssen sie immer denken und überlegen: “Das ist ein sabhava Phänomen und heißt so und so.”

Wenn sie immer denken und überlegen, wird ihr Geist noch unruhiger. Das geht bei einigen soweit, daß sie nicht mehr schlafen können. Dadurch wird man körperlich erschöpft und nervlich überbelastet. Dieses intensive Nachdenken über die Wirklichkeit ist ja nur Verstandesweisheit (cintamayapanna) – Weisheit, die durch Denken entsteht, wenn der Verstand versucht, eine Vorstellung der Wirklichkeit auf dem Gebiet des Denkens zu bilden.

Bei manchen Leuten wird dieses selbe Übergewicht der Weisheit über Vertrauen von Selbstüberschätzung oder Einbildung (mana) verursacht. Sie denken, sie wären was Besonderes; schließlich werden sie zu Leuten, die niemandem mehr glauben, nicht einmal dem eigenen Klarblicklehrer, und so kommt es, daß Weisheit das Vertrauen überwiegt.

Die Methode für diese Meditierenden besteht darin, daß sie das Denken oft noten müssen: ‘denken, denken . Wenn sie überzeugt sind, richtig zu denken, sollen sie ‘richtig denken, richtig denken’ noten, bis das unruhige, aufgeregte Denken allmählich verebbt. In dieser Phase muß der Klarblicklehrer den Übenden ermahnen und trösten, und darauf hinweisen, daß diese sabhava, oder was immer, nur Manifestationen von Geist-und-Körper sind, und daß sie bloß in der Anfangsphase der Meditation auftauchen. Man soll sich gar nicht weiter damit befassen. Der Lehrer sollte dazu Beispiele wie dieses geben: -

Ein Mann ist auf der Suche nach einem lupenreinen Diamanten. Er weiß, daß der Diamant auf einem Berggipfel ist. Als er den Fuß des Berges erreicht, findet er da im Schatten glitzernde Steine in allen Farben. Er hält sie für echte Diamanten, ist ganz gebannt und entzückt und beginnt, sie einzusammeln. Der echte Diamant wird ihm entgehen, wenn er so weitermacht. Schuld daran ist sein eigenes Mißverständnis.

So richtet auch der Meditierende seinen Geist auf ein hohes Ziel, Nibbana, aber ihm begegnen nur Geist-und-Körper. Dazu kommt falsches Verständnis, und dann haftet er am eigenen Denken an. Wenn der Lehrer ihm erklärt, daß dieser Geist-Körper-Komplex vergänglich, bedrückend und kein Selbst ist, daß nicht einmal die eigenen Gedanken dauerhaft sind, dann muß er die Achtsamkeit anwenden und nur dieses gegenwärtige Objekt noten: ‘denken, denken. Wer in der Meditation denkt, meditiert nicht, sondern denkt. Wer aber mit Achtsamkeit das gegenwärtige Objekt notet, der übt Klarblickmeditation. Wenn der Übende die Achtsamkeit anwendet und das Denken aufhört, dann ist Weisheit im Gleichgewicht mit Vertrauen.

Das zweite Paar von Fähigkeiten, besteht aus Energie (viriya) und Konzentration (samadhi), ist während des gesamten Übungsverlaufs der Motor der Entwicklung. Sind diese Kräfte nicht im Gleichgewicht, dann stagniert der Fortschritt. Wenn Energie die Konzentration überwiegt, fängt der Übende an, viel unsinniges Zeug zu denken und erwägt irrlichternd Vergangenes und Zukünftiges. Oder er denkt erwartungsvoll an die Ergebnisse, auf die er hofft, kann kaum erwarten, daß etwas passiert, und möchte dieses oder jenes Phänomen erleben. Ein Geist, der solche sabhava produziert, ist kein ruhiger Geist; es mangelt an Konzentration. Oder anders gesagt, Energie überwiegt die Konzentration.

Die Methode für den Ausgleich der Fähigkeiten besteht darin, die Konzentration zu vermehren. Man muß die Methode zur Vertiefung der Konzentration gewissenhaft anwenden. Konzentration wird intensiviert, indem man während der Gehmeditation sehr langsam geht. Von den sechs Stufen der Gehmeditation werden der vierte, fünfte und sechste Gang eingesetzt, um die Konzentration zu vermehren. Dadurch wird der Geist beruhigt und bleibt stärker mit dem Hauptobjekt verbunden. Man soll sehr langsam gehen und die einzelnen Phasen der Schritte genau mit Achtsamkeit verfolgen, vom ‘aufheben der Ferse bis zum ‘absetzen des Fußes. Momentane Konzentration, die von Moment zu Moment neu entsteht, wird dann kräftiger werden und länger anhalten. Obwohl das Gehen normalerweise die Energie vermehrt, kann man doch so gehen, daß die Konzentration ansteigt bis sie gleichauf mit der Energie ist.

Wenn es in der Sitzübung an Konzentration mangelt, kann das verschiedene Gründe haben. Nehmen wir den Fall an, daß der Übende rastlos denkt und sinnt. Er kann das gegenwärtige Objekt nicht noten, weil es zu unklar ist. Starke Schmerzen in Knien, Beinen, Hüfte, Schultern oder Rücken zermürben ihn. Er ist verkrampft und der Geist fängt an zu irrlichtern. Die Eintrübungen (kilesa) stören ihn häufig. Um nun die Konzentration zu verbessern, muß man zuerst mit Nachdruck auf das Hauptobjekt achten – heben/senken’ – und sicherstellen, daß es sorgfältig genotet wird. Dreißig Minuten lang soll man die Achtsamkeit an das Hauptobjekt binden und beim Noten genau aufpassen. Man soll sich dabei entspannen, nicht durch Zwang verkrampfen. Wenn ein Gedanke auftaucht, muß er sofort genotet werden. Man muß den Gedanken als Hinderniss erkennen, das den Geist nicht zur Ruhe kommen läßt. Wenn der Geist ruhiger wird, werden die Objekte klarer und das Noten leichter. Dann ist die Betrachtung wieder in der Gegenwart. Wenn der Geist in der Übung ruhiger wird, dann werden auch die Schmerzen weniger. Gewinnt die Konzentration an Kraft, wächst die innere Ruhe (passaddhi) und Konzentration (samadhi) ist im Gleichgewicht mit Energie (viriya).

Wenn Konzentration stärker ist als Energie, dann wird dieser ruhige Geist an Intensität verlieren und allmählich träge zu schweben beginnen. Achtsamkeit wird schwächer, man wird vergeßlich und kann nicht mehr das gegenwärtige Objekt noten. Allmählich verändert sich dann der Geist von bloßer Trägheit zu Benommenheit und geistiger Starre. Da kann es bei der Gehübung sogar vorkommen, daß man halb schläft. Dann beginnt man, während des Gehens zu torkeln, zu stolpern, oder sogar hintüber zu kippen. Solche Anzeichen treten auf, wenn Konzentration die Energie überwiegt.

Um die Fähigkeiten auszugleichen muß man die Energie vermehren, indem man mehr geht als sitzt. Wenn man, zum Beispiel, für gewöhnlich dreißig Minuten sitzt und dreißig Minuten geht, sollte man die Gehmeditation jetzt ausdehnen auf vierzig oder fünfzig Minuten. Manche können ruhig eine Stunde gehen und dreißig Minuten sitzen. Beim Gehen soll man die niederen Schritteinteilungen nehmen, den ersten, zweiten und dritten Gang. Dazu sollte man etwas schneller gehen als gewöhnlich. Um den Körper wieder zu aktivieren, und so dem Geist Energie zuzuführen, sollten einige, die schon die detailliertere Gehmeditation vom vierten Gang aufwärts übten, wieder zu den früheren Schritten zurückgehen. Je mehr man im ersten Gang gehen kann, desto besser.

Wenn in der Sitzmeditation ein Übergewicht von Konzentration entsteht, muß man die Methode genau auf die Situation abstimmen. Wird der Geist allmählich träge und treibt selbstvergessen dahin, dann soll man auf jeden Fall vier Hauptobjekte noten: ‘heben, senken, sitzen, berühren.’ Oder je nach Bedarf mehrere Gelenkpunkte einsetzen. Vom rechten Sitzknochen geht man zum linken; wenn nötig, fügt man noch einen Knöchel hinzu und notet drei Punkte; und dann nimmt man den anderen Knöchel auch noch dazu. Das hängt aber von der natürlichen Geschwindigkeit des Atems ab. Heben/senken und diese Berührungspunkte sollten kontinuierlich in gleichbleibender Abfolge mit Achtsamkeit angesteuert werden. Diese Art zu noten kann den Geist wieder wachsam und beweglich machen. Allmählich wird Energie in der Sitzhaltung zunehmen, bis sie gleich stark ist wie Konzentration. Benommenheit und Trägheit werden sich allmählich bessern und schließlich ganz auflösen.

Was nun die Achtsamkeit als geistige Fähigkeit betrifft: je mehr man davon hat, je besser. Denn Achtsamkeit (sati) ist die Fähigkeit (indriya), die die anderen im Schlepptau hat. Achtsamkeit ist das Regulativ, das die Fähigkeiten der beiden Paare miteinander ausgleicht, wenn man Geist-und-Körper in der Gegenwart notet. Ist Achtsamkeit so stark entwickelt, daß sie jeden Moment des Erlebens automatisch mit dem Bewußtsein auftaucht, dann erlebt der Meditierende Achtsamkeit als vollentfaltete Fähigkeit, die das unmittelbare Entstehen und Vergehen eines jeden Objekts mit eindringlicher Klarheit realisiert.

Wenn Vertrauen die Weisheit überwiegt und der Geist anfängt, nach verschiedenen nimitta und Bildern zu greifen, die von Konzentration herrühren, dann notet Achtsamkeit diese Objekte im ersten Moment, ohne abzuwarten: ‘sehen, sehen,’ und die Objekte verlöschen sofort. Tauchen sie noch einmal auf, werden sie wieder genotet und verlöschen wieder. So gleicht Achtsamkeit Vertrauen mit Weisheit aus.

Wenn umgekehrt die Weisheit das Vertrauen überwiegt, dann denkt man über die Lehre nach, erwägt und beurteilt sabhava oder sonderbare Phänomene. Danach verfängt man sich in den Gedanken und haftet daran. Das führt wieder zu Aufregung und man denkt noch mehr. In diesem Fall muß die Achtsamkeit besonders rigoros das Denken noten, bis sie so schnell wird wie das Denken. Dann wird das Denken aufhören. Weisheit (panna) und Vertrauen (saddha) sind wieder im Ausgleich und werden durch die Übersicht von Achtsamkeit im Gleichgewicht gehalten.

Mit dem Paar Energie (viriya) und Konzentration (samadhi) ist es genau dasselbe: Wenn Energie die Konzentration übertrifft und der Geist wird von Gedanken und Reflektionen überschwemmt, dann muß Achtsamkeit fleißig noten, bis das Denken aufhört. Das wird die Kraft der Energie bändigen und an die Konzentration anpassen.

Wenn andererseits Konzentration übermäßig wird, gibt es Probleme mit Schläfrigkeit und Niedergeschlagenheit. Dann muß Achtsamkeit beim Noten hart am Ball bleiben, um die Entstehung der aufeinanderfolgenden Schläfrigkeitsmomente genau zu erkennen, dann ist die Schläfrigkeit plötzlich wie weggeblasen. Das zeigt den Ausgleichspunkt von Energie und Konzentration an und ist sehr günstig für die Übung.

Beim Ausgleichen der fünf Fähigkeiten muß der Übende einfallsreich sein, was die Auswahl der Methoden angeht, die man benutzt, um ein akutes Problem in der Meditation zu lösen. Und dann muß man prüfen, ob die veränderte Übung zum richtigen Ergebnis führt, und ob sie sich mit der Persönlichkeit verträgt. Da nicht alle Leute denselben Geist haben, unterscheiden sich auch ihre Veranlagungen und ihr Charakter. Deshalb soll man immer nach dem Motto verfahren: Sich selber eine Zuflucht sein! Es sollte jeder Experte für seine eigene Erfahrung werden.

Das bedeutet aber auch Verantwortung. Um die eigene Situation korrekt einschätzen zu können, brauchen wir die Achtsamkeit. Deshalb muß jeder Achtsamkeit entwickeln, damit sie allmählich kräftiger wird. Jeder Zuwachs an Achtsamkeit wird ungeschmälert in Fortschritt verwandelt. Wenn Vertrauen, Energie, Achtsamkeit, Konzentration und Weisheit nicht ausgeglichen sind, wenn die eine Seite die andere überwiegt, wenn sie sich gegenseitig behindern, dann ergibt sich ein geistiges Ungleichgewicht. Aber gut entwickelte Achtsamkeit hat die Fähigkeit, die Kräfte in beiden Paaren zu kontrollieren und wieder in ein ausgeglichenes Verhältnis zu bringen.

Die widerstreitenden Fähigkeiten werden sich vereinen, die ungleich gewichteten werden ausgeglichen, bis die fünf Fähigkeiten sich zu einer Kraft bündeln. Dann wird man ein Experte in der Betrachtung des gegenwärtigen Objekts.

Und dadurch wird jene Weisheit geweckt, die die fünf Anhäufungen als vergänglich, bedrückend und kein Selbst durchschaut.

Materielle und geistige Phänomene entstehen und vergehen auf natürliche Weise. Die Geist-und-Körper-Objekte schreien uns die Wahrheit ins Gesicht. Es gibt wahrhaftig nichts, woran sich lohnte anzuhaften. Man muß unbeirrt weiterüben, entschlossen, die Zuflucht zu erreichen, wo alles Leid verlöscht, Nibbana.

JENSEITS VON EINTRÜBUNG UND HANDELN

Eintrübung, Handeln und Ergebnis

F: Wieviele Arten von Eintrübung (kilesa) gibt es? Wie kommt es dazu, daß die Eintrübungen im Geist entstehen?

A: Eintrübungen (kilesa) fallen in drei Kategorien-

1.     Grobe Eintrübungen. Sie machen sich durch Körper und Sprache bemerkbar. Die Lebensspanne eines Wesens vernichten; stehlen; sexuelles Fehlverhalten; lügen, verleumden, beschimpfen und schwatzhaft sein; und alkoholische Getränke, die unachtsam machen, zu sich nehmen: das sind Beispiele für grobe Eintrübungen. Sich solcher Handlungen zu enthalten, ist Sittlichkeit (sila) und eine Voraussetzung für die erfolgreiche Klarblickübung.

2.     Mittlere Eintrübungen. Das sind die fünf geistigen Hindernisse, Eintrübungen, die sich im Geist bemerkbar machen. Sie tyrannisieren den Geist, sodaß er Verlangen produziert, Unzufriedenheit, Ärger, Verzagtheit, Schläfrigkeit, Aufregung, Sorge, Gereiztheit, Unentschlossenheit, Skepsis und Verwirrung. Wenn die mittleren Eintrübungen im Geist auftauchen, machen sie den Geist zunehmend heißer, stickiger, ungeschickter, bedrängter, besorgter, gereizter, ängstlicher, unsicherer und skeptischer. Achtsamkeit muß die mittleren Eintrübungen sofort noten, wenn sie im Geist entstehen, denn wenn sie nicht kontrolliert werden, dann können sie die groben Eintrübungen auslösen.

3.     Feine Eintrübungen. Man nennt sie auch latente Eintrübungen (anusaya). Es ist die ursprüngliche Natur der fünf Anhäufungen, die da im Geist schlummert. Normalerweise verhalten diese Eintrübungen sich unauffällig, sie machen sich in keiner Weise bemerkbar. Aber wenn ein hinreichender Grund vorliegt, dann entstehen sie mit Notwendigkeit. Wenn Sinnesobjekte in Berührung mit den Sinnesorganen und dem Geist kommen, dann treten die feinen Eintrübungen aus ihrem latenten Zustand zunächst auf die Ebene, wo sie sich in Rede und Tat Bahn brechen.

Den Unterschied zwischen diesen drei Arten von Eintrübungen kann man verdeutlichen mit einem Streichholz. Die mittleren Eintrübungen sind wie das Feuer, das im Streichholzkopf schlummert. Die mittleren Eintrübungen sind schon aktiv, wie wenn man mit dem Streichholz über die Streichfläche streicht; dann wird das Feuer sichtbar. Grobe Eintrübungen handeln in die Umwelt hinein: Man nimmt das Streichholz und zündet damit brennbares Material an. Das Objekt wird vom Feuer verzehrt und kann einen großen Brand auslösen.

F: In welchem Zusammenhang stehen die Eintrübungen, die Handlungen und deren Ergebnisse miteinander?

A: Die Menschen werden in die Welt geboren mit unterschiedlichen Existenzen, sie sind gut oder schlecht, dumm oder weise, glücklich, reich, schön, oder unglücklich, arm und häßlich. Das sind Ergebnisse (vipaka) früherer Taten (kamma). Im Kreislauf abhängiger Entstehung ist dies die Runde der Ergebnisse. Es sind die Ergebnisse unserer eigenen Taten in früheren und in diesem Leben. Körperlich handeln heißt in Pali kayakamma, sprechen heißt vacikamma. Diese beiden Arten von kamma sind die Aktivität der groben Eintrübungen (vitikkama kilesa). Töten, stehlen, lügen, sexuelles Fehlverhalten und Alkoholkonsum sind Beispiele dafür. Die groben Eintrübungen werden verursacht von der dritten Art des kamma: der Geistestätigkeit (manokamma). Dieses geistige kamma ist die Aktivität der mittleren Eintrübungen (pariyutthana kilesa). Wenn wir die Geistestätigkeiten, also die Eintrübungen, die im Geist auftauchen, nicht kontrollieren können, finden sie körperlich und verbal ihren Ausdruck, und das ist wieder körperliches und verbales kamma. Die Geistestätigkeiten (manokamma), ihrerseits, werden verursacht von den feinen Eintrübungen (anusaya kilesa), die im Strom unseres unbewußten Lebenskontinuums schlummern.

Eintrübungen (kilesa) sind Ursachen für das Entstehen von Taten (kamma) auf drei Ebenen von Intensität: Gedanken, Worten und Handlungen. Diese Taten werden selbst wieder zu Ursachen für die Entstehung von Ergebnissen (vipaka). Das gemeinsame Wirken und die gegenseitige Beeinflußung von Handeln (kamma) und seinem Ergebnis (vipaka) ist jedoch nichts anderes als die fünf Bündel von Geist-und-Körper. Konventionell gesprochen: Dieses Ineinandergreifen von Ursache und Wirkung sind wir, oder genauer gesagt, der jeweilige Geist, der den Eintrübungen (kilesa) Unterschlupf bietet. Die Eintrübungen (kilesa) verursachen Handlungen (kamma). Das Handeln verursacht Ergebnisse (vipaka), und da sind schon wieder wir, aufgebaut von der eigenen Geistestätigkeit und unserem Handeln, und bieten erneut Eintrübungen (kilesa) Unterschlupf.

Eintrübungen sind die Ursache für Geistestätigkeit und Handeln, und dieses Tun hat die Macht, immer wieder neue Wesen aufzubauen. Diese drei wirbeln haltlos umeinander, ohne Ziel und Ende.

F: Wie muß man sich üben, wenn man die drei Runden von Eintrübung, Handeln und Ergebnis überwinden will?

A: Buddha der Erleuchtete erkannte, daß Geburt, Alter, Krankheit und Tod Leiden (dukkha) sind. Er suchte nach der Ursache dieses Leidens und fand heraus, daß überall in der Welt der Lebewesen Geburt, Alter, Krankheit und Tod durch (Willens-)Tätigkeit (kamma) verursacht werden. Als er die Ursache des Handelns erforschte, da stieß er auf die Eintrübungen (kilesa) und vor allem das Verlangen (tanha) als der Wurzel aller Trübungen. Demnach sind also alle Arten von Leiden (dukkha) verursacht von Verlangen (tanha).

Mit den vier edlen Wahrheiten hat Buddha aufgezeigt, daß Verlangen die Wurzel des Leidens ist. Um das Leiden auszulöschen, muß man seine Wurzel vernichten, daß heißt, man muß das Verlangen auslöschen. Wir sind entstanden aus dem Verlangen nach Existenz. Wollen wir Geburt und Tod überwinden, dann müssen wir dieses Verlangen überwinden. Aber wie soll man das bewirken?

Dazu sagte Buddha: Um das Verlangen auszulöschen, muß man den Achtfachen Pfad entwickeln, den mittleren Weg (majjhima patipada). Die Übung des Mittleren Weges führt direkt zur völligen Auflösung des Verlangens. Wer sich über die drei Runden erheben möchte, muß also den Achtfachen Pfad in sich entwickeln und seine Bemühungen immer weiter verfeinern, bis nur die Übung der vier Grundlagen der Achtsamkeit übrigbleibt.

F: Wie soll man seine Bemühungen verfeinern, um den Achtfachen Pfad mit den vier Grundlagen der Achtsamkeit in Übereinstimmung zu bringen?

A: Der Achtfache Pfad hat in der Übung des Klarblicks folgende Merkmale:

1.     Rechte Ansicht (samma-ditthi) – die Wahrnehmung des Entstehens und Vergehens der fünf Anhäufungen (panca-kkhandha) und Erkenntnis der vier Edlen Wahrheiten. Dies ist eine Funktion der Weisheit (panna).

2.     Rechtes Denken (samma-sankappa) – Hinwendung und Erhebung des Geistes zum Erkennen des gegenwärtigen Objekts, oder der fünf Bündel. Dies ist ebenfalls eine Funktion der Weisheit (panna).

3.     Rechte Rede (samma-vaca) – Die Bestimmung der korrekten Begriffe, die mit den gegenwärtig realen Phänomenen verbunden sind. Dies ist ein Bestandteil der Sittlichkeit (sila).

4.     Rechtes Handeln (samma-kammanta) – Geistestätigkeit, die in völliger Übereinstimmung mit der Wirklichkeit steht, indem sie das Auftauchen bedingter Ereignisse (sankharadhamma) vor sich in der Gegenwart beobachtet. Auch dies ist Bestandteil der Sittlichkeit (sila).

5.     Rechte Lebensführung (samma-ajiva) – Den Geist stark, gesund und losgelöst halten, indem man in der Gegenwart achtsam ist. So wird der Geist gefördert und ernährt durch heilsame Geisteskräfte, durch den Achtfachen Pfad, den Besitz der Edlen. Auch dies ist Bestandteil der Sittlichkeit (sila).

6.     Rechte Anstrengung (samma-vayama) – Vierfältige Anstrengung: Den Geist zu schützen vor noch nicht entstandenen Eintrübungen und die bereits aufgestiegenen zu überwinden; heilsame Geisteskräfte zu entwickeln und die entstandenen heilsamen Kräfte zu bewahren. Dies ist ein Bestandteil der Konzentration (samadhi).

7.     Rechte Achtsamkeit (samma-sati) – Die Betrachtung der fünf Anhäufungen unmittelbar in der Gegenwart; völlig und umfassend bewußt zu sein. Auch dies ist ein Bestandteil der Konzentration (samadhi).

8.     Rechte Konzentration (samma-samadhi) – Beruhigung und Stabilisierung des Geistes, indem man ihn auf ein einzelnes Objekt fixiert: das gegenwärtige. Auch dies ist ein Bestandteil der Konzentration (samadhi).

Der Achtfache Pfad im Klarblick

Um ein Radiogerät, einen Fernseher oder Ähnliches zu bauen, braucht man viele elektrische Schaltungen, die alle mit einem Punkt verbunden sein müssen, einem Hauptschalter, einem Hebel oder Druckschalter. Wenn man das Gerät einschalten möchte, drückt man einfach den Knopf, und alle Teilbereiche nehmen sofort ihre Arbeit auf. In vergleichbarer Weise hat Buddha, der Wissenschaftler des Geistes, das korrekte Verfahren gesucht, welches einfach und effektiv zu benutzen sein sollte. In seinem Bemühen um Vereinfachung und eine Reduktion auf das Wesentliche faßte der Buddha den Achtfachen Pfad zu dem zusammen, was er den “einzigen Weg” (ekayanomaggo) nannte: die vier Grundlagen der Achtsamkeit. Diese vier Grundlagen der Achtsamkeit, die als siebter Bestandteil des Achtfachen Pfades Rechte Achtsamkeit heißen, sind dieser einzige Weg.

 

F: Was zeichnet rechte Achtsamkeit aus, so daß sie zum einzigen Weg wird?

A: Die Bedeutung rechter Achtsamkeit (samma-sati) erweist sich in der Klarblickübung auf folgende Weise:

1.     Rechte Achtsamkeit hat als wichtigste Funktion, das gegenwärtige Objekt zu wissen. Wenn sie mit dem Bewußtsein auftaucht, ist sie verpflichtet, die gegenwärtig existierende Geist-Körper-Verbindung (nama-rupa) zu betrachten.

2.     Achtsamkeit ist die nächstliegende Ursache für die Entstehung von Sittlichkeit, Konzentration und Weisheit (sila, samadhi, panna). Wenn Achtsamkeit fehlt, können die korrekten Ausprägungen von Sittlichkeit, Konzentration und Weisheit nicht entstehen.

3.     Achtsamkeit arbeitet an der Überwindung der fünf geistigen Hindernisse (kilesa-nivarana), der Gruppe der unheilsamen (akusala) Geisteskräfte, die in jedem Falle daran hindern, das Gute zu erreichen.

4.     Achtsamkeit entfaltet eine vereinigende Kraft innerhalb des Achtfachen Pfades, sodaß die acht Glieder zu einem einzigen verschmelzen, dem ‘einzigen Weg’.

5.     Achtsamkeit ist auf Kontrolle und Harmonisierung der fünf geistigen Fähigkeiten (indriya) gerichtet. Solange Achtsamkeit schwach ist, können Verzerrungen des Klarblicks (vipassa-nupakilesa) leicht auftauchen.

6.     Die vier Grundlagen der Achtsamkeit zu entwickeln, ist der Weg zu völliger Reinheit des Geistes, der Weg zum Aufblitzen überweltlicher Weisheit. Es ist der einzige Weg, Nibbana zu erreichen.

Für das Verlöschen des Verlangens üben

F: Was soll man tun, um das Verlangen auszulöschen, die Ursache des Leidens (dukkha)?

A: Verlangen läßt sich gut mit Feuer vergleichen. Feuer flackert auf, wenn dafür ein Anlaß da ist, zum Beispiel ein Streichholz, ein elektrischer Funke, oder ein glühender Zigarettenstummel. Ganz am Anfang ist es nur ein Funke oder Flämmchen und ist leicht auszulöschen. Man kann es auspusten oder mit dem Fuß austreten, dann verlöscht es. Wenn dieses kleine Feuer aber genug Nahrung findet und weiterbrennt, dann breitet es sich zu einem Flächenbrand aus, der äußerst schwierig zu löschen ist, wenn überhaupt.

Das Gleiche ist es mit dem Feuer des Verlangens, das in unserem Geist entbrennt. Es meldet sich zuerst nur als kleines Flämmchen. Wenn wir es rasch bemerken, können wir es leicht auslöschen. Bemerken wir es aber erst später, dann kann es schwierig zu löschen sein, weil das im Inneren brennende Feuer sich schon in die Außenwelt ausgebreitet hat.

Um das Feuer zu löschen, braucht man die richtige Ausrüstung, oder ein Verfahren, das für das Löschen des Feuers richtig und geeignet ist. Wasser kann man benutzen, um Feuer zu löschen. Der Edle Achtfache Pfad oder die vier Grundlagen der Achtsamkeit sind die geeignete Ausrüstung, um das Feuer des Verlangens auszulöschen.

Also müssen wir uns selbst prüfen, ob wir Wasser zum Löschen haben, oder ob wir keines haben. Falls wir keines haben müssen wir uns beeilen, welches zu holen, denn das Feuer des Verlangens verzehrt uns. Es muß sofort gelöscht werden, heute noch! Wir können nicht bis morgen warten. Entwickeln Sie Achtsamkeit, die noch nicht entstanden ist, sodaß sie entsteht! Machen Sie mehr aus der Achtsamkeit, die schon entstanden ist!

Allgemein gesprochen, behandelt der Geist das Verlangen wie einen guten, alten Freund, denn Verlangen ist der Bestand, den wir unwissentlich angesammelt haben, unsere alten Gewohnheiten, die sich ständig von selber bemerkbar machen als Begehren danach, einen schönen Anblick, wohlklingende Geräusche, aromatische Düfte, schmackhaftes Essen und sanfte Berührung zu geniessen. Dieses Feuer im ersten Moment auszulöschen, ist schwierig, denn es gibt nur wenig Wasser. Man muß mit Energie die Achtsamkeit entwickeln, viel davon und schnell, denn Achtsamkeit ist das Wasser zum Löschen des Verlangens.

Sobald Achtsamkeit eingerichtet ist, beginnt sie, die Sittlichkeit (sila) zu unterstützen durch die Kontrolle der Sinnesfähigkeiten (indriya-samvara-sila), sodaß die Reinheit ungebrochen und makellos bleibt. Kontrolle der Sinnesfähigkeiten bedeutet, sorgsam zu wachen über die Augen, die Ohren, die Nase, die Zunge und den Geist, indem man Achtsamkeit auf die vier Grundlagen der Achtsamkeit richtet, weder erfreut, noch verärgert, wenn die Sinnesorgane mit erfreulichen oder unerfreulichen Objekten in Kontakt kommen. Wenn die Entwicklung der Achtsamkeit deutlichere Ergebnisse zeigt, erkennt man sofort, ob die Hindernisse da sind oder nicht.

Wenn es im Geist kein Verlangen gibt, weiß man, daß da kein Verlangen ist; wenn aber Verlangen da ist, so weiß man, daß es da ist. Wenn das Verlangen im Geist bleibt, dann weiß man, daß es bleibt, und wenn das Verlangen verlöscht, dann weiß man, daß es verlöscht. Wenn Achtsamkeit soviel Stärke gewinnt, daß sie den Geist betrachten kann und sieht, wie das Verlangen im Geist entsteht, andauert und vergeht, dann werden die mittleren Eintrübungen, die fünf Hindernisse (nivarana-kilesa), schwächer und tauchen weniger häufig auf. Sie dominieren den Geist nicht mehr und entwickeln sich nicht zu groben Eintrübungen.

Mit der unerschütterlichen Überzeugung, daß er die Hindernisse, diese ‘Maschinerie des Leidens,” endgültig aus dem Geist entfernen kann, muß der Übende die Achtsamkeit weiter entwickeln, ohne aufzugeben. Wenn die Weisheit des Pfades auftaucht, dann gelangt er zu der Wahrheit, daß alles, was von Natur aus entsteht, auch von Natur aus vergeht. Diese Wahrheit der Natur – die fünf Anhäufungen von Körper und Geist – zu durchdringen, bringt es mit sich, daß man alle körperlichen und geistigen Phänomene entstehen sieht, einen Moment dauern sieht, und dann vergehen sieht, ohne eine dauernde Substanz, die bleibt.

Auf der manifesten Ebene wird das deutlich, wenn wir die Menschen betrachten. Alle Menschen müssen sterben,ob reich oder arm, gut oder schlecht, mächtig oder machtlos, schön oder häßlich. Menschliche wie auch alle anderen Wesen entstehen, leben eine Zeitlang und sterben dann. Auch alles andere, was entstanden ist, muß aufgrund seiner Natur ohne Ausnahme vergehen.

Wenn diese Wahrheit uns geläufig ist, werden wir die Geduld und Beharrlichkeit besitzen, die Achtsamkeit noch weiter zu entwickeln und die Eintrübungen zu überwinden. Gemeinsam mit Achtsamkeit werden dann alle heilsamen (kusala) Geisteskräfte entstehen und allmählich Kraft gewinnen. Wenn sie ausgereift sind, wird sich der Achtfache Pfad vom weltlichen Pfad des Klarblicks (lokiya magga) zum überweltlichen Edlen Pfad (lokuttara magga) wandeln, der Ursache und Wirkung in sich vereint. Beim Erreichen des überweltlichen Pfades wandelt sich der Meditierende vom Weltling (puthujjana) zum Edlen (ariya puggala) auf einer der vier Stufen der Befreiung.

Für den neuen Meditierenden bedeutet Entwicklung der Achtsamkeit deshalb, schrittweise mit den vier Grundlagen der Achtsamkeit vertraut zu werden –

1.     Achtsam den Körper im Körper betrachten, zum Beispiel das Heben und Senken der Bauchdecke noten. Der Körper ist Materie und deshalb leicht zu erkennen, also ist auch das Entstehen und Vergehen des Körpers leicht zu erkennen.

2.     Achtsam die Gefühle in den Gefühlen betrachten. Die körperlichen Gefühle wie Schmerzen und Unwohlsein werden zuerst erkannt. Wenn der Übende die Gefühle mit Achtsamkeit begleitet, wird er die Veränderung in den schmerzhaften Gefühlen sehen, wie sie entstehen und vergehen. Wenn die Unterscheidungskraft des Meditierenden stärker wird, kann auch geistiges Gefühl in dieser Weise betrachtet werden.

3.     Achtsam die Geisteszustände in den Geisteszuständen betrachten. Der Übende hält Wache an der Geistpforte und beobachtet, daß dieser Geist nicht dauerhaft ist, sondern sich dauernd ändert. In diesem Moment nimmt er ein materielles Objekt vom Auge an, im nächsten vom Ohr, von der Nase, von der Zunge, vom Körper. Oder es entstehen geistige Objekte im Geist selbst. Überlegung, Aufregung, Schläfrigkeit, Begierde, Ärger, verschiedene Zweifel sind dort anzutreffen. Wenn Achtsamkeit erstarkt, kann man das Entstehen und Vergehen all dieser Geisteszustände sehen.

4.     Achtsam die Geistesdinge in den Geistesdingen betrachten, Phänomene direkt in den Phänomenen. Da erkennt man dann das Entstehen und Vergehen der heilsamen und der unheilsamen Geisteskräfte. Durch die heilsamen Kräfte entsteht Befriedigung, Glück und Zufriedenheit. Die unheilsamen Kräfte trüben den Geist und erzeugen Unruhe, Sorge, Verdruß, Irritation, Widerwillen, Unsicherheit, Mutlosigkeit und Verwirrung: das Spektrum geistigen Leidens tut sich auf. Wenn der Meditierende schrittweise Achtsamkeit in Bezug auf Körper, Gefühle und Geistzustände entwickelt hat, dann wird die Betrachtung der Geistesdinge leichter werden.

Zu Beginn der Übung ist es noch nicht möglich, die Entstehung des Denkens zu noten. Erst wenn die Anstrengung in der Übung kontinuierlich wird, lernt man nach und nach, die Gedanken zu noten. Dennoch gelingt es nicht, den unmittelbaren Anfang zu erkennen; man merkt oft erst nach einer Minute, daß Gedanken im Geist sind. Aber mit weiterer Übung verbessert sich die Achtsamkeit und man kann den Fortgang des Denkens mit zunehmender Schnelligkeit noten, bis man schließlich das Entstehen und Vergehen der Gedanken unmittelbar beobachten kann.

Manchmal bemerkt man, daß der Geist gerade anfangen will, zu denken. Manchmal beobachtet man, wie ein Bild auftaucht, das aus der Erinnerung entstanden ist, und dann folgen Gedanken nach. Kann man das gegenwärtige Objekt auf diese Weise betrachten, dann wird die Wahrheit offensichtlich, daß alle Eintrübungen zusammen mit dem Bewußtsein auftauchen und zusammen mit dem Bewußtsein auch verlöschen. Wie es in der Lehre über die Grundlagen der Achtsamkeit (satipatthana-sutta) heißt: Wenn kein Verlangen im Geist ist, weiß man, daß da keines ist; wenn das Verlangen entsteht, weiß man daß es entsteht; wenn es andauert, weiß man, daß es andauert; wenn das Verlangen im Geist verlöscht, dann weiß man, daß es verlöscht; und wenn es aufgrund einer bestimmten Ursache verlöscht, dann kennt man diese Ursache.

Haben Achtsamkeit und Weisheit (sati-panna) dieses Niveau erreicht, dann wird einem klar, wie mächtig Achtsamkeit ist, denn sie kann das Entstehen und Vergehen der fünf Hindernisse im gegenwärtigen Geist wirklich beobachten. Von einem bestimmten Punkt der Entwicklung an braucht der Meditierende nichts Besonderes mehr zu tun. Die Achtsamkeit muß nur fest auf den gegenwärtigen Moment eingestellt sein, und alle Eintrübungen, die auftauchen, werden von selbst verlöschen, als sähe man Feuer aufflackern, das im selben Moment mangels Brennstoff verlöscht. Diese Art der Bewußtheit, die man Klarblick nennt, führt zur Aufzehrung der Eintrübungen, bis der Geist völlig davon befreit ist.

Zusammenfassung

Um dies alles zusammenzufassen; Klarblickmeditation soll man üben, um das Verlangen (tanha), die Ursache des Leidens, auszulöschen. Das Ziel der Übung ist die völlige und endgültige Überwindung der Eintrübungen. Dazu braucht man keine besondere Vorgehensweise und keine speziellen Kenntnisse. Wer das behauptet, erzeugt nur zusätzliche Verwirrung und unnötiges Zögern und Zweifeln.

Zur Zeit Buddhas wurde sechzehn jungen Männern, alle Schüler des Brahmanen Bavari, von ihrem Lehrer aufgetragen, dem Buddha einige Fragen zu stellen. Einer von ihnen, namens Nanda, stellte folgende Frage: “Man sagt, es gäbe keine Weisen mehr in der Welt. Wie verhält es sich damit? Zeichnet sich ein Wissender durch seine Kenntnisse oder durch seine Lebensführung aus?”

Buddhas Antwort lautete: “Die Weisen in dieser Welt sagen nicht, daß man ein Wissender durch Sehen, Hören oder besondere Kenntnisse wird. Ich behaupte: Wer sich selbst aus dem Sumpf der Eintrübungen (kilesa) befreit und keine neuen Eintrübungen mehr entstehen läßt, wer keine Sorgen und keine Begierden mehr hat, der ist ein Wissender, der ist ein Weiser.”

Nanda fragte weiter: “Es gibt Asketen und Priester, die sprechen von Reinheit durch Sehen, durch Hören, durch eine strenge Lebensführung, durch Rituale und eine Vielzahl anderer Methoden. Hat irgendeiner der Asketen und Priester, die solche Reinheitspraktiken pflegen, jemals Geburt und Alter überwunden?”

Buddha erklärte: “Diese Asketen und Priester, auch wenn sie ihre Reinigungspraktiken strikt befolgen, sage ich, können Geburt und Alter nicht überwinden.”

Nanda fragte erneut: “Wenn diese Priester und Asketen nicht frei sind von Geburt und Alter, wer in der Welt der Götter und Menschen ist denn frei von Geburt und Alter?”

Buddha sagte: “Ich behaupte nicht, daß alle diese Priester und Asketen Geburt und Alter unterliegen. Aber ich sage, daß ein jeder Asket oder Priester, der in dieser Welt die Objekte des Sehens, Hörens und Wissens zurückweist; der alle vorgeschriebene Lebensführung, alle Rituale und die vielerlei Methoden verwirft; der das Verlangen (tanha) als ein Ärgernis betrachtet und sich völlig frei davon macht, der wird ein Mensch, dem die weltlichen Neigungen des Geistes nicht mehr begegnen. Ein solcher Asket oder Priester, sage ich, ist jenseits von Geburt und Alter.”

Daran sehen wir, daß Buddha, der höchste Lehrer, die Überwindung von Eintrübung und Verlangen als unsere dringlichste Aufgabe betonte, die keinen Aufschub duldet und als erste unsere Aufmerksamkeit verlangt. Daher müssen wir weiter üben, bis wir das Ziel erreichen.

TEIL II

DIE ERGEBNISSE DER ÜBUNG

Die Sieben Reinheitsstufen und

Sechzehn Klarblickschritte

Dieses Handbuch wurde unter besonderer Berücksichtigung der Schwierigkeiten von Anfängern in der Meditation geschrieben. Es mag aber sein, daß einige bei gewissenhafter Übung im Laufe der Zeit gute Fortschritte machen und dann Nutzen daraus ziehen können, wenn sie eine Richtschnur haben, um ihre Entwicklung gemäß der Lehre einzuschätzen. Daher sollen im folgenden die einzelnen Schritte dargestellt und erklärt werden, aus denen der Stufenweg des Fortschritts in der Klarblickmeditation besteht: Die sieben Reinheitsstufen und die sechzehn Schritte des Klarblickwissens.

       I.            Reinheit des Betragens (sila-visuddhi). Vom Beginn der Übung an muß der Meditierende seine Sittlichkeit rein erhalten, indem er den Ausdruck in Rede und Tat an den fünf Sittlichkeitsregeln orientiert. Reinheit des Betragens verringert die Kraft der fünf geistigen Hindernisse, die der Entwicklung von Konzentration entgegenstehen.

     II.            Reinheit des Geistes (citta-visuddhi). Der Übende kann die momentane Konzentration mit zunehmender Kontinuität bewahren. Die Hindernisse werden abgelegt und der Geist wird ruhig und gefestigt. Dies ist Voraussetzung für die nachfolgende Entwicklung von Weisheit.

    III.            Reinheit der Ansicht (ditthi-visuddhi)

                                I.            Analytisches Wissen von Geist und Körper

(nama-rupa-pariccheda-nana)

Die Erkenntnis wird rein, und der Übende kann in der meditativen Betrachtung mit Leichtigkeit die geistigen (nama) und die körperlich-materiellen (rupa) Aspekte der gegenwärtigen Erlebnisse unterscheiden.

IV. Reinheit der Überwindung von Zweifel

(kankha-vitarana-visuddhi)

2. Wissen, das die Bedingtheit durchdringt

(paccaya-pariggaha-nana)

V. Reinheit der Klaren Schau, was Pfad und was nicht Pfad ist

(maggamagga-nana-dassana-visuddhi)

3. Wissen des Begreifens (sammasana-nana)

VI. Reinheit der Klaren Schau des Übungsverlaufs

4. Wissen vom Entstehen und Vergehen

(uddayabbaya-nana)

5. Wissen der Auflösung (bhanga-nana)

6. Wissen der Furcht (bhaya-nana)

7. Wissen des Elends (adinava-nana)

8. Wissen des Überdrußes (nibbida-nana)

9. Wissen des Verlangens nach Befreiung

(muncitu-kamyata-nana)

10. Wissen der Großen Bemühung (patisankha-nana)

11. Wissen des Gleichmuts vor Gebilden (geistigen und körperlich-materiellen Ereignissen)

(sankharupekkha-nana)

"Klarblick, der zum Entrinnen führt"

(vutthan-gamini-vipassana)

·  VII. Reinheit der Klaren Schau (nana-dassana-visuddhi)

12. Wissen der Anpassung (anuloma-nana)

(Übereinstimmung mit den vier edlen Wahrheiten)

13. Wissen der Reife (gotrabhu-nana)

(Wechsel der Zugehörigkeit)

14. Pfadwissen (magga-nana)

(Der einzelne Bewußtseinsmoment des ‘Edlen Pfades’)

15. Fruchtwissen (phala-nana)

16. Wissen des Rückblicks (paccavekkhana-nana)

F: Die sieben Reinheitsstufen und die sechzehn Schritte des Klarblicks unterscheiden sich in mancher Hinsicht, zum Beispiel findet man bei den Klarblickswissen keinen Hinweis auf Sittlichkeit, wohl aber bei den Reinheitsstufen. Was bedeutet das?

A: Die Reinheitsstufen – wie auch der achtfache Pfad – stellen ein umfassendes Schema dar, in dem alle drei Bereiche der geistigen Schulung inbegriffen sind: Sittlichkeit, Konzentration und Weisheit (sila, samadhi, panna). Besonders die sieben Reinheitsstufen beschreiben den Ablauf der geistigen Entwicklung in aufeinander aufbauenden Stufen. Zunächst muß ‘Reinheit des Betragens’ erfüllt sein. Das ist die Schulung in Sittlichkeit. Mit dieser Voraussetzung kann man ‘Reinheit des Geistes’ durch Meditation anstreben. Das ist die Schulung in Konzentration.

Wenn ‘Reinheit des Geistes’ erreicht ist, taucht bei fortgesetzter Übung schrittweise die für Klarblickmeditation charakterische Erkenntnis der Wirklichkleit auf, die mit der Entwicklung von Weisheit zusammenhängt, angefangen von ‘Reinheit der Ansicht’ bis hin zur ‘Reinheit der Klaren Schau.’ Das sind insgesamt fünf Reinheitsstufen, die beschreiben, wie sich wirklichkeitsgemäße Erkenntnis, genannt: ‘Weisheit, entwickelt. Diese fünf Reinheitsstufen können nur durch die Übung des Klarblicks erreicht werden.

Was die sechzehn Klarblickwissen betrifft: Da geht es um die Ausarbeitung von rechter Ansicht (samma-ditthi), von korrekter Wahrnehmung in Einklang mit der 'Soheit' der Dinge (tathata). Diese Wissensschritte tauchen in der Entwicklung der fünf Reinheitsstufen auf, die mit Weisheit zu tun haben. Unabhängig, jedoch, von diesen Klassifizierungen und Zuordnungen, werden bei der vollentwickelten Übung des ‘Mittleren Weges’ die drei Bereiche der Schulung – Sittlichkeit, Konzentration und Weisheit – immer gemeinsam eingesetzt und geübt.

DER VORBEREITENDE PFAD

Die schwachen Klarblickschritte

F: Wenn man dieses Buch als Leitfaden für die Praxis benutzt, wie soll man dann erkennen, ob das erste Klarblickwissen schon aufgetaucht ist oder noch nicht?

A: Es ist nicht leicht, über das Thema Klarblick etwas zu sagen, da man es selbst erleben muß, um darüber etwas zu wissen. Das ist das Merkmal ‘paccatam individuell – das Buddha mit Bezug auf seine Lehre immer hervorhob: Die Meditierenden sehen die Wirklichkeit jeder für sich selbst. Denn das ist der Ort, wo wir in Wirklichkeit ja sind, nicht außerhalb unserer selbst.

Wer schon buddhistische Schriften eingehend studiert hat, die sich mit wirklichkeitsgemäßer Erkenntnis der fünf Bündel des Anhaftens oder Theorie und Praxis der Klarblickmeditation befassen, mag vielleicht in der Lage sein, anhand der eigenen Meditationserfahrung das Einsetzen von Klarblickerlebnissen festzustellen, die mit den Schritten des Klarblickwissens zusammenhängen.

Wer das aber nicht mit Zuverläßigkeit kann, muß sich auf einen spirituellen Freund (kalyanamitta) oder Klarblicklehrer verlassen, der prüfen kann, ob der Übende das erste Wissen erreicht hat. Die folgenden Ausführungen sollen die Klarblickerlebnisse der einzelnen Wissensschritte für den persönlichen Vergleich ausreichend skizzieren.

I.) Analytisches Wissen von Körper und Geist

Am Anfang der Übung ist der Geist noch nicht ruhig, weil man gestört wird durch Reflektionen und Aufregung, durch den inneren Monolog. Aber wenn das Noten des ‘Heben/Senken’ der Bauchdecke mehr Kontinuität gewinnt, dann werden die hebende Körperlichkeit und die senkende Körperlichkeit allmählich klar unterscheidbar. Der Geist, der die hebende und senkende Körperlichkeit benennt, wird erkennen, daß er die Funktion hat, das Heben und Senken zu wissen. Manchmal sieht man auch, daß die hebende und senkende Materie zwei verschiedene materielle Dinge sind, mit ihren eigenen Merkmalen, an denen man sie erkennen kann: das Heben hat ein Merkmal, das Senken ein anderes.

Später, wenn der Übende stärkere Konzentration entwickelt und sein Geist ruhig wird, dann notet er das Heben/Senken ununterbrochen. Dann wird er verstehen, daß die hebende Körperlichkeit und das, was sie notet, zwei verschieden Dinge sind, und die senkende Körperlichkeit und das was sie notet, sind auch zwei verschiedenen Dinge. Die hebende und die senkende Körperlichkeit sind Materie (rupa) und das, was sie jeweils notet, ist Geist (nama).

Wenn der Meditierende, während er die Bewegung der Bauchdecke in der unmittelbaren Gegenwart notet, dies versteht und sieht, wie es wirklich ist, dann hat er den ersten Schritt des Klarblicks erreicht, das ‘Analytische Wissen von Geist und Körper’ (namarupa-pariccheda-nana).

Im täglichen Meditationsbericht wird der Klarblicklehrer fragen, ob das Heben und Senken der Bauchdecke dasselbe sind oder ob es zwei verschiedene Dinge sind. Wenn der Übende sagt, daß sie dasselbe sind, hat er das erste Wissen noch nicht erreicht.

Vielleicht redet der Übende aber auch von sich aus über seine Erfahrung, oder wenn der Lehrer ihn danach fragt, stellt er aufgrund eigener Beobachtung fest: Das Heben ist Materie und Was das Heben notet’ ist Geist, und die beiden sind verschieden. Oder wenn das Heben entsteht, dann rennt der Geist darauf zu. Oder das Heben und Senken sind zwei ganz verschiedene Dinge. Solche und ähnliche Aussprüche zeigen, daß der Übende den ersten Schritt des Klarblickwissens erreicht hat.

Dieses Wissen erlebt die gegenwärtige Geist-Körper-Verbindung (nama-rupa) klarbewußt, und es hilft bei der Überwindung der ‘falschen Ansicht, die die fünf Bündel des Anhaftens als Selbst wahrnimmt’ (sakkaya-ditthi), dem Glauben an ein Selbst, an dauerhafte Wesen.

2.) Wissen, das die Bedingtheit durchdringt

Dieses Wissen ist klarbewußt über die Ursachen der gegenwärtig erlebten Geist-Körperlichkeit. Wenn etwas entsteht, durch welche Ursache entsteht es? Der Meditierende, der schon das erste Klarblickwissen entwickelt hat, wird erkennen, daß in dem Moment, wo er das gegenwärtige Objekt notet, nur Geist und Körper da sind. Außerdem ist da nichts. Manchmal entsteht das Heben – welches Materie ist – zuerst, und der Geist (citta) folgt hinterher und notet. Oder zuerst entsteht ein Ton, und der Geist folgt hinterher und notet: ‘hören, hören.’ Oder Hitze berührt den Körper, und es folgt die Benennung: ‘warm, warm.’ Wenn man auf diese Weise eine lange Zeit übt versteht man: “Materie entsteht zuerst, Materie ist die Ursache. Da der Geist hinterher folgt und notet, ist Geist die Wirkung.”

Manchmal ist die kausale Bedingtheit aber umgekehrt: Der Meditierende möchte aufstehen, und nachdem der diese Absicht genotet hat, erscheint die stehende Körperlichkeit. Wenn der Geist gehen möchte, taucht danach die gehende Körperlichkeit auf. Wenn der Geist sich setzen möchte, taucht nachher die Sitzhaltung auf. Wenn der Geist sich setzen möchte, taucht nachher die Sitzhaltung auf. Wenn der Geist sich hinlegen möchte, erscheint anschließend der liegende Körper. Der Geist möchte beugen, ausstrecken, ergreifen, aufheben, festhalten, loslassen, drehen, wenden oder berühren, und danach erscheint die Körperlichkeit, die beugt, ausstreckt, ergreift, aufhebt, festhält, losläßt, dreht, wendet oder berührt. In diesen Fällen wird es erkennbar, daß Geist zuerst erscheint und die Ursache ist, während die nachfolgenden materiellen Erscheinungen Wirkungen sind.

Wenn der Meditierende auf diese Weise rechte Ansicht erwirbt durch die Betrachtung der Bedingungen für die gegenwärtige Geist-Körperlichkeit (nama-rupa), dann hat er das zweite Klarblickwissen erreicht: ‘Wissen, das die Bedingtheit durchdringt’ (paccaya-pariggaha-nana). Dieses Wissen versteht, daß es keinen Schöpfer gibt, der die Dinge so gemacht hat, wie sie sind. Man versteht, daß das bewußte Erleben auftaucht durch Geist als Ursache und Materie als Ergebnis, oder Materie als Ursache und Geist als Ergebnis. Es gibt kein Wesen, keine Person, kein Selbst, kein ‘ich oder ‘du, kein ‘wir’ oder ‘sie. Alles, was es in Wirklichkeit gibt, sind geistige und körperliche Ereignisse, die sich wechselseitig bedingen und gemeinsam entstehen und vergehen. Dieses Wissen legt die ewigen Menschheitsfragen ab, die der unwissende Geist dem Glauben und dem spekulativen Denken überläßt: “Was ist das Leben? Wo kommt es her? Wo geht es hin? Wer sind wir? Und wozu sind wir hier?”

Wenn man die Gegenwart versteht, weil man Geist und Körper unmittelbar beobachtet und deutlich sieht, wie sie sich gegenseitig bedingen, dann ist man auch in der Lage, zu prüfen und zu verstehen, daß die eigene Erfahrung auch in der Vergangenheit nur durch Bedingungen entstanden ist, und daß auch in Zukunft geistige und körperliche Phänomene entstehen werden, wenn die Bedingungen dafür da sind. Dieses Wissen ist die vollständige Überwindung von skeptischen, grüblerischen Zweifeln (vicikiccha).

3.) Wissen des Begreifens

Wenn in der Meditation Achtsamkeit und Konzentration stark werden, wird die Bewegung der Bauchdecke deutlicher wahrgenommen. Die Richtlinien zur Prüfung des Fortschritts in der Betrachtung sind folgende:

1.     Wissen: Wenn der Übende die hebende Materie notet, wird die mittlere Phase des Hebens bemerkt, weil sie deutlicher erscheint.

2.     Wissen: Wenn der Übende die hebende Materie notet, wird er den Anfang und die mittlere Phase des Hebens bemerken, weil Achtsamkeit angewachsen ist.

3.     Wissen: Wenn der Übende die hebende Materie notet, werden ihm alle drei Phasen klar, der Anfang, die Mitte und das Ende des Hebens. Das liegt an der stärkeren Kontinuität von Achtsamkeit und Konzentration.

Mit diesem Klarblickwissen tauchen ungewöhnliche Erlebnisse durch die Intensität des Interesses am Objekt (piti) auf. Zum Beispiel können sich während der Betrachtung die Haare an den Armen oder auf dem Körper aufrichten, begleitet von einem Prickeln. Geistige Bilder und visuelle Vorstellungen tauchen auf. Der Körper zuckt plötzlich oder er lehnt sich allmählich nach hinten. Es juckt hier und da, fühlt sich an, als ob Ameisen oder andere Kleintiere über die Haut krabbeln und sie zwicken, oder Moskitos sich darauf niederlassen und stechen.

Man muß diese Phänomene immer noten, jedesmal, wenn man sie erlebt. Geistige Bilder und Visualisationen verschwinden entweder sofort wenn sie genotet werden, oder allmählich, nach und nach.

Manchmal, wenn man im Sitzen notet, hat man starke Schmerzen in den Knien, den Beinen, dem Rücken, der Leiste, der Hüfte, oder in anderen Körperteilen. Diese quälenden, schmerzhaften Empfindungen offenbaren die drei allgemeinen Merkmale aller Elemente des Erlebens (sankhara), damit die Weisheit darauf aufmerksam werden kann. Sie verdeutlichen für uns die Wahrheit, daß dieser Geist und dieser Körper vergänglich, leidhaft und kein Selbst sind (anicca, dukkha, anatta). Niemand kann bestimmen oder beinflussen, wie sie sind.

Aufgrund der Vergänglichkeit (aniccata), die man in der Meditation zu spüren bekommt, entsteht schmerzhaftes Körpergefühl. Wenn es aufgetaucht ist empfindet man es als Leiden (dukkha), man kann es nicht ertragen, es ist wie ein Fremdkörper (anatta), der einem nicht gehört und von dem man sich befreien möchte. Aber man kann es nicht zwingen, irgendwie anders zu sein. Es entsteht durch Bedingungen, die aus Ursachen und Wirkungen bestehen und nicht einfach entkräftet werden können. Dieses Wissen ist der Klarblick, der die drei Merkmale erkennt.

Manchmal wenn der Meditierende starke Konzentration (samadhi) und Begeisterung (piti) entwickelt, dann entstehen viele ungewöhnliche Objekte und Phänomene, oder der Geist wird durch die Erlebnisse angeregt, über die Wirklichkeit, über buddhistische Erkenntnis, kurz: über Dhamma, nachzudenken. Vielleicht sieht man ein Licht oder Helligkeit, einen diffusen Schimmer, und empfindet ungewöhnliches Wohlgefühl. Solche Erlebnisse können zu dem Mißverständnis verleiten, man habe schon den ‘edlen Pfad’ oder Nibbana erreicht.

Wenn man an diesen Phänomenen anhaftet und sie genießt, das nennt man "Verderben des Klarblicks" (vipassanupakkilesa), oder "den falschen Weg gehen," weil man weiterhin an den Objekten von Geist und Körper anhaftet. Der richtige Weg ist der ‘Mittlere Weg’, also die Grundlagen der Achtsamkeit, die der einzige Weg zur Erkenntnis von Nibbana sind. Wenn man von diesen Phänomenen, die durch Konzentration und Begeisterung entstehen, in die Irre geführt wird, verliert man den Weg durch Anhaften an geistigen und körperlichen Objekten.

Von den sieben Reinheitsstufen ist die fünfte die Reinheit der Erkenntnis, was der rechte Weg geistiger Entwicklung ist, und was nicht der rechte Weg ist (maggamagganana-dassana-visuddhi). Der Lehrer wird dem Schüler raten, sofort alles zu noten, was er erlebt, ohne an irgendetwas anzuhaften. Wenn der Meditierende verblendet ist und diesen Rat in den Wind schlägt, wird er sich verirren und unter Umständen seine geistige Gesundheit aufs Spiel setzen. Aber wenn er rechtes Verständnis hat, wird die Übung weitere Fortschritte machen. Wenn der Übende Energie entwickelt im Noten dieser geistigen Objekte, dann werden die verschiedenen Bilder und visuellen Eindrücke allmählich verschwinden. Dann hat der Meditierende den dritten Schritt des Klarblicks erreicht, das ‘Wissen des Begreifens’ (sammasana-nana) – Wissen, das die drei Merkmale klarbewußt erlebt.

F: Ist die Übung bis hierhin fortgeschritten, welche zusätzlichen Hauptobjekte muß man dann beachten?

A: Nach der Richtlinie für die allgemeine Übung sollen die Objekte wie folgt beachtet werden:

1.     Wissen: Im Sitzen note ‘heben/senken,’ während des Gehens note ‘rechter Schritt, linker Schritt’ oderrechts geht so, links geht so. Die Übung jeweils dreißig Minuten lang fortsetzen.

2.     Wissen: Im Sitzen note ‘heben/senken/sitzen,’ beim Gehen note ‘aufheben, absetzen’ (2. Gang).

3.     Wissen: Im Sitzen note ‘heben/senken/sitzen/berühren,’ beim Gehen note ‘aufheben, vorwärts bewegen, absetzen’ (3. Gang)

4.     Wissen: Im Sitzen wird wie beim 3. Wissen genotet, nur manchmal notet man beide Sitzknochen, rechts und links abwechselnd bis das nächste ‘heben anfängt. Beim Gehen note man vier Teile: ‘Ferse anheben, Fuß hochheben, vorwärts bewegen, absetzen’ (4. Gang).

F: Welchen Sinn hat es, Absichten zu noten? Wann soll man darauf achten?

A:Absicht zu noten ist eine Übung für Wachsamkeit. Es bedeutet, daß man beim Denken, Reden und Handeln unablässig achtsam sein muß, um die Bewegungen des Geistes und des Körpers zu beaufsichtigen: Was tust du in diesem Moment gerade?” Diese Übung sollte begonnen werden, wenn der Meditierende etwa sieben Tage geübt hat. Oder wenn das zweite Klarblickwissen auftaucht, wird es Zeit, die Absichten, die unser Handeln motivieren, alsAbsicht, Absicht’ zu noten, wenn sie entstehen. Dann kennt man die Ursache, und wenn nachfolgend die Wirkung eintritt, erkennt man das auch und kann sich so vergewissern, ob dieser Geist den Körper dirigiert oder nicht.

4.) Wissen vom Entstehen und Vergehen

Dieses ‘Wissen vom Entstehen und Vergehen’ (udayabbayanana) teilt sich auf in zwei Phasen, eine schwache, das ‘schwache (taruna) Wissen vom Entstehen und Vergehen,’ und eine starke, das ‘starke (balava) Wissen vom Entstehen und Vergehen.’ Wenn der Übende das schwache Klarblickwissen erreicht hat, treten die ‘zehn Verzerrungen des Klarblicks’ deutlich in Erscheinung und können sehr stark werden.

Die Verzerrungen des Klarblicks

1.     Licht oder Glanz (obhasa) – Es kann ein blaßes, weißes Licht sein, oder ein Lichtstrahl, ein strömendes Licht oder Licht, das den ganzen Raum erhellt, sodaß man ihn bei geschlossenen Lidern sehen kann.

2.     Begeisterung (piti) – Reges Interesse, intensive Anteilnahme, Verzückung. Davon gibt es fünf Grade:

  • Geringe Begeisterung (khuddaka piti) – wenn man Jucken oder Kribbeln überall am Körper spürt, die Haare richten sich zeitweilig auf, oder man fühlt sich benommen und unklar, wie bei Kopfschmerzen.
  • Momentane Begeisterung (khanika piti) – wenn ein Kribblen von den Füßen über die Brust bis in die Luftröhre wandert und dann verschwindet. Wärme oder Kühle; man sieht Lichtblitze oder Sternschnuppen und der Körper zuckt manchmal unmotiviert; oder man spürt Steifheit überall im Körper und Gänsehaut. Ameisen scheinen auf der Haut zu krabbeln, ohne von der Stelle zu kommen; der ganze Körper wird unangenehm heiß oder man bekommt Schüttelfrost.
  • Überströmende Begeisterung (okkantika piti) Sie ergreift den ganzen Körper, der beginnt zu schwanken, oder ein Zittern läuft durch den ganzen Körper. Das Gesicht, Hände oder Füße verkrampfen sich, man lehnt nach einer Seite; der Körper wird von Wellen erfaßt und ruckelt, oder man fühlt ein Strömen wie ein Stock, der in einem fließenden Gewässer festgesteckt ist.
  • Erhebende Begeisterung (ubbega piti) manchmal fühlt sich der Körper leicht an und beginnt zu schweben, man spürt den Bodenkontakt nicht mehr. Der Körper wird größer und steigt auf. Dann wieder macht der Körper eine deutliche Beugung vor und zurück, verharrt kurz und richtet sich wieder auf. Oder man bekommt plötzlich einen Stoß von der Seite oder von hinten. Manchmal nimmt man den Körper verdreht wahr, das Gesicht scheint zur Seite gedreht, aber wenn man die Augen öffnet, blickt man nach vorn. Die Hände erheben sich manchmal vom Schoß und werden steif in der Luft gehalten. Der Kiefer macht Kaubewegungen.
  • Durchdringende Begeisterung (pharana piti) Der Übende kann nur staunen über die eigenartigen, nie gekannten Erfahrungen, die er in diesem Körper macht. Er genießt angenehme, erfrischende Kühle, für die er keinen Vergleich findet. Manchmal möchte er sitzenbleiben und nie wieder aufstehen, er hat keinen Wunsch auch nur die Augen zu bewegen, zu zwinkern oder zu schlucken. Der ganze Körper juckt zeitweise sehr stark, dann wieder schauert eine ekstatische Welle prickelnden Gefühls von den Füßen zum Kopf, und umgekehrt. Manchmal tritt man in tiefen Frieden ein.

1.     Innere Ruhe (passaddhi) – Ein Gefühl angenehmer Kühle macht sich im Körper breit. Man fühlt sich erfrischt, leicht und geschmeidig, geistig und körperlich belastbar. Das Noten fällt leicht und man ist zufrieden mit der Meditation. Aggressionen werden besänftigt und man fühlt sich sediert wie vor dem Einschlafen. Das Körpergefühl bietet keine Extreme. Wer zu Ärger neigt, wird durch diese Geisteskraft friedlich und freundlich.

2.     Glücksgefühl (sukha) – Man fühlt sich entspannt, behaglich, und genießt die Meditation. Manche sagen, sie seien in ihrem ganzen Leben noch nie so glücklich gewesen, sie möchten ihren Freunden und Verwandten erzählen, wie gut es ihnen geht, oder sie sind dem Lehrer dankbar, der ihnen geholfen hat, dies zu erreichen. Manchmal bleibt nur reiner, klarer Geist. Dann soll man noten: ‘klar, klar.’

3.     Vertrauen (adhimokkha) – Der Übende hat starke Zuversicht, bewundert den Lehrer und möchte ihn oft sehen. Man muß noten: vertrauen…,’ ‘hoch achten..’. Manche stellen sich vor, ihre Eltern und Freunde zur Meditation zu überreden. Sie müssen noten: ‘denken…, reden’. Man ist entschlossen, umfassend weiter zu üben.

4.     Anstrengung (paggaha) – Selbst wenn es dem Übenden, trotz aller Ermutigung durch den Lehrer, anfangs schwerfiel, die Energie für die Praxis aufzubringen, ist er jetzt voller Tatendrang und meditiert gewissenhaft und fleißig. Man hat unerschöpfliche innerliche Kraft, sodaß die Übung nicht mehr ermüdet. Man ist entschlossen, bis zum Tode zu üben und steckt zuviel Energie in die Übung, ist aber nicht immer klarbewußt und verliert daher oft die Konzentration.

5.     Achtsamkeit (upatthana) – Man hat das Gefühl, alles noten zu können, die kleinsten Bewegungen werden beobachtet. Manche machen sich einen Sport daraus, die Objekte zu jagen, oder abzuschießen, sie möchten noch mehr erleben, um ihre Achtsamkeit schärfen zu können. Man genießt die Klarheit der Wahrnehmung und das deutliche Erkennen der drei Merkmale. Das Exzessive an dieser Achtsamkeit verführt dazu, daß man die Gegenwart nicht mehr notet und beginnt über die Vergangenheit nachzudenken.

6.     Wissen (nana) – Der Meditierende ist sich bewußt, daß er durch die Meditation ganz spezielles Wissen erworben hat. Vor allem die fünf Bündel des Anhaftens kennt er gründlich durch und durch. Vorher kamen ihm die drei Merkmale abstrakt und schwer faßbar vor, aber jetzt erkennt er ganz klar, daß die Anfangs-, die mittlere und die End-Phase aller Phänomene, die er notet, die drei Merkmale besitzen. Dieses Wissen führt oft zu Gedanken, sodaß man das gegenwärtige Objekt verliert, oder man beginnt, die Beobachtungen zu kommentieren statt sie zu noten.

7.     Gleichmut (upekkha) – Der Übende fühlt sich völlig losgelöst und unbeeinflußt, ohne die geringsten Sorgen und andere Belange. Man ist weder froh noch enttäuscht über die Erlebnisse; dieser Gleichmut führt aber zu allgemeinen Desinteresse, man notet nicht mehr, und der Geist fängt an, äußeren Objekten zu folgen. Oder der Geist wird gleichgültig und unachtsam, ohne an etwas zu denken. Dann wird das Heben/Senken unklar.

8.     Anhaften (nikkanti) – Die neun bisher beschriebenen Phänomene Licht, Begeisterung, Ruhe, Glück, Vertrauen, Energie, Achtsamkeit, Wissen, Gleichmut – werden zu Verzerrungen des Klarblicks wegen dieses zehnten: dem Anhaften, der Befriedigung, dem Genuß dieser Nebenerscheinungen der Entwicklung des Geistes. In sich selbst sind diese Geisteskräfte natürliche Merkmale des gesammelten Geistes und als solche förderlich für die weitere Entwicklung, aber aufgrund des Anhaftens mißversteht man die Erlebnisse und vergißt sie zu noten. Man glaubt, dies seien zuverlässige, dauerhafte Zustände und hält sie für den Gipfel der Entwicklung. Das Anhaften verdirbt ihre Art aber und macht sie zu Hindernissen.

Vier Arten der Selbstvergessenheit

Einige der Verzerrungen des Klarblicks können so stark werden, daß sie die Achtsamkeit überwältigen, sodaß man sich verliert. Es gibt vier Ursachen, wenn man in der Meditation die klare Bewußtheit verliert und sich selbst vergißt, drei davon sind Verzerrungen des Klarblicks.

Wenn man die Erfahrung gemacht hat, sich in der Meditation zu verlieren, sodaß man nicht mehr weiß, wo man war oder was man erlebt hat, dann sollte man versuchen herauszufinden, woran das gelegen hat. Es kann zum Beispiel so vor sich gehen, daß man ‘heben/ senken’ eine lange Zeit notet, aber dann den Faden verliert und schlaftrunken da sitzt, weil Energie und Konzentration nicht ausgeglichen sind. Energie ist schwach, und Konzentration ist zu stark, bis man schließlich alles vergißt. Das zeigt, wie das Hindernis Trägheit (tinha-middha) die Achtsamkeit verdrängt.

Was fast alle Meditierenden kennenlernen, ist Selbstvergessen durch Begeisterung (piti). Man notet heben und senken’ eine zeitlang kontinuierlich, und dann hat man einen plötzlichen Aussetzer, verliert sich momentan und zuckt zusammen. Diese Unterbrechung der Bewußtseinskontinuität (santati) wird verursacht von Begeisterung.

Es kann auch sein, daß man sich sehr ruhig fühlt, kühle und reine Empfindungen den Körper durchziehen, als säße man auf einem Eisblock. Diese angenehme Kühle macht unaufmerksam, bis man sich selbst vergißt. Dann kommt man wieder zurück, notet weiter, aber verliert sich wieder. Das zeigt Vergessenheit aufgrund von Ruhe.

Die letzte Art der Selbstvergessenheit geht auch von einem Gefühl der Gleichgültigkeit aus: Man ist nicht wirklich aufmerksam und ruhig, sondern läßt sich in das Gefühl sinken und wird geistig immer stumpfer, bis man fast ohnmächtig ist. Dann verliert man sich. Diese Art, die Bewußtheit zu verlieren, ist von Gleichmut (upekkha) verursacht.

Diese vier Arten der Selbstvergessenheit sind gar nicht gut. Sie sind ein falscher, ein künstlicher Weg. Wenn der Meditierende solche Erlebnisse hat und stolz darauf ist, oder sie mit Befriedigung annimmt, wird er sich daran gewöhnen, solche Zustände immer wieder zu erleben. Er kann dann keine weiteren Fortschritte machen, und die wirkliche Überwindung des illusorischen Ego durch den edlen Pfad bleibt ihm versperrt. Zumindest ist dies die Schuld des Lehrers. Der Lehrer ist nämlich verpflichtet, den Meditierenden genau aufzuklären, was er da erlebt, und was er tun muß, um das geistige Gleichgewicht herbeizuführen.

Wenn der Lehrer ihm die Anweisung gibt, nicht an diesen Objekten anzuhaften, sie nicht festzuhalten, dann muß der Übende die Achtsamkeit auf die Gegenwart richten, sodaß er das Entstehen und Vergehen dieser Phänomene wahrnimmt. Solange man sich in der schwachen Phase des ‘Wissens vom Entstehen und Vergehen’ befindet, werden die Bilder, Körperempfindungen und Geisteszustände, die aus der Entfaltung meditativer Geisteskräfte resultieren, nur langsam verschwinden, wenn man sie notet; sie verblassen allmählich oder werden nach und nach weniger. Aber wenn der Klarblick das ‘starke Wissen vom Entstehen und Vergehen’ erreicht hat, und notet irgendein Phänomen, dann verschwindet es sofort, manchmal zerfallen die Erlebnisse förmlich aufgrund der Anwendung von Achtsamkeit, oder sie lösen sich in nichts auf. Dann wird das Entstehen und Vergehen sehr deutlich und umfassend erkannt. Es ist echter, reiner Klarblick, der in den folgenden Schritten des Klarblickwissens weiter vertieft und verfeinert wird.

DER KLARBLICK-PFAD

Die starken Klarblickschritte

Die Entwicklung in den ersten drei Klarblickwissen und dem schwachen ‘Wissen vom Entstehen und Vergehen’ wird der ‘vorbereitende Pfad’ genannt, weil die Objekte der Meditation noch nicht gründlich erforscht und verstanden worden sind. Wenn man anfängt, Achtsamkeit zu üben, erkennt man nur, daß der Geist undiszipliniert, chaotisch und auf die Wirklichkeit nicht vorbereitet ist. Es gibt viele Unterbrechungen der Achtsamkeit, man träumt oft und merkt es erst später. Die Objekte, die man betrachten soll, erscheinen zumeist unklar, formlos, ungreifbar. Deshalb beginnt der Geist, gewohnte Vorstellungen auf die Objekte zu projizieren und konzentriert sich mehr darauf als auf die eigentlichen Empfindungen.

Wenn die Konzentration besser wird, kann man das gegenwärtige Objekt manchmal unbefangen so sehen wie es ist; man beachtet nur die erlebten Merkmale des Hebens und Senkens der Bauchdecke, oder der Bewegung der Füße, ohne eine Vorstellung der anatomischen Form dieser Objekte zu visualisieren. Dann taucht das erste Klarblickwissen auf. Es kann die realen materiellen Phänomene, die man erlebt, anhand ihrer spezifischen Merkmale unterscheiden und stellt auch fest, daß Geisteszustände mit eigenen Merkmalen die Abfolge der körperlichen Objekte begleiten. Der Meditierende kann in der Betrachtung aber noch nicht erkennen, wie die Erlebnisse zustandekommen.

Das zweite Wissen eröffnet dem Übenden den Einblick in die bedingte Entstehung von Geist und Körper. Die Achtsamkeit kann jetzt länger die wechselnden Objekte anhand ihrer besonderen Merkmale erkennen. Die drei allgemeinen Merkmale aller bedingten Phänomene werden jedoch noch nicht sehr klar erfaßt, weil man vorwiegend damit beschäftigt ist, die unterschiedlichen Elemente des Erlebens in der Gegenwart korrekt zu identifizieren.

Erst wenn das dritte Wissen sich bemerkbar macht, gewinnt man ein Verständnis für die allgemeinen Merkmale von Geist und Körper. Jedesmal, wenn die Achtsamkeit das gegenwärtige Objekt an seiner Eigenart erkennt, stellt man fest, daß es vergänglich ist, daß es auftaucht, eine Reaktion im Geist auslöst und dann sogleich verschwindet, bevor irgendetwas daraus werden kann. Das ist nichts, was man sich wünschen würde, es ist unbefriedigend. Aber die Elemente von Geist und Körper folgen ihrer Natur und entstehen in Abhängigkeit von Bedingungen, die nicht zu kontrollieren sind. Sie haben keine echte Substanz, sind flüchtige Erscheinungen, die dem Übenden die Vorstellung von Leere nahebringen. Das ist das Merkmal ‘kein Selbst.’

Die drei Merkmale werden also erst im Laufe der Übung als reale Aspekte des Erlebens entdeckt, wenn man das gegenwärtige Objekt mit mehr Kontinuität noten kann. Das Verständnis bleibt aber zunächst auf die materiellen Objekte beschränkt. Geisteszustände, Emotionen und besonders die meditativen Geisteskräfte, die in der Übung entstehen, werden noch nicht so distanziert betrachtet, daß man sie als unpersönliche Erzeugnisse der Natur sehen kann. Man identifiziert sich mit ihnen, haftet an ihnen in dem Glauben, sie seien die eigene Persönlichkeit und man brauche sie deshalb nicht zu noten.

Erst wenn in der Übung die Verzerrungen des Klarblicks durch achtsames Noten abgelegt werden, können auch diese subtilen Geisteszustände ganz unpersönlich betrachtet werden wie alles andere: als bedingte Phänomene, die nur die allgemeinen Merkmale erkennen lassen.

Beginnend mit dem starken ‘Wissen vom Entstehen und Vergehen,’ werden die allgemeinen Merkmale der bedingten Phänomene kontinuierlich zum Objekt der Konzentration. Jedesmal, wenn man etwas notet, macht der Geist den Versuch, dieses Phänomen vollständig zu verstehen, und die Konzentration entwickelt sich durch vier Stufen:

Vorbereitung (parikamma). Achtsamkeit identifiziert die spezifischen Merkmale (sabhava lakkhana) des Objekts und benennt es.

Zugang (upacara). Anhand der spezifischen Merkmale beobachtet Achtsamkeit die absolute Wirklichkeit des gegenwärtigen Objekts und wird dadurch der drei allgemeinen Merkmale (samanna lakkhana) gewahr; Vergänglichkeit, Leidhaftigkeit und Substanzlosigkeit.

Aufstieg (anuloma). Die Wahrnehmung der drei Merkmale wird zum Sprungbrett, um eine lebhafte Intuition der vier edlen Wahrheiten zu erreichen. Um diese Funktion zu erfüllen, wird aber volle Konzentration gebraucht.

Abstieg (patiloma). Solange die Konzentration des Meditierenden noch keine Vertiefungsstärke erreicht hat, bleibt es bei dem Versuch der Durchdringung der Wahrheiten, und der Geist fällt zurück auf das unbewußte Kontinuum.

Nachdem die Verzerrungen des Klarblicks überwunden sind, kommen die geistigen Kräfte (indriya) ins Gleichgewicht. Der weitere Fortschritt durch die starken Klarblickwissen beruht ausschließlich auf der kontinuierlichen Arbeit an der Vervollkommnung der Erkenntnis, die mit dem vierten Wissen einsetzt. Während der ‘vorbereitende Pfad’ noch Schwankungen im Verständnis der Objekte zeigt, und der Meditierende manchmal unsicher wird, was das Ziel der Meditation betrifft, so geht es auf dem ‘Pfad des Klarblicks’ darum, durch die unabläßige Bewahrung des gegenwärtigen Objekts die latenten Neigungen des Geistes und die damit verbundenen konditionierten Verhaltensmuster zu schwächen, bis sie endgültig ihre Macht verlieren und den Weg freigeben für die Verwirklichung von Nibbana. Wenn die Konzentration volle Stärke erreicht, entwickelt sie sich im Moment des Notens nach Vorbereitung, Zugang und Aufstieg weiter zur Vertiefung mit den Phasen Reifung, Pfad und Frucht (gotrabhu, magga, phala).

5.) Wissen der Auflösung

Wenn der Meditierende das Gleichgewicht der Geisteskräfte gefunden hat, kann Achtsamkeit das gegenwärtige Objekt mit größerer Genauigkeit erfassen und nimmt das ‘Entstehen und Vergehenvon Geist und Körper wahr, wie es wirklich ist. Die drei Merkmale zeigen sich in allen Phänomenen. Die Meditation schreitet ungehindert fort, ohne daß der Übende irgendeiner Schwierigkeit begegnet.

Danach beschleunigt sich das noten auf einmal. Sogar das Heben und Senken der Bauchdecke entsteht und vergeht schneller als zuvor. Später realisiert man nur noch das Verschwinden aller Objekte, und die Geschwindigkeit mit der die einzelnen Eindrücke sich auflösen. Manchmal muß man ‘wissen, wissen’ noten, um sich nicht zu verheddern. Manche Leute finden, daß die Objekte nicht mehr klar sind, oder daß sie in dem Moment verschwinden, wo sie erlebt werden: die Objekte verschwinden zusammen mit dem notenden Geist. Während der Gehmeditation nimmt diese Erfahrung die Form jäher, ruckartiger Erkenntnis an: Kaum hat man genotet, da verschwinden Geist und Körper, als wären sie von jemandem weggenommen worden. Im Sitzen fühlt man sich bisweilen leer; man weiß nicht recht, was man überhaupt noten soll. Man fühlt sich entmutigt, weil die Objekte nicht mehr so klar sind wie früher. Kaum hat man etwas genotet, da löst es sich in nichts auf. Es kommt einem schwierig vor, diese undeutlichen Eindrücke zu noten, die mit halsbrecherischem Tempo im Nichts verschwinden, oder man kann sie nicht mit der gewohnten Sicherheit noten, weil das, was man notet, nur noch anhand des Verschwindens bemerkt wird. Dann hat der Übende dasWissen der Auflösung’ (bhanga-nana) erreicht.

6.) Wissen der Furcht

Wenn man den sechsten Klarblickschritt, ‘Wissen der Furcht’ (bhaya-nana) erreicht hat, hängen die Objekte und die notenden Geisteszustände noch enger zusammen und verlöschen immer gemeinsam. Weil die Objekte und auch der Geist immer wieder verschwinden, bekommt man Angst. Diese Furcht ist anders als die Furcht vor gewalttätigen Menschen, wilden Tieren oder schrecklichen Waffen. Man fürchtet sich und kann nicht sagen, wovor man sich eigentlich fürchtet. Manche Leute noten die Geist-Körper-Verbindung und sehen sie jedesmal verschwinden, und die Angst wird von Mal zu Mal stärker. Bei anderen wird die Konzentration sehr stark; plötzlich ist der Körper weg und sie haben Angst. Die Eigenart dieses Klarblickwissens entsteht aus der Wahrnehmung der Auflösung, die mit dem fünften Wissen einsetzt.

7.) Wissen des Elends

Wenn dieses Wissen auftaucht, hat der Übende den Eindruck, daß alles, was er notet, elend, erbärmlich und ungenügend ist. Auch das Heben und Senken der Bauchdecke werden als völlig unzureichend und elend gesehen, als eine bedrückende Last, als krank oder zwanghaft. Man hat das Gefühl, es wäre besser, es gäbe nichts mehr zu noten. Die Objekte der sechs Sinne und alles Gestaltete kommen einem miserabel und wertlos vor. Dies ist das ‘Wissen des Elends’ (adinava-nana).

8.) Wissen des Überdrußes

Manche Übende sagen, sie könnten gut noten, aber sie fühlen sich verzweifelt, erschöpft, als wären sie lustlos bei der Sache. Obwohl sie weiter meditieren, fühlen sie sich gar nicht wohl. Manche betrachten alles, was sie sehen, als abstoßend, bei anderen entsteht beim Meditieren ein Gefühl von Trostlosigkeit. Aber sie haben nicht einmal den Wunsch, mit jemanden zu sprechen. Sie bleiben nur in ihrem Zimmer. Einige reflektieren über die verschiedenen Ebenen der Wiedergeburt und finden nirgendwo eine Zuflucht. Selbst eine Existenz als Deva oder als Brahma finden sie schrecklich langweilig und unattraktiv. Der Überdruß in der Betrachtung von Geist-und-Körper entwickelt sich ganz allmählich beginnend mit dem vierten Wissen, bis man dieses achte Wissen erreicht: ‘Wissen, das Geist und Körper mit Überdruß betrachtet’ (nibbida-nana).

9.) Wissen des Verlangens nach Befreiung

Wenn der Meditierende die Übung fortsetzt, wird er Moskitostiche und Ameisenbisse spüren, oder kleine Insekten scheinen auf dem Körper zu krabbeln. Man empfindet wieder häufiger Juckreiz an vielen Stellen. Manche können nicht mehr ruhig sitzen. Sie werden ganz unruhig. Zuerst wollen sie sitzen, aber dann finden sie das Sitzen unerträglich und stehen wieder auf, als wollten sie weggehen. Sie finden keine Ruhe. Einige denken, daß es in der ganzen Welt keinen guten Ort gibt und nirgends etwas Gutes zu finden sei. Der Geist hat nur einen Wunsch: Still werden, zur Ruhe kommen, um das Verlöschen (nibbana) zu erreichen.

Manche Leute haben genug von allem und möchten nicht mehr noten. Sie packen ihre Sachen zusammen und wollen aufhören. Die bedingten Phänomene zerfallen andauernd zu nichts, jedesmal, wenn man die Achtsamkeit auf sie richtet. Also findet man nichts Erfreuliches mehr, nichts, was man genießen oder was einen zufrieden stellen könnte, und nichts, was sich lohnen würde, daran zu haften. Der Meditierende möchte sich befreien von den Gestaltungen von Körper und Geist, er möchte ihnen entkommen. Wissen mit diesen Anzeichen heißt Wissen des Verlangens nach Befreiung’ (muncitu-kamyata-nana).

10.) Wissen der großen Bemühung

Der Meditierende stellt fest, daß die Objekte, die er notet, immer verschwinden. Sie lösen sich so rasch auf, daß er nichts Dauerndes, Zuverläßiges oder Haltbares finden kann. Er findet nur Phänomene, die mit den drei Merkmalen ausgestattet sind: vergänglich, bedrückend und wesenlos. Diese drei Merkmale treten immer deutlicher zutage und beeindrucken die Achtsamkeit viel mehr als alle spezifischen Merkmale der individuellen Erlebnisse. In der Sitzmeditation fühlen manche, daß die Hände oder Füße ungewöhnlich schwer sind und gleichzeitig vibrieren, als wären sie elektrisch geladen.

Manche Leute haben juckende Empfindungen. Später dann sind die Hände, die Füße oder der Körper verspannt und schwer. Einige hören klagende Geräusche im Ohr, als würde der Wind durch eine Öffnung heulen. Das Geräusch stört sie; es ist sehr unangenehm und sie wünschen, ihm zu entgehen. Heben und Senken sind gut zu noten, und man sieht sie Moment für Moment auftauchen und verschwinden. Manchmal hat man ein Gefühl der Brustkorbenge. Das kann soweit gehen, daß der Atem behindert wird. Dieses Wissen bildet den Ausgangspunkt für die höheren Wissensstufen, die mit dem überweltlichen Pfad verbunden sind. Es ist das ‘Wissen der Großen Bemühung’ (patisankha-nana), oder der wiederholten Betrachtung, um das Ziel des geistigen Weges zu erreichen, Nibbana, das Element der Wirklichkeit, das die Flammen des Leidens löschen kann.

11.) Wissen des Gleichmuts vor Gebilden

Der Übende wird sagen, daß er nicht weiß, ob seine Meditation gut läuft oder nicht. Dabei macht er in Wahrheit täglich Fortschritte. Das ist aber kein Wiederspruch, denn auf der Basis eines starken neutralen Gefühls (adukkham-asukha-vedana), wie es sich im elften Wissen entwickelt, trifft der Meditierende keine Werturteile mehr. Obwohl er nicht sagen würde, daß es schlecht läuft, heißt das nicht, daß er die Meditation gut findet. Früher hatte er die Meditation immer als gut oder schlecht bezeichnet – und auch empfunden – aber jetzt weiß er selbst nicht mehr, ob sie gut oder schlecht ist. Und das ist ein sicheres Anzeichen, daß er wirklich das elfte Wissen erreicht hat.

In der Meditation fühlt man sich leichter und wendiger, man notet zügiger und direkter, intelligenter als vorher. Im Sitzen und im Liegen kann man die Betrachtung in entspannter Verfassung ausführen, ohne sich anzustrengen; wie ein guter Fahrer in einem guten Wagen auf guter Straße.

Manche sagen, sie können erstaunlich lange sitzen, ohne die geringsten Schmerzgefühle oder andere Belastungen. Egal, welche Sitzhaltung sie auch einnehmen, sie fühlen sich darin wohl. Das Noten geht auch problemlos – synchron mit den aufsteigenden Erlebnissen. Sie brauchen den Geist nicht mühsam zu dirigieren, sondern richten einfach die Achtsamkeit auf das gegenwärtige Objekt, und alles Weitere kann für sich selbst sorgen.

In dieser Phase der Entwicklung denkt der Geist nicht mehr. Vielleicht möchte der Meditierende über etwas nachdenken, aber der Geist fängt nicht damit an, sondern bleibt weiter beim Heben und Senken der Bauchdecke, und geht nicht mehr von dort weg. Die auftauchenden Absichten werden mit Gleichmut zur Kenntnis genommen und verlöschen wie alles andere ohne Wellen zu schlagen, ohne Wirkung zu zeigen. Dann muß der Übende manches Mal mit Weisheit entscheiden, was er zu tun hat, und muß die Absicht durch bewußten Willensentschluß gültig machen, dann wird er alles Nötige zur richtigen Zeit auch tun.

In früheren Wissensschritten bewegte sich der Geist oft im Körper umher und notete Berührungsobjekte, die er dort fand; das ist jetzt vorbei. Der Geist bleibt beim Heben/Senken, er vermißt die Vielfalt nicht und ist nicht neugierig auf das gegenwärtige Objekt. ‘Heben und senken werden unterdessen allmählich immer feiner, gleichmäßiger, wie gut gekneteter Teig. Aber egal, wie fein die Bewegung auch wird, man kann sie immer gut wahrnehmen und noten. Das ist die Praxis des echten ‘Mittleren Weges.’ Man nennt sie Wissen des Gleichmuts vor Gebilden’ (sankharupekkha-nana).

Sechs Eigenschaften des Gleichmuts vor Gebilden (sankharupekkha)

1.     Abwesenheit von Furcht, Erwartung, Überschwang - in Bezug auf alle Objekte von Geist und Körper.

2.     Abwesenheit von Übereifer und Anstrengung.

3.     Abwesenheit von Schwierigkeiten wie Schmerz.

4.     Abwesenheit von Haltungswechseln.

5.     Abwesenheit von spontanen Objektwechseln.

6.     Zunehmende Feinheit - von Objekt und notendem Geist.

Tauchen diese Eigenschaften auf, wenn der Übende in gerader Folge durch die aufsteigenden Schritte des Klarblicks geübt hat – angefangen vom ‘Analytischen Wissen von Geist und Körper’ über das starke ‘Wissen vom Enstehen und Vergehen’ – dann ist es sicher, daß er jetzt das ‘Wissen des Gleichmuts vor Gebilden’ (sankharupekkha-nana) erreicht hat.

Wenn das Wissen des Gleichmuts vor Gebilden’ zum ersten Mal auftaucht, sind diese Eigenschaften aber noch nicht hervorstechend. Man muß es pflegen und entwickeln, bis der Gleichmut (upekkha) stark, fest und unerschütterlich wird. Da die Stärke der individuellen meditativen Entwicklung hier maßgeblich wird, kann das für manche Leute viel Zeit beanspruchen und beharrliche Bemühung bedeuten. Wenn das ‘Wissen des Gleichmuts’ schnell stark wird, dann hat es diese Stärke vom starken vierten Wissen. Da werden die drei allgemeinen Merkmale – vergänglich, leidhaft, kein Selbst – zum führenden Objekt der Konzentration. Wurden sie klar und stark aufgefaßt, dann geht auch der Aufstieg durch die starken Klarblickwissen rasch und deutlich, und der Gleichmut festigt sich bald, nachdem er aufgetaucht ist.

Wenn der Meditierende das vierte Wissen mit weniger Schub – also mit weniger ausgeprägter Auffassung der drei Merkmale – erreicht hat, treten auch die starken Klarblickwissen weniger deutlicher auf. Einzelne sind für den Meditierenden nicht klar auf die Wahrnehmung der drei Merkmale zurückzuführen. Wenn man dann den ‘Gleichmut vor Gebilden’ erreicht, wird die Konzentration nur wenige Stunden stark bleiben. Man verliert sie immer wieder und hat Erlebnisse des neunten und zehnten Wissens. Dann muß man mit Beharrlichkeit die Konzentration aufbauen, indem man diese Erlebnisse richtig notet. Dadurch wird man Experte in den höheren Stufen des Klarblickpfades und im Eintreten in den Gleichmut und entwickelt so die Stärke der Konzentration, bis man den Gleichmut nicht mehr verliert. Dies kann man verdeutlichen durch den Vergleich mit der Krähe im Ausguck –

In früherer Zeit nahm der Kapitän eines Schiffs immer eine Krähe im Käfig mit, wenn er auf See ging. Damals war der Kompaß nämlich noch nicht erfunden. Auf hoher See, außer Sicht des Landes, mußte man sich nach Sonne, Mond und Sternen richten.

Wenn dann ein Sturm aufkam, und der Himmel hing bedeckt mit dräuenden Wolken und regenverhangen über dem Schiff, das in der windgepeitschten See rollte, dann gab es keine Navigationshilfen mehr. Das Schiff lief Gefahr, den Kurs zu verlieren, und die Mannschaft wußte nicht, wie sie den Kurs halten sollte. Unter solchen Witterungsbedingungen nahm der Kapitän – wollte er herausfinden, in welcher Richtung das Land lag – die Krähe aus ihrem Käfig heraus und ließ sie fliegen.

Wenn die Krähe frei war, flog sie zuerst auf den Mast und hockte sich auf den Mastkorb, um von da Ausschau nach Land zu halten. Wenn sie kein Land sehen konnte, flog sie vom Ausguck hoch in die Luft, um weiter sehen zu können. Wenn sie immer noch kein Land sah, ließ sie sich wieder auf dem Mastkorb nieder, um zu rasten. Später nahm sie ihre ganze Kraft zusammen, stieg noch höher auf und prüfte die Richtungen erneut. Konnte sie auch jetzt noch kein Land sehen, kehrte sie wieder zum Ausguck zurück. Das wiederholte sich, bis sie einmal Land entdeckte. Dann flog sie sofort und geradewegs darauf zu, und der Kapitän konnte ihr mit dem Schiff folgen.

Das schwache ‘Wissen des Gleichmuts’ ist wie die Krähe im Ausguck. Wenn man sich in der Übung angestrengt hat, bis das ‘Wissen des Gleichmuts’ auftaucht, aber es ist nicht stark genug, um sich in wenigen Stunden bis zur Vertiefungskonzentration zu festigen, dann geht das Wissen immer hin und her, vom ‘Wissen des Verlangens nach Befreiung’ zum ‘Wissen der großen Bemühung’ und dem schwachen ‘Wissen des Gleichmuts.’ Der Grund liegt in der schwächeren Kraft der Intuition, mit der die drei Merkmale beim Noten jedesmal von den spezifischen Merkmalen abgeleitet werden. Diese Schwäche besteht seit dem vierten Wissen und bildet jetzt die letzte Stufe der Hindernisse, weil die Konzentration nicht lange genug anhält, um die nötige Stärke zu bekommen für den edlen Pfad. Möglicherweise fehlt dem Übenden auch die Fähigkeit zu weiterem Fortschritt, oder er mag gehindert sein durch ein besonderes kamma, das erst geklärt werden muß.

Im allgemeinen entstehen die Hindernisse dieser Stufe durch Gedanken und Stimmungen, Objekte also, die auf dem Gebiet der Betrachtung des Geistes’ (cittanupassana) liegen: unvernünftige Sorgen, Aufregung und Vorahnungen können den Verlust des Gleichmuts bedeuten. Daher muß der Meditierende den folgenden Objekten besondere Aufmerksamkeit zuwenden –

1.     Körperliche Schmerzen – Man wird feststellen, daß auch stechende, scherende Schmerzen, die bisweilen auftreten, verschwinden, wenn sie entschieden genotet werden.

2.     Geistiges Gefühl – Glück, Wonne, Erwartung, Enttäuschung, und Ähnliches. Da diese Gefühle Aufregung erzeugen, wenn sie nicht genotet werden, muß man sie kräftig noten, wenn man sie erlebt, um die wahre Natur des geistigen Gefühls zu erkennen.

Manchmal fühlt man sich sehr losgelöst und beginnt dann, sich Sorgen zu machen. Das kommt, weil man nicht daran gewöhnt ist, neutrales Gefühl so klar und deutlich zu erleben. Jeder Wechsel der Gefühle muß sofort anerkannt und genotet werden.

3.     Gedanken – Urteile und Schlußfolgerungen, die in der Betrachtung auftreten können. Diese sind nur geistige Objekte, die entstehen und vergehen, sie haben keine Substanz und helfen nicht, die Wirklichkeit zu sehen. Wenn man sie nicht notet, denkt man: “Das bin ich, der denkt.” Dann verfängt man sich in den nachfolgenden Stimmungen.

Wenn der Übende die Achtsamkeit gewissenhaft auf alle geistigen Objekte anwendet, dann schafft er dadurch eine breite Basis für Gleichmut, und er wird dann verstehen, daß alle Gedanken durch Bedingungen hervorgerufen werden, sie sind nicht wichtig und haben nichts mit ihm zu tun. Dann wird der Geist aufhören, auf die verschiedenen Gedanken einzugehen, er bleibt von ihnen unberührt und zieht sich darauf zurück, Aufstieg und Zerfall aller Objekte in der Gegenwart zu bezeugen, ohne Unterscheidungen zu treffen. In dieser Weise werden die sechs Eigenschaften des ‘Gleichmuts vor Gebildenoffenbar.

 

DER ÜBERWELTLICHE PFAD

Klarblick der zum Entrinnen führt

Wenn das ‘Wissen des Gleichmuts vor Gebilden’ stark und anhaltend wird, erreicht der Meditierende den Höhepunkt des Klarblickpfades, den ‘Klarblick, der zum Entrinnen führt’ (vutthana-gamini-vipassana). An diesem Punkt der Entwicklung wird eines der drei allgemeinen Merkmale – Vergänglichkeit, Leiden, nicht-Selbst – zum alleinigen Brennpunkt der Konzentration. Es wird mit umfassender, von Mal zu Mal sich verstärkender Klarheit genotet und führt zu einem tiefen, unmittelbaren Verstehen der Natur bedingter Phänomene (sankharadhamma).

Erst jetzt sieht man wirklich, wie man den bedingten Phänomenen entgehen kann. Man versteht der Wahrheit entsprechend den Weg, den Buddha gelehrt hat, und nachdem die Unklarheit sich aufgelöst hat, wird der Geist den als richtig erkannten Weg auch unverzüglich gehen. Dies ist der notwendige Auslöser für den unmittelbar folgenden Bewußtseinsprozeß des edlen Pfades, der die fünf restlichen Wissensschritte in sich vereinigt. Der Pfadprozeß wird bezeichnet nach demjenigen der drei Merkmale, das zu seinem Auftauchen geführt hat –

1.     Wenn der Geist Vergänglichkeit’ betrachtet, entwickelt er die Vorstellung ‘kein Bild’ und erreicht die ‘Bildlose Befreiung.’

2.     Wenn der Geist ‘Leidhaftigkeit’ betrachtet, entwickelt er die Vorstellung ‘kein Verlangen’ und erreicht die ‘Wunschlose Befreiung.’

3.     Wenn der Geist ‘Substanzlosigkeit betrachtet, entwickelt er die Vorstellung ‘kein Selbst’ und erreicht die ‘Leere Befreiung.’

12.) Wissen der Anpassung

Das ‘Wissen der Anpassung’ (anuloma-nana) ist der zwölfte Schritt des Klarblickwissens. Es ist der letzte Akt des Bemerkens im ‘Klarblick, der zum Entrinnen führt’ und zugleich der erste Wissensschritt im Bewußtseinsprozeß des edlen überweltlichen Pfades. Dieses Wissen entwickelt die an überweltliche Vertiefung angrenzende Sammlung (lokuttara upacara-samadhi) der momentanen Konzentration und hat als Objekt das Entstehen und Vergehen der fünf Bündel des Anhaftens.

Das ‘Wissen der Anpassung’ betrachtet die Wirklichkeit in Übereinstimmung mit den vier edlen Wahrheiten. Die fünf Bündel des Anhaftens sind die beiden ersten Wahrheiten: Das Leiden und das Verlangen danach, welches den Geist darin gefangen hält. Die Wahrheit des Verlöschens steht diesem Wissen durch die momentane Auflösung von Körper und Geist deutlich vor Augen, ohne aber als Objekt erfasst zu werden. Der Weg zu dieser Erfassung des Verlöschens in Abwesenheit der fünf Bündel ist der Weg der Entwicklung des Klarblickwissens, der hier kulminiert.

Das Bewußtsein, das von den sechs Sinnen herrührt, wird durch Kontakt zwischen Sinnesorganen und ihren Objekten provoziert, aber unsere Bewußtheit entwickelt sich vom Punkt des Kontaktes an in mehreren Schritten, bevor der Akt des Wissens vollständig abgeschlossen ist. Dann sinkt der Geist auf das unbewußte Lebenskontinuum zurück. Kann dieser Prozeß aus irgendwelchen Gründen nicht vollständig ablaufen, dann haben wir kein klares Bewußtsein eines Objekts und wissen deshalb gar nichts von diesem Kontakt.

Auch in jedem Bewußtseinsprozeß, der von Achtsamkeit begleitet wird, also jedesmal, wenn man das gegenwärtige Objekt notet, entwickelt sich die Bewußtheit in mehreren Schritten, bevor der Akt des Wissens abgeschlossen ist. Wie man das gegenwärtige Objekt mit Achtsamkeit wahrnimmt, ist davon abhängig, wie stark seine charakteristischen Merkmale erfasst werden. Die befinden sich auf der Ebene absoluter Realität. Sie wahrzunehmen bedeutet, die gewohnten Vorstellungen von ‘Dingenund ‘Wesen als Objekte der Achtsamkeit zu verlieren und sie einzutauschen gegen die formlosen, ständig in Veränderung befindlichen Elemente der bloßen Sinneserlebnisse. Die unmittelbaren Erlebnisse sind aber das ‘vorbereitende Objekt’ (parikamma nimitta) für momentane Konzentration.

Wenn nach dem Beginn der Meditation dieReinheit des Geistes’ eintritt, kann man die beiden Phasen der Bewegung des Hauptobjekts deutlich anhand der Körperempfindung unterscheiden. Die festumrissene Begrenzung der Objekte fordert die Achtsamkeit heraus, zu erforschen, was an den Grenzen geschieht und was zwischen den Grenzen liegt. An diesem Punkt der Entwicklung beginnt der ‘vorbereitende Pfad’ mit den ersten drei Klarblickwissen, die das jeweils anwesende Objekt in seinen Aspekten ‘Entstehen,’ ‘Dauer,’ und ‘Auflösung untersuchen.

Der vierte Schritt des Klarblicks bringt eine Veränderung des Klarblickobjekts mit sich, indem man die sich ständig ablösenden Sinneseindrücke nicht mehr nur anhand ihrer eigenen Merkmale betrachtet, sondern sie jetzt als Repräsentanten der drei allgemeinen Merkmale auffasst. Diese sind das ‘aufgefasste Bild’ (uggaha nimitta), das momentane Konzentration sich aneignet, wenn sie die Stärke der weltlichen angrenzenden Sammlung (upacara samadhi) aus der Konzentrationsübung erreicht hat. Es beginnt hier die Reihe der starken Klarblickwissen, die alle anhand der gegenwärtig anwesenden Geist-Körper-Verbindung von Moment zu Moment immer nur die drei Merkmale als Objekte des Wissens haben. Von diesem Punkt der Entwicklung an treten in jedem meditativ geprägten Bewußtseinsprozeß – jedesmal, wenn man notet – die vier Funktionen der Konzentration auf: ‘Vorbereitung, Zugang, Aufstieg, Abstieg’ (parikamma, upacara, anuloma, patiloma). Der anuloma-Moment (Aufstieg, Anpassung) hat die Funktion, die drei Merkmale zu erfassen. ‘Abstieg findet statt, weil die Anpassung des Wissens an die vier edlen Wahrheiten nicht stark genug ist, Vertiefungskonzentration (appana samadhi) zu erzeugen.

Im Verlauf des Fortschritts durch die starken Klarblickwissen wird das Verständnis und die Wahrnehmung der drei Merkmale geschärft, und der ‘Aufstieg’-Moment wird immer stärker. Wenn der Meditierende das ‘Wissen des Gleichmuts’ erreicht hat und sich beständig bemüht, den Gleichmut zu vervollkommnen, dann, so heißt es, wird sein Vertrauen furchtlos, seine Energie unerschöpflich, seine Achtsamkeit fest eingerichtet, seine Konzentration geradlinig und sein Gleichmut unerschütterlich. Dann wird ihm bewußt werden, daß das Pfadwissen sich anbahnt, und sein ‘Wissen des Gleichmuts’ betrachtet alle Gebilde als vergänglich, leidhaft und nicht Selbst. Jetzt geht der Bewußtseinsprozeß weiter bis zur Vertiefung: Nach ‘Vorbereitung’ und ‘Zugang’ folgen Anpassung’ und ‘Reife’ (parikamma, upacara, anuloma, gotrabhu). Die ersten drei Bewußtseinsmomente heißen zusammengenommen ‘Wissen der Anpassung.’

Der Vorgang, der hier beschrieben wurde, ist die Entwicklung des ‘Aufstieg-Moments in der Übung des reinen Klarblicks (suddha-vipassana-yana). Es ist eine andere Geschichte, wenn der Meditierende zuvor schon weltliche Konzentrationsübungen (samatha) betrieben und Versenkungsstufen (lokiya-jhana) erreicht hat. Dann ist die Funktion ‘Anpassung’ die fortlaufend geübte Konzentration zu sammeln und umzuformen, bis sie stark genug ist, Vertiefung zu erzeugen – schon gut entwickelt und kraftvoll. Die Konzentrationsübungen passen die Konzentration an die feinstofflichen und unkörperlichen Objekte der weltlichen Versenkungsstufen an. Wenn so jemand seine geistige Kraft in der Klarblickübung einsetzt, ist seine Entwicklung viel rascher, besonders wenn er die vierte feinkörperliche Vertiefung beherrscht. Er übt auf der Basis von Versenkung, die er kurzfristig betritt, und wenn er sie wieder verläßt, betrachtet er die Grundlagen der Achtsamkeit, um momentane Konzentration auszubilden, denn die Aufgabe in der Klarblickübung besteht darin, von Moment zu Moment die wahre Natur von Körper und Geist zu betrachten.

Der Versenkungserfahrene besitzt Reinheit des Geistes vom Beginn der Übung an, seine Hindernisse sind völlig unter Kontrolle, und er hat keine Schwierigkeiten, das ‘vorbereitende Bild’ und das ‘erworbene Bild’ der Klarblickmeditation zu erfassen und das starke Wissen vom Entstehen und Vergehen’ zu erreichen. Er wird nicht von den Verzerrungen behindert, denn er kennt sich aus mit verschiedenen geistigen Objekten (nimitta) und weiß zu verhindern, daß er sich an die falschen hängt. Er hat Kontrolle über seine Konzentration und kann sie auf das korrekte ‘Bild einstellen – die drei Merkmale. So geht er rasch durch die Klarblickwissen, und der ‘Aufstieg-Moment sammelt schnell die für überweltliche Vertiefungskonzentration nötige Stärke an.

Wie dem auch sei: Unabhängig davon, ob man nun dem Pfad reinen Klarblicks folgt, oder Klarblick auf der Basis von Versenkungszuständen übt (samatha-vipassana), wird der Pfadprozeß eingeleitet, sobald der ‘Aufstieg-Moment der Konzentration die minimal notwendige Stärke hat, um den Wechsel des Objekts zu bewirken, der die Erleuchtung bedeutet: von der Betrachtung der drei Merkmale, dem ‘erworbenen Bild,’ zum Erfassen des ‘Gegenbildes für Vertiefungskonzentration in der Klarblickübung: Nibbana, das Element der Wirklichkeit, das den Phänomenen von Körper und Geist keine Grundlage und keinen Halt bietet.

Die unterschiedlichen Betrachtungsweisen der einzelnen Klarblickwissen, die der Übende vom starken ‘Wissen vom Entstehen und Vergehen bis zum ‘Wissen des Gleichmuts’ auf ganz persönliche Weise erfahren hat, werden vom ‘Wissen der Anpassung’ zu einer abschließenden, ganzheitlichen Betrachtung der fünf Bündel des Anhaftens zusammengefaßt und integriert. Im einzelnen betrachtet dieses Wissen so:

1.     Es sieht das Entstehen und Vergehen aller Phänomene und erkennt, daß dies ihre eigene Natur ist.

2.     Es erkennt, daß die Auflösung von Geist und Körper ein natürliches Ereignis ist.

3.     Es erkennt, daß die in Erscheinung tretenden Gebilde furchteinflößend sind.

4.     Es erkennt, daß die fünf Bündel Leiden bedeuten.

5.     Es ist überdrüßig hinsichtlich der Gebilde.

6.     Es wünscht, den Gebilden zu entkommen.

7.     Es überprüft den Weg der Entwicklung noch einmal, um den Weg des Entkommens zu erkennen.

8.     Wenn es die Gebilde klarbewußt erfaßt hat wie sie wirklich sind, dann läßt es sie los und haftet an nichts mehr.

 

Das ‘Wissen der Anpassung’ ist der Höhepunkt der Klarblickentwicklung und bedeutet einen psychologisch bis in die Tiefen des Unbewußten reichenden Willensentschluß zum endgültigen und unwiderruflichen Verzicht auf alle Gebilde. Es ruft alle die Geisteskräfte wach, die Bestandteile des Erleuchtungsbewußtseins sind und in der Meditation entwickelt wurden, und bringt sie zum Einsatz. Der Geist ist nun befähigt und bereit für überweltliche Vertiefung.

13.) Wissen und Reife

Das dreizehnte Wissen, ‘Reifewissen’ (gotrabhu-nana), verändert die Zugehörigkeit des individuellen Geistes mit Blick auf die weitere samsarische Laufbahn. Es folgt im Bewußtseinsprozeß des edlen Pfades unmittelbar auf das ‘Wissen der Anpassung.’ Dieses Wissen bildet den Übergang vom weltlichen (lokiya) zum überweltlichen (lokuttara) Geist. Für das Individuum bedeutet es den Wechsel vom spirituell unerfahrenen Weltling’ zum wissenden Edlen .’ Das ‘Reifewissen verstärkt die vom ‘Wissen der Anpassung’ übernommene angrenzende Konzentration bis zur Vertiefung.

Das ‘Wissen der Anpassung’ weiß, daß die fünf Bündel des Anhaftens ein Ende finden müssen, aber es weiß nicht, was nach dem Ende kommt, denn als Objekt betrachtet es die Gebilde. Das ‘Reifewissen’ hingegen hat Nibbana als Objekt und erkennt, daß das Verlöschen der fünf Bündel keine Vernichtung von etwas Existierendem und auch kein unerkennbares Nichts ist. Es erkennt die überweltliche Realität von Nibbana am Merkmal des Friedens (santilakkhana).

Das ‘Reifewissen ist vergleichbar mit dem Überschreiten einer Türschwelle: Ein Fuß ist schon darüber hinweg, aber der andere steht noch davor. Mit der Tür zu Nibbana ist es ähnlich: Davor sind die Bündel von Geist und Körper noch das Objekt, aber in Nibbana sind keine fünf Bündel, Nibbana selbst ist das Objekt. Wenn das Wissen der Reife auftaucht, steht der Erleuchtung nichts mehr im Weg.

 

14.) Pfadwissen

Nach dem ‘Reifewissen ist der unmittelbar folgende Bewußtseinsmoment das ‘Pfadwissen.’ Die Konzentration hat Vertiefungsstärke und Nibbana ist das Objekt des Geistes. Der Geist, der den Pfad erlebt, hat direkte Berührung mit der unwandelbaren, ungeschaffenen Realität, die jenseits von Geburt und Tod ist, die nicht entsteht und vergeht, das ‘unzerstörbare Element’ (amata-dhatu). Das Pfadwissen vernichtet die Eintrübungen, die Maschinerie des Leidens, die als die zehn Fesseln (samyojana) aufgelistet werden.

Wie kommt es zu dieser restlosen Vernichtung? Wenn Achtsamkeit in der richtigen Weise entwickelt wurde, entsteht Weisheit. Dann wird man verstehen, daß alle Arten von Eintrübung und Verlangen nur in den fünf Bündeln des Anhaftens liegen. Außerhalb davon kann es sie nicht geben. Aufgrund der mit Klarblick beobachteten Vergänglichkeit sind alle Phänomene als Leiden erkannt worden. Ihr Verlöschen, das schon Objekt des ‘Reifewissens war, ist der ersehnte Frieden. Da der Geist dies angesichts von Nibbana erkennt, läßt er das Verlangen fahren. Achtsamkeit ist zu dem Zweck entwickelt worden, diese Wahrheit zu erkennen und dann alles loszulassen. Die Erkenntnis ist der Pfad, das Loslassen ist Verlöschen – Verlöschen ohne Verlangen.

Die vier überweltlichen Pfade werden unterschieden nach ihrer Kapazität zur Vernichtung von Eintrübungen:

1.     Der Pfad des Stromeintritts (sotapatti-magga) durchtrennt die Fesseln der falschen Ansicht des Selbst, des Zweifels über die Natur der Wirklichkeit, und des Glaubens an die Wirksamkeit von Ritualen als Mittel zum Erreichen von Reinheit, Weisheit und Befreiung. Begierde und Aversion, die zu schlechten Wiedergeburten führen können, werden von diesem Pfad auch vernichtet.

2.     Der Pfad der Einmalwiederkehr (sakadagamimagga) schwächt die beiden Fesseln der Sinnesbegierde und der Aversion weiter ab.

3.     Der Pfad der Niewiederkehr (anagami-magga) vernichtet die Fesseln der Sinnesbegierde und der Aversion vollständig. Danach ist Wiedergeburt im sinnlichen Universum (kamaloka) ausgeschlossen.

4.     Der Pfad der Heiligkeit (arahatta-magga) vernichtet die fünf übrigen, ‘höheren,’ oder subtilen Fesseln: das Verlangen nach feinkörperlicher Existenz, das Verlangen nach unkörperlicher Existenz, Dünkel, Unruhe und Unwissenheit.

Der einzelne Bewußtseinsmoment des Pfades im überweltlichen Bewußtseinsprozeß der siebten Reinheitsstufe ist der Moment der Befreiung. Jeder einzelne der vier Pfade ist unwiederholbar. Sie werden nur einmal erlebt; die vernichteten Fesseln können nie mehr neu entstehen und den Geist binden.

15.) Fruchtwissen

Das ‘Fruchtwissen’ (phala-nana) folgt unmittelbar auf das Pfadbewußtsein und dauert zwei oder drei Bewußtseinsmomente, je nach der Kraft der Meditation. Das Fruchtbewußtsein (phala-citta) hat Nibbana als Objekt und wird von Vertiefungskonzentration getragen. Während das Pfadbewußtsein die höchste Willenshandlung (kamma) des Geistes ist, entsteht das ‘Fruchtwissen als Ergebnis (vipaka) dieser Tat: Es erlebt das Verlöschen nach der Zerstörung der Fesseln. Obwohl die vier Pfade nicht wiederholbar sind, können die dazugehörigen Zustände des Fruchtbewußtseins erneut auftreten, wenn die Klarblickübung fortgesetzt wird. Die vier Pfade und vier Fruchtwissen sind alle überweltliche Geisteszustände (lokuttara-citta).

16.) Wissen des Rückblicks

Das ‘Wissen des Rückblicks’ (paccavekkhana-nana) blickt zurück auf den Pfad und die Frucht, die gerade erlebt wurden. Es betrachtet auch die Eintrübungen, die vernichtet wurden und diejenigen, die noch im Geist geblieben sind. Als letzte Funktion betrachtet das ‘Wissen des Rückblicks’ die überweltliche Realität, Nibbana, und stellt für den Übenden die Erinnerung an das Erleuchtungserlebnis sicher.

Da dieses Wissen wieder Geist und Körper als Objekt hat, wird es als weltlicher Geisteszustand klassifiziert. Der Meditierende beschließt, die Übung weiter fortzusetzen, um die höheren Pfade zu verwirklichen, und kehrt dann zu dem ursprünglichen Objekt zurück: dem Entstehen und Vergehen von Geist und Körper.

In der Praxis dauert der gesamte Bewußtseinsprozeß des Pfades, vom Wissen der Anpassung’ bis zum ‘Wissen des Rückblicks,’ nicht einmal so lang wie ein Fingerschnipsen, ein Augenzwinkern oder ein Blitzlicht. Für den Übenden ist es nur ein einziger Akt bewußten Bemerkens. Er wird sich an den ‘Klarblick, der zum Entrinnen führt’ erinnern, und daran, daß danach für einen Moment alle Gefühle unterbochen waren. Die Vernichtung der Eintrübungen ist jedoch bleibend und legt die weitere Entwicklung durch die höheren Pfade bis zur vollständigen Überwindung des Leidens neuer Wiedergeburt mit absoluter Gewißheit fest.

Die Wiederkehr des Fruchtbewußtseins

(phala-samapatti)

Zum Abschluß dieses Handbuchs sei der Übende noch einmal daran erinnert, die Übung immer mit der richtigen geistigen Einstellung zu unternehmen. Als Voraussetzung für die korrekte Entwicklung von Klarblick, darf man sich keinen Wunschvorstellungen hingeben oder Erwartungen bezüglich des edlen Pfades hegen. Erwartung entspringt aus Begierde. Wenn man mit Begierde oder dem Verlangen, Nibbana rasch zu erleben, meditiert, vereitelt man die eigene Bemühung. Selbst wenn man ein Verlöschen erlebt, wird es mit großer Sicherheit eine der vier falschen Arten von Selbstvergessenheit sein. Manche entwickeln in der Übung starke Konzentration und haben eigenartige Erlebnisse. Sie dürfen dann nicht darüber spekulieren, was das wohl war, sondern müssen sich weiter bemühen, die Achtsamkeit in der Gegenwart zu halten und an nichts anzuhaften. Wer den edlen Pfad in Wahrheit durchlaufen hat, wird sich dieser Tatsache im Lauf der Zeit bewußt werden.

Ob das echte Verlöschen durch den edlen Pfad eingetreten ist, kann der Übende anhand folgender Anweisungen für die Übung selber prüfen: Wenn man mit großer Sorgfalt und gewissenhafter Anwendung der in diesem Handbuch beschriebenen Methode die Abfolge der Klarblickschritte vom dritten bis zum elften Wissen durchläuft, werden die fünf geistigen Fähigkeiten (Vertrauen, Energie, Achtsamkeit, Konzentration, Weisheit) ausgeglichen und nehmen dann an Kraft zu, bis mit deutlicher Beschleunigung der ‘Klarblick, der zum Entrinnen führt’ auftaucht – Wissen, welches nur eines der drei Merkmale als Objekt betrachtet. Dann folgt momentanes Verlöschen und das ‘Wissen des Rückblicks.’

Danach sind die Erlebnisse in der Meditation wieder von gröberer Art. Der Meditierende ist plötzlich vom ‘Wissen des Gleichmuts,’ das hochkonzentriert ist und weder Gedanken noch Abschweifungen der Konzentration zu äußeren Objekten kennt, zurückgefallen auf das vierte Wissen. Mit dem starken Wissen vom Entstehen und Vergehen’ beginnt dann erneut die Entwicklung durch die Schritte des Klarblickpfades, die aber jetzt schneller durchlaufen werden als beim ersten Mal, und erreicht bald wieder den ‘Klarblick, der zum Entrinnen führt, gefolgt von erneutem Verlöschen.

Dieser Fortschritt durch die Abfolge der starken Klarblickwissen muß oft geübt werden, bis der Meditierende die typischen Erlebnisse der verschiedenen Schritte gut kennt und wie Meilensteine am Wegesrand nur registriert, ohne daran anzuhaften und sie als persönliche Erlebnisse zu begreifen. Sollten einzelne der Wissensschritte undeutlich sein, so möge man in der Meditation den Entschluß fassen, daß dieses Wissen für zwanzig Minuten andauern soll. Der Klarblick wird dann bei diesem Wissen bleiben, bis die bestimmte Zeit um ist, dann taucht das nächste Wissen von alleine auf. In dieser Weise wird der Meditierende völlige Klarheit über den Inhalt der einzelnen Wissensschritte bekommen, und seine Konzentration wird zunehmen, bis er in einer Sitzung vom vierten Wissen bis zum Eintritt des Verlöschens gehen kann. Danach kann man zu Beginn der Sitzung den Entschluß fassen, daß das Verlöschen innerhalb von zwanzig Minuten eintreten soll, und wenn es geschieht, wiederholt man den Entschluß und verkürzt allmählich die Zeit, bis man schließlich in einer Sitzung immer wieder den Aufstieg durch die Klarblickschritte bis zum Verlöschen beherrscht. Später kann man die Dauer des Verlöschens verlängern, von fünf Minuten auf zehn, bis zu einer Stunde und länger. Wenn der Übende das Verlöschen auf diese Weise kennt, wird er absolute Gewißheit haben – aber er darf nicht anhaften, das gefährdet das Verlöschen.

Die Vorzüge des Klarblicks

Die Übung von Klarblickmeditation hat so viele Vorzüge, daß man sie nicht alle aufzählen kann. Es seien hier nur die wertvollsten erwähnt-

1.     Die Übung löst Zweifel auf und gibt rechtes Verständnis der wahren Natur des Lebens. Die Methode hilft uns, die höchste Stufe menschlicher Entwicklung zu verwirklichen und im ‘Hier und Jetzt’ glücklich zu leben.

2.     Sie hilft uns, den Geist zu kontrollieren, wenn er den falschen Weg geht. Sie gibt uns das Wissen des rechten Wegs und der Methode, den inneren Frieden zu finden. Wahres Glück stellt sich ein. Dann brauchen wir das Glück nicht mehr durch Geldausgaben zu suchen, was nur Vergnügen gemischt mit Frustration bringt.

3.     Sie macht uns uneigennützig, sodaß wir das Glück auch anderen Menschen nahebringen können. Freundlichkeit, Mitgefühl, und die Betrachtung aller Wesen als Leidensgefährten, die wie wir Geburt, Alter, Krankheit und Tod erleiden, wird für uns selbstverständlich sein.

4.     Im nächsten Leben werden wir die menschliche Geburt nicht verlieren, denn Achtsamkeit und klare Bewußtheit (sati, Sampajanna) sind unser Schutzschild. Wenn wir sterben, werden wir achtsam sein und ein heilsames Bewußtsein haben, das zu guter Wiedergeburt führt. Wir werden vor dem Tode nicht verwirrt sein, denn für unsere Zukunft ist schon gesorgt.

5.     Wer studiert, wird Weisheit und ein gutes Gedächtnis haben und kann sich leicht konzentrieren. Achtsamkeit wird ihn auch in Prüfungssituationen begleiten, sodaß sein Gedächtnis nicht versagt, wie es bei Streß sonst leicht vorkommen kann. Wenn er eine Prüfung ablegt, wird er alles wissen und gut abschneiden.

6.     Klarblickmeditation beeinflußt die geistige und körperliche Gesundheit günstig, Krankheiten und chronische Beschwerden bessern sich, und solche, deren Ursache kamma ist, können spontan heilen, weil der Übende seinen Geist stark und frei von Hindernissen und unproduktiver Sorge hält, und seine Zuversicht auf gegenwärtigem gutem kamma beruht, wenn er neutrale Achtsamkeit übt, die nicht anhaftet an den Erlebnissen. Dies ist die Bedingung, daß der Körper sich ändern kann und den Einfluß des kamma überwindet.

7.     Wenn die geistigen Voraussetzungen des Übenden für die Verwirklichung der siebten Reinheitsstufe in diesem Leben noch nicht ausgereift sind, wird er durch die Übung die Voraussetzung schaffen für das Erreichen von Pfad, Frucht und Nibbana in der nächsten Existenz.

8.     Wer die Lehre Buddhas in der Meditationspraxis zur Richtlinie macht, von dem kann man zurecht sagen, daß er Vertrauen in den Buddha hat, und es ist Ausdruck für die Art von Verehrung, die dem Status Buddhas als höchstem Lehrer gebührt. Es gibt in dieser Welt nichts und niemanden, der unseren Respekt und unsere Verehrung mehr verdient als Buddha. Buddha selber lobte die Verehrung durch praktische Nachfolge. Er sagte: “Wer die Lehre übt, der verehrt mich. Wer die Wirklichkeit erkennt, der erkennt mich, den Tathagata.”

9.     Der Meditierende wird mit Sicherheit den Vorzug der Klarblickübung erleben können, den Buddha in der Lehrrede über die Grundlagen der Achtsamkeit in Aussicht gestellt hat: “Hört mich an, Bhikkhus! Wer die vier Grundlagen der Achtsamkeit sieben Jahre lang entwickelt, der kann eine dieser beiden Früchte erwarten: Die Frucht der Arahatschaft in diesem Leben, oder er wird, wenn noch Fesseln bleiben, Niewiederkehrer sein."

Hört mich an, Bhikkhus! Vergeßt die sieben Jahre! Wer die vier Grundlagen der Achtsamkeit sechs… fünf, vier, drei, zwei, ein Jahr… sieben Monate… sechs, fünf, vier, drei, zwei, einen Monat… sieben Tage lang ununterbrochen entwickelt, der kann eine dieser beiden Früchte erwarten: Die Frucht der Arahatschaft in diesem Leben, oder er wird, wenn noch Fesseln bleiben, Niewiederkehrer sein."

“Hört mich an, Bhikkhus! Es gibt diesen einzigen Weg zur vollständigen Läuterung der Wesen, zur Überwindung von Kummer und Verzweiflung, zum vollständigen Verlöschen von Schmerz und Niedergeschlagenheit, für die Entwicklung des höheren Wissens und die Verwirklichung von Nibbana. Dieser Weg sind die vier Grundlagen der Achtsamkeit.”

 

 

Über den Autor

Geboren 1914 in Samut Prakaan, in eine kinderreiche Familie, die von Hochseefischerei lebte, entwickelte Acharn Thawie schon in seiner Jugend Interesse an Meditation. Er fühlte sich zwar nicht zum Tempel und zu den Mönchen hingezogen, zog sich aber schon in der Schulzeit oft in die Natur zurück, um die Natur des Lebens zu betrachten. Auf einer dieser Exkursionen erlebte er im Alter von achtzehn Jahren in meditativer Versenkung spontan die Wahrheit des Buddha, wurde aber auch dadurch nicht religiös im Sinne eines eifrigen Tempelbesuchers.

Nachdem er im zweiten Weltkrieg in der Marine gedient hatte, übernahm er den väterlichen Fischereibetrieb, da seine Geschwister, die im Ausland studiert hatten, schon in anderen Berufen gebunden waren. Bis zum Alter von fünfundvierzig Jahren kümmerte er sich um die Führung des Geschäfts und ermöglichte seinen Neffen und Nichten Studien im Ausland. Er selbst hatte nie den Wunsch, eine Familie zu gründen. Stattdessen nutzte er jede Gelegenheit, tagelang im Wald zu verschwinden, um zu meditieren.

Schließlich wurde ihm die Führung des Geschäfts eine zu große Belastung. Er übergab den Betrieb an Verwandte und lebte von da an nur im Wald. Wie es in Thailand üblich ist, werden auch Laien, die sich dem asketischen Ideal widmen, von der ländlichen Bevölkerung gern unterstützt und mit Essen versorgt. Aber Acharn Thawie suchte die Natur und so blieb er oft wochenlang im Wald, übte Versenkung und ernährte sich von Früchten, Blättern und Wurzeln. Als er dann einmal krank wurde und hohes Fieber hatte, konnte er zwar den Schmerz und das Fieber durch Eintritt in Versenkungsstufen unterdrücken, wurde aber körperlich allmählich schwächer. Leute, die ihn manchmal aufsuchten, brachten ihn zum Arzt, der ihm nahelegte, er solle doch Mönch werden, damit für die materiellen Bedürfnisse des Körpers besser gesorgt wäre, um sein spirituelles Leben zu unterstützen.

So wurde Acharn Thawie im Alter von neunundvierzig Jahren Bhikkhu im Dhammayut Sangha. Da er keinen Lehrer hatte und bisher keine Verbindung mit Mönchen, lebte er nach seiner Ordination weiterhin unabhängig, besuchte aber einige in Thailand berühmte Lehrer, um innerhalb des Sangha seinen Platz zu finden. Acharn Maha Bua bot ihm an, als Assistant bei ihm zu bleiben, aber Acharn Thawie wollte sich nicht auf Samatha Meditation beschränken. Als er 1965 in Chonburi das neu entstandene Vipassana Zentrum im Wat Vivekasom aufsuchte, lernte er dort die burmesische Vipassana Methode von Mahasi Sayadow. Er praktizierte unter Anleitung wenige Wochen, und man erkannte seine hohe Entwicklung und bot ihm sofort eine Stelle als Lehrer an.

Die Methode überzeugte Acharn Thawie, und er nahm die Aufforderung gern an. Später sagte er, die Methode, das gegenwärtige Objekt zu benennen, sei ein äußerst wirksames Mittel, um Achtsamkeit auf die Wirklichkeit aufmerksam zu machen und rasch Klarblick zu entwickeln. Die Nutzung der Bewegung der Bauchdecke als Hauptobjekt für momentane Konzentration – damals eine neue Methode – schien ihm ebenfalls für die Entwicklung von Klarblick besser geeignet als anapana-sati, Achtsamkeit auf den Atem an der Nasenspitze. Seine Schüler lehrte er nur die vier Grundlagen der Achtsamkeit mithilfe der Mahasi Methode. Anapana-sati und Versenkung, die er selbst beherrschte, seien in der heutigen Zeit schwer zu entwickeln. Das moderne Leben sei so unruhig geworden, daß man kaum noch die äußeren Bedingungen für diese Meditation finde. Und dann müsse man ja von da aus noch Klarblick entwickeln, um die vier edlen Wahrheiten zu durchdringen. Da sei es erfolgversprechender, direkt Klarblick zu üben.

Bis 1981 lebte Acharn Thawie im Wat Vivekasom, Chonburi, und erwarb sich in dieser Zeit den Ruf eines milden, verständnisvollen und zuverlässigen Klarblicklehrers. Da er gut Englisch sprach, kümmerte er sich vorwiegend um westliche Schüler, wurde aber auch von Thais, Mönchen wie Laien, hochgeschätzt und hatte zahlreiche Unterstützer. Einer davon Nai Sorn, bot ihm ein Stück Land in der Nähe von Bangkhla, in der Nachbarprovinz Chachengsao, an, und so wurde im August 1982 das Sorn-Thawie Meditationszentrum gegründet.

Die folgenden Jahre sahen das rapide Heranwachsen eines der modernsten Zentren Thailands. Die Gemeinschaft, die sich um Acharn Thawie sammelte, wuchs im Laufe der Jahre auf neunzig bis hundert Personen an, gemischt aus Ordensmitgliedern und Laien beiderlei Geschlechts. Es kamen mehr und mehr westliche Suchende, und einige davon wurden Mönche und Nonnen und blieben jahrelang im Sorn-Thawie Zentrum.

1994 wurde bei Acharn Thawie eine Krebsgeschwulst diagnostiziert, und er mußte im Laufe eines Jahres dreimal operiert werden. Danach konnte er die Gemeinschaft noch zwei Jahre lang leiten, bevor er an den Folgen der Erkrankung am 5. Juni 1996 starb.

Wer stirbt? Niemand stirbt.

Andere Leute sagen: Oh, das ist Acharn Thawie. Ein guter Mann! Aber ich weiß, daß es keinen Acharn Thawie gibt.

Durchschaue Dich Selbst

Wer Klarblick übt, macht sein Bewußtsein hell und klar,

Und kennt des Lebens höchsten Schatz, den Reinen Geist.

Er folgt dem Pfad, erkennt das Leid und läßt die Gier:

So wird die Glut des Leidens grenzenlos gelöscht.

Betrachte achtsam die fünf Bündel in Aktion und sei

Bewußt so gut Du kannst, was Geist und Körper tun.

Pein und Schmerz, Empfindungen, machen unglücklich –

Schau dem Auf und Ab nur zu: plötzlich siehst Du klar.

Erlebe hier im Körper viele Phänomene:

Nichts davon ist wirklich – überzeuge Dich!

Glück und Unglück streift Dich wie Hauch,

Geist und Körper sind spontan wie die Natur.

Note mit Entschlossenheit, laß nicht davon ab!

Lösche das Verlangen, veredle Deinen Geist.

Gehe nur den Mittelweg, verwirkliche den Dhamma,

Gewinne so das höchste Glück, Amata, Nibbana

              Baladhammo Bhikkhu

(Acharn Thawie Baladhammo, März 1984)